[Selbstversorgung/Subsistenzwirtschaft] [Beispiele] [Autarkie]
Eine notwendige Klärung
➡️ Wenn von Subsistenzwirtschaft die Rede ist, lohnt es sich, zunächst eine präzise Definition festzuhalten [1].
Im hier verwendeten Sinn bezeichnet Subsistenzwirtschaft ein auf regionale und gemeinschaftliche Selbstversorgung ausgerichtetes Wirtschaftssystem.
Das primäre Ziel ist es, den Lebensunterhalt – also Nahrung, Kleidung und einfache Güter – durch eigene Produktion und lokale Ressourcen zu sichern.
Eine Anbindung an externe Märkte besteht zwar, doch nicht mit der Absicht des Erwerbs, sondern allenfalls ergänzend.
Damit stellt sich fast automatisch die Frage nach dem Gegenteil dieser Lebensform: Was steht am anderen Ende dieses wirtschaftlichen Spektrums?
Vom Selbstversorger zum Marktteilnehmer
➡️ Das Gegenmodell zur Subsistenzwirtschaft ist die Erwerbswirtschaft, also die Marktwirtschaft im engeren Sinn.
Während in der Subsistenzwirtschaft Menschen für den Eigenbedarf produzieren, steht in der Erwerbswirtschaft der Verkauf und damit die Gewinnerzielung im Mittelpunkt. Es wird also nicht geerntet, um zu essen – sondern um zu handeln.
Daraus folgen Begriffe wie Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt oder Dienstleistungssektor – allesamt Ausdruck einer Ökonomie, in der Arbeit und Produkt veräußert werden, statt im Kreislauf der eigenen Existenz zu verbleiben.
Arbeit für das Leben – oder für den Markt?
➡️ In der Subsistenzwirtschaft ist Arbeit unmittelbar mit dem Leben verknüpft. Wer pflanzt, erntet, backt, webt oder näht, arbeitet im Rhythmus der eigenen Existenz. Arbeit ist hier keine Ware, sondern ein Bestandteil des Lebens selbst.
In der Erwerbswirtschaft dagegen wird Arbeit zur Ware. Sie wird verkauft, um Geld zu verdienen, mit dem man wiederum die Güter des Lebens zurückkauft.
Das ist ein fundamentaler Perspektivwechsel:
Die Beziehung zwischen Arbeit und Leben wird vermittelt – durch den Markt.
Reziprozität und Ausgleich
➡️ Beim direkten Tausch von Arbeit gegen ein selbst erzeugtes Gut besteht noch ein reziprokes Verhältnis – eine Form sozialer Balance.
Man könnte, in moderner Sprache, von einem „Energieausgleich“ sprechen: einem Gleichgewicht von Kräften, Dingen und Beziehungen.
Historisch verlief solcher Austausch oft über wertbeständige Zwischenmittel wie Getreide, Salz, Metalle oder Werkzeuge – doch das Prinzip blieb: ein Tausch innerhalb eines realen Bezugssystems.
Mit dem Aufkommen des modernen Geldes änderte sich dies grundlegend:
Sobald ein abstraktes Zahlungsmittel zwischen Arbeit und Ware tritt – oder marktwirtschaftlich erzeugte Güter und Dienstleistungen in Anspruch genommen werden – wird diese Reziprozität aufgelöst.
Das Geld ersetzt nicht nur den Tauschwert, sondern entkoppelt Arbeit von Bedürfnis.
Im heutigen Kreditgeldsystem wird diese Entkopplung noch verstärkt. Geld entsteht „aus dem Nichts“ – durch Kredit – und dient weniger dem Austausch realer Arbeit als der Umleitung von Arbeitsleistung in ein vielschichtiges Geflecht aus Steuern, Zinsen, Abgaben und Gewinnmargen.
Von einem echten Ausgleich kann dabei kaum mehr die Rede sein, doch wirken hier halt andere zivilisatorische Mechanismen.
Zwischen den Welten
➡️ Eine reine Subsistenzwirtschaft – so, wie sie idealtypisch beschrieben wird – existiert heute kaum noch. Was wir in Wirklichkeit beobachten, sind Mischformen, die man als partielle oder vernetzte Subsistenzwirtschaft bezeichnen könnte:
Formen des Wirtschaftens, die Selbstversorgung, Nachbarschaftshilfe und Marktbezug miteinander verknüpfen, ohne sich gegenseitig zu verdrängen.
Dieses Nebeneinander zeigt, dass das „Gegenteil“ der Subsistenzwirtschaft nicht als Feindbild verstanden werden sollte, sondern als Ergänzung.
Marktwirtschaft ermöglicht Spezialisierung, technischen Fortschritt und überregionale Vernetzung; Subsistenzwirtschaft bewahrt dagegen Nähe, Nachhaltigkeit und Selbstbestimmung.
Beide Systeme können koexistieren – solange man sie nicht vermischt, sondern bewusst unterscheidet.
Der Gartenbau als Beispiel
➡️ Ein anschauliches Beispiel bietet der Gartenbau.
Historisch unterschied man stets zwischen dem selbstversorgenden Gartenbau und dem Erwerbsgartenbau.
Vor zwei Jahrhunderten wurde mit dem Wort Gärtner häufig der Häusler bezeichnet – also der Kleinsiedler, der zur eigenen Versorgung anbaute. Für den marktwirtschaftlich orientierten Gartenbau verwendete man dagegen Begriffe wie Marktgärtner oder Engrosgärtner.
Dieser Unterschied ist mehr als sprachlich: Der Selbstversorger-Gartenbau verfolgt grundlegend andere Ziele als der Erwerbsgartenbau – bis hin zu Anbauplänen, Sortenwahl und Bodennutzung.
Er dient dem Leben, nicht dem Markt.
Doch das wäre – im besten Sinne – ein Thema für einen eigenen Beitrag.
Schlussbetrachtung
➡️ Das Gegenteil der Subsistenzwirtschaft ist nicht bloß die Marktwirtschaft, sondern eine vollständig vermarktlichte Lebensweise, in der Arbeit, Zeit und Natur in Geld übersetzt werden.
Zwischen beiden Polen liegt ein weites Feld – das der partiellen, vernetzten Subsistenz –, in dem vielleicht die Zukunft nachhaltigen Wirtschaftens liegt.
Quellen und Ergänzungen
[1] Meine bisherige Definition von Subsistenzwirtschaft (publiziert auf derkleinegarten.de)
[2] Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Beitrag habe ich noch einmal eine klare begriffliche Definition erarbeitet:
Subsistenzwirtschaft bezeichnet ein auf regionale und gemeinschaftliche Selbstversorgung ausgerichtetes Wirtschaftssystem. Ihr primäres Ziel ist die Sicherung des Lebensunterhalts – also die Bereitstellung von Nahrung, Kleidung und einfachen Gütern – durch eigene Produktion und die Nutzung lokaler Ressourcen, einschließlich der Entnahme aus der Natur. Häufig bestehen Verbindungen zu anderen Subsistenzgemeinschaften (vernetzte Subsistenzwirtschaft) oder zu externen Märkten, jedoch nicht mit der Absicht des Erwerbs, sondern ergänzend. Teilnehmer einer Subsistenzwirtschaft können parallel auch marktwirtschaftliche Erwerbstätigkeiten ausüben; in diesem Fall spricht man von partieller oder partiell vernetzter Subsistenzwirtschaft.
Thomas Jacob 5.10.2025