Bild: In Nordamerika hatte sich kurz nach der Eiszeit ein vom Gletscher eingeschlossenes Binnenmeer gebildet und nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der letzte Eisdamm brach.
Dieses sogenannte 8.2-Ereignis (8.2-ka-Event) [1] wirkte sich weltweit aus und hatte großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Agrarkultur in Europa und Asien.
[Zeittafel, Agrargeschichte] [Die Nacheiszeit]
Was war genau passiert?
Vor etwa 8.200 Jahren (ca. 6200 v. Chr.) bedeckte der gewaltige Laurentidische Eisschild große Teile Nordamerikas. Hinter ihm stauten sich die Gletscherseen Agassiz und Ojibway, die enorme Mengen an Schmelzwasser enthielten.
Ein katastrophales Ereignis – vermutlich der Zusammenbruch einer natürlichen Eis- oder Sedimentbarriere infolge von Gletscherbewegungen oder Druck – führte schließlich zum plötzlichen Durchbruch.
Die Wassermassen bahnten sich ihren Weg durch das heutige Kanada nach Nordosten, strömten über die Hudson Bay in den Nordatlantik und veränderten dort das Klima.
Schätzungen zufolge flossen innerhalb weniger Monate bis zu 100.000 Kubikkilometer sehr kaltes Wasser ab – ein Volumen, das den Meeresspiegel lokal um mehrere Meter ansteigen ließ.
Der gobale Meeresspiegelanstieg betrug ungefähr 0,5 bis 0,8 Meter, in manchen Publikationen maximal bis 1,4 Meter – aber verteilt auf Jahrzehnte.
Durch Effekte wie isostatische Hebung/Senkung oder Veränderungen in den Strömungen stieg der Meeresspiegel nicht überall gleich stark. Manche Küsten spürten den Anstieg deutlicher, andere weniger.
Dieser Anstieg kam zusätzlich zum ohnehin laufenden postglazialen Meeresspiegelanstieg, der in dieser Zeit mehrere Meter pro Jahrtausend betragen konnte.
Temperatursturz im Weltklima
Vor dem 8.2-Ereignis hatte es nach der letzten Eiszeit eine rasche Erwärmung gegeben: In Europa und Nordamerika lagen die Temperaturen vor dem Ereignis etwa 1–2 °C über dem heutigen Niveau (!). Dieses sogenannte Klimaoptimum begünstigte die Ausbreitung von Wäldern und die Entwicklung früher landwirtschaftlicher Kulturen in Vorderasien und Südosteuropa.
Mit dem Dammbruch änderte sich dies abrupt. Das kalte Schmelzwasser schwächte die atlantische Umwälzzirkulation (Golfstrom) deutlich – mit globalen Folgen.
In Europa und im Nahen Osten kam es zu einer Abkühlung um etwa 1–3 °C. Hier wurde es um 0,5–1 °C kühler als heute, begleitet von Trockenphasen in manchen Regionen.
Für die damaligen Menschen, die bereits Ackerbau betrieben, war dies ein einschneidendes Ereignis. Ernten konnten ausfallen, Siedlungen mussten sich anpassen, und die Sesshaftwerdung verlief mancherorts unter erschwerten Bedingungen.
Gleichzeitig gilt diese Klimaschwankung als prägender Faktor für die Herausbildung der ältesten Hochkultur Europas – der sogenannten Donauzivilisation (Alteuropa).

Wie dieser Käteeinbruch verlief, zeigt sich selbsterklärend in der folgenden Graphik bezogen auf das nordwestliche Europa.

Info zur Temperaturkurve oben: «Zeitlich parallelisierte Temperaturanzeiger („proxies“) für das nordwestliche Europa: Zwei grönländische Eiskern-Auswertungen, kombiniert mit alpinen Baumhöhen und Gletscherbewegungen, mit Chronologie in unserer Standardchronologie (v./n. Chr.) und kalibriertem BP = vor 1950), sowie Legenden für geologische Zeitalter, Blytt-Sernander und (prä)historischen Perioden (a(lt), m(ittel), j(ung), sp(ät), e(nd), ML=Mesolithikum, NL=Neolithikum, HL=Hallstattzeit, VöWdg=Völkerwanderungszeit, MA=Mittelalter).» Quelle [3]
Die große Flut am Schwarzen Meer
Parallel dazu wird das 8.2-Ereignis oft mit einem weiteren Flutgeschehen in Verbindung gebracht: dem Meereseinbruch am Schwarzen Meer. Hierbei handelt es sich um die bekannte „Schwarzes-Meer-Flut-Hypothese“.
Diese Hypothese wurde in den 1990er-Jahren von den Geologen William Ryan und Walter Pitman formuliert. Sie besagt, dass das Schwarze Meer vor etwa 7.500 Jahren noch ein Süßwassersee war, dessen Wasserspiegel deutlich tiefer lag als jener des Mittelmeeres. Mit dem nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstieg kam es zu einem Durchbruch am Bosporus, durch den salzhaltiges Mittelmeerwasser in das Schwarze Meer strömte.

Was sich dabei genau abspielte und welche Spuren dieses Ereignis hinterlassen hat – wie etwa die Entfaltung der Donaukultur (Vinča-Kultur) – wird Thema eines weiteren Blog-Artikels sein.
Quellen und Ergänzungen
[1] Das 8.2-Ereignis, auch bekannt als 8.2. cold event, 8.2-ka-Event (ka = kiloannum, vor 8200 Jahren), oder auch als 8,2-ka-Kälteeinbruch bekannt, findet sich noch unter folgenden Bezeichnungen:
Bond-Ereignis 5 – Benannt nach dem Klimaforscher Gerard Bond, der zyklische Klimaereignisse in der Holozän-Zeit untersuchte. Das 8.2-ka-Event fällt mit dem Bond-Ereignis 5 zusammen.
Misox-Kälteeinbruch – In einigen deutschsprachigen Kontexten wird das Ereignis nach der Region Misox (Schweiz) benannt, wo geologische Spuren der Abkühlung gefunden wurden.
Holozän-Kälteeinbruch – Eine allgemeinere Bezeichnung, die das Ereignis in den Kontext des Holozäns (die aktuelle Warmzeit) stellt.
Schmelzwasserpuls 1B – In Verbindung mit der möglichen Ursache des Ereignisses, nämlich dem plötzlichen Abfluss von Schmelzwasser aus dem Laurentide-Eisschild in Nordamerika, der die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik störte.
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Vin%C4%8Da-Belo_Brdo
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Vinca_ceramics_1c.jpg
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/8.2-kiloyear_event
https://commons.wikimedia.org/wiki/File: North-western_European_Holocene_Climate_
Proxies_and_Culture_Stages,_by_Hans_J.J.G._Holm.png