Autarkie und Selbstgenügsamkeit
Seit nunmehr einigen Jahren – genauer gesagt seit 2008 und intensiver seit 2011 – beschäftige ich mich mit den Fragen und der Praxis der Selbstversorgung, insbesondere auch mit dem Selbstversorgergarten. Dieses Themenfeld ist schier grenzenlos, insbesondere wenn wir die Selbstversorgung samt Gartenbau als eine „Alternative“ betrachten – zu was auch immer. In diesem Zusammenhang könnte man ohne weiteres Jahrzehnte damit zubringen, scheinbar ziellos zwischen alternativen Handlungs- und Lebenskonzepten umherzuirren, ständig auf der Suche nach der einen, vermeintlich richtigen Lösung. Dabei musste ich feststellen, dass nur wenige der von mir beobachteten Initiativen und Versuche in den letzten dreißig Jahren im Bereich der Selbstversorgung tatsächlich zu einem nachhaltigen Grad an Autarkie geführt haben.
Für meinen Teil glaube ich, auf diesem Weg schon ein Stück weitergekommen zu sein. Dennoch halte ich es für notwendig, kritisch innezuhalten, ein Zwischenfazit zu ziehen und die eigenen Zielsetzungen zu reflektieren, um, falls nötig, den eingeschlagenen Kurs zu korrigieren. Meine Herangehensweise mag radikal erscheinen, doch mein Fokus liegt nicht auf irgendeiner alternativen Lebensweise. Mein Ziel ist es vielmehr, tatsächliche Autarkie zu erreichen – ein Ideal, das von den alten Griechen so treffend als Selbstgenügsamkeit und Unabhängigkeit von äußeren Umständen beschrieben wurde.
Autarkie: Nicht erpressbar sein…
Angesichts der Herausforderungen des modernen Lebens gehe ich in dieser Definition jedoch noch einen Schritt weiter: Autarkie bedeutet für mich nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch das Streben nach einem Zustand, in dem man nicht erpressbar ist – weder durch ökonomische noch durch gesellschaftliche Zwänge. Dieser Gedanke hat in meinem Denken und Handeln eine zentrale Bedeutung gewonnen und wird zweifellos Thema eines zukünftigen Beitrags sein.
Doch bevor ich mich diesen, vielleicht etwas merkwürdigen Überlegungen widme, möchte ich im vorliegenden Beitrag einen Schritt zurücktreten, um die Begriffe Selbstversorgung und Subsistenzwirtschaft genauer zu definieren. Diese beiden Konzepte, die ich in meinen Ausführungen oft als nahezu synonym verwendet habe, verdienen eine präzise Abgrenzung, um ihre Bedeutung und Verknüpfung besser zu verstehen. Aus diesem Grund erscheint es mir sinnvoll, beide Begriffe gemeinsam zu beleuchten, um ihre jeweiligen Eigenheiten und ihr Zusammenwirken klarer herauszuarbeiten.
Selbstversorgung versus Subsistenzwirtschaft: Definitionen und Überlegungen
In einer Zeit, in der Themen wie Nachhaltigkeit, Minimalismus und das Streben nach Unabhängigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, rücken Begriffe wie Selbstversorgung und Subsistenzwirtschaft verstärkt in den Fokus. Doch obwohl beide Konzepte oft miteinander verwechselt werden, gibt es entscheidende Unterschiede – Unterschiede, die sowohl die Intention als auch die Praxis betreffen.
Selbstversorgung: Der Wunsch nach Unabhängigkeit
Die Selbstversorgung, wie sie heute verstanden wird, ist weniger eine wirtschaftliche Notwendigkeit als vielmehr eine bewusste Lebensentscheidung. Es geht darum, eigene Lebensmittel anzubauen, Energie selbst zu erzeugen und vielleicht sogar auf industrielle Konsumgüter zu verzichten. Wer sich für diese Lebensweise entscheidet, sucht oft eine Form der Unabhängigkeit – sei es von globalen Lieferketten, von steigenden Lebensmittelpreisen oder von der Abhängigkeit moderner Technologien.
In der Praxis bedeutet Selbstversorgung häufig nur eine partielle Deckung des täglichen Bedarfs. Ein gepflegter Gemüsegarten, ein paar Hühner oder ein kleiner Obstbestand können zwar die Lebensqualität erheblich steigern und den Gang zum Supermarkt reduzieren, doch nur die wenigsten Selbstversorger schaffen es, ihren gesamten Bedarf aus eigener Produktion zu decken. Hierbei spielt auch die oft romantisierte Vorstellung eine Rolle: Selbstversorgung wird gerne mit einem naturnahen, entschleunigten Lebensstil in Verbindung gebracht, weit entfernt von den Zwängen und der Hektik des modernen Alltags. In der Realität jedoch bedeutet Selbstversorgung auch harte Arbeit – etwa zwei Stunden täglicher Einsatz in Haus, Hof und Garten – verbunden mit der Notwendigkeit, effiziente und funktionierende Konzepte konsequent umzusetzen. Fortschritt soll dabei nicht ausgeklammert sein. Und in diesem Falle ist das Selbstversorgungs-Konzept dann aber ohne Frage auch gewinnbringend.
Und, liebe Mitstreiter, lasst mich an dieser Stelle noch eines betonen: Die Vorstellung, als Rohköstler, Veganer oder auch Vegetarier den Großteil des Lebensmittelbedarfs selbstständig in der eigenen Gartenwirtschaft anbauen und nachhaltig decken zu können, ist meines Erachtens eine Illusion.**
Besonders Veganer sind in meinen Augen zwangsläufig auf industriell produzierte und verarbeitete Nahrungsmittel angewiesen und stehen damit immer in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Industrie und Agrarindustrie. Sicher gehe ich auf dieses Thema noch gesondert ein und begründe es. Hier ist es in Kurzfassung meine Überzeugung – wenngleich ich bereit bin, mich eines Besseren belehren zu lassen, falls ich mich in dieser Einschätzung irre.
Subsistenzwirtschaft: Lebensnotwendigkeit und Gemeinschaft
Im Gegensatz dazu ist Subsistenzwirtschaft kein freiwilliges Projekt, sondern eine Überlebensstrategie. Subsistenzwirtschaft beschreibt eine Wirtschaftsweise, bei der Menschen nahezu ausschließlich für den Eigenbedarf produzieren. Sie findet sich vor allem in traditionellen Gesellschaften oder Regionen, in denen industrielle Infrastruktur fehlt. Es geht nicht um die freie Wahl, sondern um die Sicherstellung des Lebensunterhalts.
In der Subsistenzwirtschaft steht oft die Gemeinschaft im Vordergrund. Die Arbeit ist nicht allein auf eine Person oder Familie beschränkt, sondern wird gemeinschaftlich organisiert. Landbau, Tierhaltung und handwerkliche Produktion sind eng miteinander verwoben, und der Ertrag wird direkt für den Konsum verwendet oder in Tauschsystemen eingebracht. Ein Paradebeispiel hierfür sind die Amischen in den USA. Diesen Beitrag zu lesen lohnt sich.

Abgrenzung und Gemeinsamkeiten
Die übergeordneten Gemeinsamkeiten von Selbstversorgung und Subsistenzwirtschaft liegen in der Idee, Ressourcen direkt vor Ort zu nutzen und Abhängigkeiten zu minimieren. Beide Konzepte fordern praktische Fertigkeiten, natürliches Wissen und eine große Portion Durchhaltevermögen. Dennoch bleibt die Motivation grundverschieden: Während die Selbstversorgung oft von Idealen wie Nachhaltigkeit, Autarkie und Lebensqualität angetrieben wird, steht bei der Subsistenzwirtschaft das Überleben im Vordergrund.
Historische Betrachtung
Die Subsistenzwirtschaft ist so alt wie die Menschheit selbst. Sie war die vorherrschende Wirtschaftsform vor der Entstehung von Handelssystemen und Geldwirtschaft. In Europa wandelte sich diese Wirtschaftsweise im Mittelalter durch den Aufstieg von Feudalismus und Marktwirtschaft. Selbstversorgung hingegen erlebte erst im Zuge der Industrialisierung und insbesondere im 20. Jahrhundert eine Renaissance. Bewegung wie die Gartenstadt-Idee oder die ökologischen Bewegungen der 1970er-Jahre belebten das Interesse an einem autarken Lebensstil.

Kritik und Herausforderungen
Beide Konzepte stehen jedoch auch in der Kritik. Selbstversorgung wird oft als romantische Vorstellung kritisiert, die in der Praxis viele Überforderungen mit sich bringt. Sie ist arbeitsintensiv, wetterabhängig und erfordert viel Wissen. Halbherzig betrieben ist sie unrentabel. Subsistenzwirtschaft hingegen wird aus ökonomischer Perspektive (makroökonomisch) als ineffizient angesehen, da sie keine Überschüsse für Investitionen oder Innovationen generiert.
Ein modernes Fazit
In der heutigen Zeit verschwimmen die Grenzen zwischen Selbstversorgung und Subsistenzwirtschaft zunehmend. Projekte wie Urban Gardening, Permakultur oder solidarische Landwirtschaft verbinden Elemente beider Ansätze. Die zentrale Frage bleibt jedoch, in welchem Maß diese Modelle tragfähig sind – sowohl für Einzelpersonen als auch im größeren gesellschaftlichen Kontext.
Vielleicht liegt die Antwort in einer Synthese: Selbstversorgung als bewusste Ergänzung zum modernen Leben, gepaart mit einem verstärkten Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und lokale Produktion. Denn sowohl die Selbstversorgung als auch die Subsistenzwirtschaft erinnern uns an die Ursprünge unserer Beziehung zur Natur – eine Beziehung, die in unserer zunehmend technologisierten Welt leicht in Vergessenheit gerät.