Der Jägermond – im Englischen Hunter’s Moon – ist der Vollmond, der den November begleitet. Manchmal gerät schon der Oktober-Vollmond unter diesen Namen, doch im alten Volksbrauch ist es der späte, klare Novembermond, der ihn wirklich verdient.
In den Wochen davor stehen der September- und Oktober-Vollmond als Erntemonde über den Feldern; sie leuchten den Bauern noch einmal die späte Arbeit aus. Die Felder sind offen, doch die Wälder tragen noch ihr Rascheln und Dunkel. Und dann, ganz allmählich, beginnt sich die Landschaft zu verändern.
Wenn die Bäume schweigen
Mit dem November fallen die letzten Blätter. Der Wald – eben noch ein dichtes Dach – wird durchsichtig wie ein altes Gewebe. Nächte werden länger, die Luft klarer, und über den kahlen Zweigen steigt der Vollmond auf. Er steht höher, als man ihn aus den Sommermonaten kennt, und sein Licht wirkt kälter, schärfer, fast metallisch.
Solches Licht ließ den Jägermond zu einem Verbündeten der Menschen werden. Früher war es nichts Ungewöhnliches, nach Sonnenuntergang auf leisen Sohlen loszuziehen – das Licht des Mondes fiel frei über die Felder, tastete sich durch die lichteren Wälder und machte Rotwild, Sauen, Hasen und Raubwild sichtbar wie in einer sachten, silbernen Dämmerung.
Dringlichkeit des Spätherbstes und Mondscheinjagd
Der November und Anfang Dezember war immer eine Zeit leiser Eile. Noch bevor der erste Schnee die Wege verschließt, mussten die Vorratskammern gefüllt werden. Das Wild war jetzt schwer von den Früchten der Herbstmast – Eicheln, Bucheckern, Kastanien – und damit besonders nahrhaft. Darum galten die hellen Vollmondnächte der letzten beiden Monate als Zeit der Winter- oder Vollmondjagd.
Mancherorts erzählte man sich, der Jägermond sei ein „freundlicher Mond“, einer, der dem Menschen helfe, bevor der Winter seine Hand über das Land legt. Unter seinem Licht holte man nicht nur Wildbret heim, sondern manchmal auch Brennholz aus dem Wald – solange die Wege noch offen, aber die Nächte bereits klar waren.
Selbst heute ist für den Landwirt oder Selbstversorger der Tag zu kurz und erst in der Dunkelheit beendet und da ist in vielen Situationen das Mondlicht immer noch von Nutzen.
Mondnamen auf beiden Seiten des Atlantiks
Während man hierzulande den November-Vollmond als Jägermond kannte, gaben in Nordamerika die Algonkin-Völker jedem Vollmond des Jahres einen Namen – poetisch, naturbezogen, aus dem Rhythmus von Jagd, Ernte und Jahreszeit heraus. Später übernahmen die Siedler diese Bezeichnungen, und einige wanderten sogar zurück nach Europa.
Der Oktober wurde so zum Hunter’s Moon oder Blood Moon – „Blutmond“, nicht wegen einer rötlichen Farbe, sondern wegen der Schlachtungen und Jagden dieser Zeit.
Der November wiederum erhielt Namen wie Beaver Moon, Frost Moon oder in manchen Regionen ebenfalls Hunter’s Moon.
Jeder Name erzählt von Arbeit, Naturbeobachtung und den kleinen Überlebensstrategien vor dem langen Winter.

Warum der Jägermond wirklich heller scheint
Dass der Jägermond heller wirkt als der Vollmond einer Sommernacht, ist nicht bloß ein Gefühl – es hat seinen Ursprung im Himmelslauf. Der Vollmond steht der Sonne gegenüber. Wenn also die Sonne im Juni hoch über dem Himmel brennt, dann duckt sich der Mond tief an den Horizont. Doch im späten Herbst und Winter kehrt sich dieses Verhältnis um: Die Sonne sinkt am mittäglichen Horizont, und der Mond steigt höher, als im Sommer.
Er steht dann im November- oder Dezemberhimmel hoch wie eine Laterne, die jemand zu weit oben aufgehängt hat und deren Licht ungehindert auf die Erde fällt. Die kalte, trockene Luft der Jahreszeit zerstreut kaum Licht – der Mond wirkt klar, beinahe schneidend hell.
Zeitqualitäten
Man könnte sagen:
Der Jägermond ist der erste Bote des Winters.
Er leuchtet heller, weil er weiß, dass das irdische Licht selten geworden ist. Er birgt in sich die Zeitqualität letzter Spannung, Konzentration … das Jagdfieber des alten Jahres und als Gegenstück die unendliche Stille.
Doch dann erscheint der Morgenstern der Adventszeit und eine neue Lichtzeit beginnt…
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[] [GJ.6.10] G. Jacob, 29.11.2025

