Oder: Warum baut man in Frankreich und China Flachs an und verarbeitet ihn – und bei uns nicht?
[Wer möchte, darf diesen Beitrag als Satire betrachten. Leider beschreibt er die Wirklichkeit und doch soll er auch ein wenig Hoffnung vermitteln indem wir unbefangen Denken lernen und nützlich Dinge anstreben]
Mal kurz logisch nachgedacht…
◾ Diesen Artikel schreibe ich, nachdem mir bewusst wurde, dass die Lein-Pflanze (Linum usitatissimum L.) einen doppelten Ertrag liefern kann [1]. Einerseits kann sie als Faserpflanze (Flachs) genutzt werden, andererseits als Ölsaat (für Leinsamen und Leinöl). Das ist naheliegend, denn der Flachs muss vollständig ausreifen, um als Faserpflanze genutzt zu werden. Bei der Reife entwickeln sich zugleich auch die Leinsamen, die voll ausreifen und geerntet werden können.
Verwunderliches
Baut man jedoch Baumwolle für die Textilindustrie an, erhält man nur das eine Produkt. Im Vergleich dazu erweist sich der Flachsanbau als wesentlich ressourcenschonender: Er benötigt etwa 70–90% weniger Wasser und verbraucht deutlich weniger Pestizide und Düngemittel. Zum Vergleich: Rund 25% der weltweit verwendeten Pestizide entfallen auf den Anbau von Baumwolle! Zudem ist der Landbedarf für Baumwolle erheblich höher: Um die gleiche Menge Fasern zu produzieren, benötigt Baumwolle 2–3 Mal mehr Fläche als Flachs. In Bezug auf den Ressourcenverbrauch ist Flachs also deutlich effizienter als Baumwolle. Siehe auch [1].
Noch Zeitgeschichtlich relevant
Bis Ende der 1940er Jahre wurde in Deutschland Flachs mit der oben erwähnten doppelten Nutzung angebaut und verarbeitet. Er war lange Zeit eine wichtige Nutzpflanze für die Textilien (Leinen) sowie für die Ölgewinnung aus Leinsamen (Leinöl).
Während des Zweiten Weltkriegs und bis in die Nachkriegszeit hinein spielte Flachs weiterhin eine Rolle in der deutschen Landwirtschaft, insbesondere da Baumwolle schwer verfügbar war und Leinen als Textilfaser eine wichtige Alternative darstellte.
Nicht passend zur Industrienation mit florierender chemischer Industrie?
Nach dem Krieg und vor allem in den 1950er Jahren begann der Flachsanbau jedoch stark zurückzugehen, da synthetische Fasern (wie Nylon und Polyester) sowie die steigende Verfügbarkeit von importierter Baumwolle zunehmend den Markt dominierten.
War die harte D-Mark Schuld?
Es kommt dann noch hinzu, dass Deutschland eine starke Industrie- und Exportnation wurde, eine harte Währung besaß (D-Mark) und ständig ein Außenhandeldesüberschuss erwirtschaftet. Dass ermöglichte Länder, wie die USA nicht nur ihre damals in Mode kommende Jeanskleidung, sondern auch Baumwollstoffe in großen Mengen nach Deutschland zu exportieren. Dieser deutsche Import bezog sich neben den USA noch auf Indien, Ägypten, Pakistan und für die DDR aus der Sowjetunion (UDSSR). Die Baumwollimporte stiegen, um die wachsende Nachfrage nach Textilien zu decken und die heimische Flachsproduktion zu ersetzen, die an Bedeutung verlor.
Wenn es unrentabel wäre, würden es nicht die Anderen machen
Das also sind meine vermuteten Ursachen, dass man in Deutschland auf die sonst „absolut vernünftige“ und gesamt-ökonomische wichtige Leinenproduktion verzichtet hat. Und ganz so unrentabel kann das alles gar nicht sein. So weist beispielsweise in China eine wachsende und florierende Produktion von Leinenstoffen und Leinenfaserprodukten auf und exportiert sogar die begehrten Leinen-Langfasern dafür aus der EU. Doch China steht in der Flachsproduktion und die Verarbeitung von Leinen nicht allein da. Hier sind noch mehr Nationen, die vergleichsweise klug agieren:
- Frankreich – Die Nation ist heute der größte Flachsproduzent der Welt. Insbesondere in der Region Normandie wird Flachs in großem Umfang angebaut und zu hochwertigen Leinenstoffen verarbeitet.
- Belgien – Insbesondere die Region Flandern, hat eine lange Tradition in der Flachsverarbeitung und ist bekannt für die Herstellung von hochwertigem Leinen.
- Niederlande – Anbau und die Verarbeitung sind hier eng mit der Textilindustrie des Landes verknüpft und neben Textilien für technische Anwendungen verwendet.
- Russland – Russland, das eine lange Geschichte im Flachsanbau hat, ist ebenfalls ein wichtiger Produzent, besonders in den Regionen um Wologda. Die Produktion in Russland ist hauptsächlich auf Inlandsbedarf und industrielle Nutzung ausgerichtet.
- Italien – Italien importiert einen Großteil des Flachses, hat aber eine bedeutende Leinenverarbeitungs-Industrie, die sich auf die Herstellung von luxuriösen Textilien spezialisiert hat.
- Litauen – gehört zu den osteuropäischen Ländern, in denen Flachs noch angebaut und verarbeitet wird, insbesondere für lokale Textilien und den Export.
Fazit
Wenn ich oben feststellte, das der Niedergang der deutschen Leinenverarbeitungs-Industrie mit der harten D-Mark und mit der deutschen Industrie- und Exportnation in Zusammenhang zu bringen ist, dann wäre doch die Leinenverarbeitung das Zukunftsprojekt für unser „bestes Deutschland aller Zeiten“ [1], welches nicht nur (vernünftigerweise?) auf seine harte D-Mark verzichtet hat, sondern nun auch (offenkundig für jedermann) eine Deindustrialisieren anstrebt. Und das ist wirtlich klever und das meine ich satirisch ernst:
Man weiß ja, dass der Chemiekonzern BASF Deutschland Richtung China verlassen will. Mit diesem Schachzug wird China nämlich in Sachen Leinenverarbeitungs-Industrie das Wasser abgegraben, denn sie wird dann (wie einst in Deutschland) durch Nylon und Polyester ersetzt und wir haben einen Konkurrenten auf dem Weltmarkt weniger. Ist das eine gute Idee?
Abschließend noch ein paar Notizen zur Nützlichkeit von Linum usitatissimum, dem Leinen (Flachs)
Fasern und Öl wurden und und werde verschieden genutzt. Zum Beispiel für:
- Leinenstoff
- Seile, Stricke
- Leinöl
- Salben, Kosmetik
- Ölfarben
- Holzschutzanstriche (z.B. Leinöl-Firnis)
- Tierfutter (Futterzusatz für Pferde, Wiederkäuer, Geflügel –> Omega-3-Eier)
Neuere Produkte
- Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK)
- Dämmvliese aus Naturfasern
- Zellstoff und Papier
- Kresse-Anzuchtfilze (für den Gartenbau)
- Geo- und Agrartextilien
- Tiermatten
- Naturfaserbewehrter Beton
- Biomasse
Quellen und Erläuterungen
[1] Eine glaubwürdige KI-Recherche:
Zahlen über den Doppelertrag beim Anbau von Flachs (Langfaser-Lein) sind schwer zu generalisieren, da sie von verschiedenen Faktoren wie Region, Bodenqualität, und Wetterbedingungen abhängen. Es gibt jedoch einige Anhaltspunkte, die den ökonomischen Vorteil der doppelten Nutzung von Flachsfasern und Leinsaat (für Öl) deutlich machen:
- Flachserträge liegen in der Regel bei etwa 1-2 Tonnen Fasern pro Hektar. Zusätzlich können aus demselben Anbau etwa 0,4-0,6 Tonnen Leinsamen pro Hektar geerntet werden.
- Diese Leinsamen haben wiederum einen Ölertrag von etwa 30-40% des Gesamtgewichts, was bedeutet, dass aus einem Hektar etwa 120-240 Liter Leinöl gewonnen werden können.
Zusammengefasst: Ein Hektar Flachs kann sowohl hochwertige Fasern für die Textilproduktion als auch Leinsamen für Öl liefern, was zu einem deutlich höheren Gesamtertrag führt, als wenn nur die Faser geerntet würde. Die zusätzliche Ölproduktion kann je nach Marktnachfrage erheblich zur Rentabilität beitragen.
Das zusätzliche Öl macht den Anbau wirtschaftlich effizienter, da die Nebenprodukte zusätzlich monetarisiert werden können, was im Anbau von Baumwolle nicht möglich ist.
[2] In Anlehnung an:
STEINMEIER, Frank-Walter Steinmeier; „Wir Glückskinder in der Mitte Europas“ Rede zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit; Potsdam 3.10.2020
in Potsdam am 3. Oktober 2020 (web.archive.org).
[3] Der wikipedia-Artikel zum Thema: https://de.wikipedia.org/wiki/Flachsfaser
[4] Verwendung als Einstreu oder Futter: Das Flachsstroh kann als Einstreu für Nutztiere, insbesondere für Pferde, verwendet werden. Es hat eine gute Saugfähigkeit und bindet Gerüche, was es zu einer beliebten Alternative zu Stroh oder Spänen macht.
In manchen Fällen kann es auch als Tierfutter dienen, allerdings wird es nicht so häufig für diesen Zweck verwendet, da es weniger Nährwert bietet.
[5] CARUS, Michael; Studie zur Markt- und Konkurrenzsituation bei Naturfasern; 2008
[6] Biomasse oder Kompost: Das Flachsstroh kann auch als Biomasse genutzt werden, etwa zur Energiegewinnung (z. B. durch Verbrennung oder in Biogasanlagen). Zudem kann es zur Kompostierung verwendet werden, um organisches Material in den Boden zurückzuführen.
Weitere Quellen
- https://info.bml.gv.at/themen/lebensmittel/trad-lebensmittel/oel/leinoel.html
- https://www.coldperfection.com/zukunftschance-alte-kulturpflanzen-flachs/
- https://www.lokaltextil.de/leinen-ein-selbstversuch/
- https://www.buehren.de/seite/506905/vom-flachs-zum-leinen.html
- https://zeitreise-bb.de/flachs/
- https://www.oeko-komp.de/wp-content/uploads/2022/12/Merkblatt-Leinsaat.pdf
- Lizhi Zhu (Peking/China), Produktion und technische Verwertung von Flachs in China; 2001 agricultural engineering.eu (direkter Link zum PDF!)
- https://www.oeko-komp.de/wp-content/uploads/2022/12/Merkblatt-Leinsaat.pdf
Quellen der Deindustrialisierung Deutschlands (2024)
- https://www.merkur.de/wirtschaft/konjuktur-deindustrialisierung-miele-stihl-conti-bayer-unternehmen-verlassen-deutschland-zr-92982551.html
- https://www.agrarheute.com/management/agribusiness/basf-koennte-deutschland-verlassen-chemiekonzern-nennt-gruende-621333
- https://www.agrarheute.com/management/agribusiness/spaltet-basf-agrargeschaeft-ab-moeglicher-konzernumbau-treibt-aktie-626275
- https://www.agrarheute.com/management/basf-schliesst-anlagen-deutschland-300-arbeitsplaetze-betroffen-623286
- https://www.focus.de/finanzen/news/hohe-energiepreise-basf-in-der-krise-chemiekonzern-plant-stellenabbau_id_260342951.html