Die Eisheiligen 2025 – sie kommen gleich noch mal. Ein Wetterphänomen trotzt dem Zeitgeist. Und: was ist eine Wärmesumme im Gemüsebau?

Tomaten Jungpflanzen

Bild: Es nützt nichts. 17. Mai 2025. Die Tomaten müssen raus aus den Töpfen und ins Freiland gesetzt werden. Eigentlich ist es aber noch zu kalt.

[Klima]

Seit über 45 Jahren bin ich im Gartenbau tätig – und manche Beobachtungen verlieren auch nach Jahrzehnten nicht an Faszination. Eine davon ist die jährliche Wiederkehr eines altbekannten Phänomens: der sogenannten Eisheiligen.

Jährliche Wiederkehr mit erstaunlicher Regelmäßigkeit

Trotz aller Schwankungen, die das Wetter uns bietet, lässt sich der Kälterückfall rund um den 11. bis 15. Mai mit bemerkenswerter Konstanz beobachten. Jahr für Jahr trifft er Hobby- und Kleingärtner recht zuverlässig – nicht selten genau dann, wenn die im warmen April gesetzten Tomatenpflanzen gerade gut angewachsen sind.

Klimaerwärmung? Ein Widerspruch im Detail

Was mich dabei besonders stutzig macht: Auch seit dem Aufkommen des weithin verbreiteten Narrativs einer globalen Klimaerwärmung hat sich an dieser auffälligen Regelmäßigkeit der Eisheiligen nichts geändert. Sollte sich das Klima tatsächlich substanziell und dauerhaft erwärmen, müsste sich ein solch stabiles Phänomen nicht früher im Jahr zeigen – etwa bereits im April?

Stattdessen bleibt die bekannte „Kälte-Delle“ Mitte Mai bestehen – ein kleiner, aber eigensinniger Widerspruch innerhalb der großen Erzählung von der Erderwärmung.

Keine Extremwetter – sondern beharrliche Normalität

Noch etwas fällt auf: Wenn man der gängigen Klimarhetorik folgt, müssten Wetterextreme zunehmen. Wir dürften dann in manchen Jahren mit regelrechter Mai-Hitze, in anderen mit bitterer Kälte rechnen – gerade in der sensiblen Zeit um den 11. bis 15. Mai. Doch weder das eine noch das andere scheint einzutreten. Stattdessen herrscht eine fast schon altmodische Verlässlichkeit: Die Maitage bleiben kühl, aber nicht extrem – eine Konstante, mit der man rechnen kann, auch wenn das Wetter drumherum verrückter spielt.

Was die Eisheiligen wirklich sind – und was nicht

Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, die Eisheiligen mit einer Phase von Nachtfrösten gleichzusetzen. Das ist so nicht richtig. Es handelt sich vielmehr um einen Kälterückfall – ein kurzfristiges Absinken der Temperaturen – der auffälligerweise immer wieder um die gleichen Kalendertage auftritt.

Mamertus, Pankratius, Servatius – der kirchliche Kalender

Der Name Eisheilige geht auf katholische Märtyrer [1] zurück, nach denen früher die Kalendertage benannt wurden. Statt „11. Mai“ sagte man schlicht „zu Sankt Mamertus“. Auch die folgenden Tage – Pankratius, Servatius, Bonifatius und die „kalte Sophie“ – tragen diese alten Heiligennamen. Das Wetterphänomen selbst ist also deutlich älter als jede moderne Wetterstatistik – aber von ebenjener über die Jahrzehnte durchaus bestätigt.


Die Kälte-Delle im Frühling

Meteorologisch betrachtet handelt es sich um eine typische, statistisch erfasste Rückkehr kühlerer Luftmassen – also eine kleine Delle innerhalb einer insgesamt ansteigenden Frühlingstemperaturkurve. Vergleichbare, wenn auch weniger ausgeprägte Rückfälle gibt es übrigens auch Ende April und um die Mitte des Juni.

Dabei geht es nicht um konkrete Temperaturen oder Frostnächte, sondern um die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Abkühlung zu einer bestimmten Zeit – ein erstaunlich stabiler Rhythmus in einer ansonsten als zunehmend unberechenbar beschriebenen Wetterwelt.

Kälterückfälle Grafik
Kälterückfälle (Berlin) Grafik 1884 [4] von Heinrich Wilhelm Dove

Kälterückfälle als verlässliche Größe – seit über einem Jahrhundert

Dass der Kälterückfall der Eisheiligen kein modernes Märchen ist, lässt sich historisch eindeutig belegen. Eine Berliner Temperaturkurve aus dem Jahr 1884 [1] zeigt das Phänomen ebenso deutlich wie aktuelle Messdaten aus dem Jahr 2025. Über einen Zeitraum von rund 150 Jahren hat sich in diesem Punkt – entgegen aller öffentlichen Klimaerwartungen – faktisch nichts verändert.

Anhand dieser Feststellung stellt sich nun die Frage: Wie lässt sich dieses meteorologische Wissen sinnvoll für den praktischen Gartenbau nutzen? Was kann der Landwirt, Gärtner oder Kleingärtner aus diesen periodisch wiederkehrenden Mustern ableiten?

Zwischen Medienhype und gärtnerischer Praxis

In den Medien steht rund um die Eisheiligen meist die Frage im Vordergrund, ob es zu Nachtfrösten kommt oder nicht – oft dramatisch aufbereitet. Für frostempfindliche Kulturen mag diese Frage auch relevant sein: Frühkartoffeln, die bereits ausgetrieben haben, schützt man am besten mit einem Gartenvlies. Auch blühende Erdbeeren sollte man abdecken, um Schäden zu vermeiden.

Doch das ist im Grunde bekannt – Standardwissen unter erfahrenen Gärtnern.

Die oft vergessene Größe: Wärmesumme

Was im Zusammenhang mit der Eisheiligen-Debatte meist übersehen wird, ist ein zentraler Aspekt pflanzenphysiologischen Wachstums: die Temperatursumme, auch Wärmesumme genannt. Sie beschreibt die aufsummierte Wärme über einem definierten Schwellenwert (Basistemperatur), die eine Pflanze für bestimmte Entwicklungsphasen benötigt.

Beispiel: Karotten benötigen etwa 1100 sogenannte GDD (Growing Degree Days) über 5 °C bis zur Ernte. Das mag trocken klingen – fast mathematisch – aber genau das macht viele Aspekte des Gärtnerns erstaunlich berechenbar.

Wärmesummen eröffnen neue Perspektiven im Gartenbau

Wer sich einmal mit den Wärmesummen beschäftigt hat, erschließt sich damit buchstäblich eine neue Welt des gärtnerischen Denkens. Ich selbst habe in diesem Jahr daraus eine konkrete Konsequenz gezogen: Meine Auberginen pflanze ich erst Ende Mai aus – dann prüfe ich zusätzlich die Wetterprognosen für Juni, denn dort lauert oft die sogenannte Schafskälte.

Warum? Weil Auberginen besonders hohe und konstante Temperatursummen benötigen. Ein Kälterückfall direkt nach der Pflanzung wäre schlicht kontraproduktiv. Erfolgt die Pflanzung jedoch am Ende in einer  abklingenden Kälteperiode, kann das Wachstum nahezu reibungslos beginnen.

Ein Spagat in der Praxis

Gestern (17.5.2025) – also zwei Tage nach der „kalten Sophie“ (!) haben wir Paprika und Tomaten ins Freiland sowie Salatgurken ins Gewächshaus gepflanzt – und prompt kündigte der Wetterbericht eine „zweite Eisheiligen-Welle“ an (22. bis 24.5.2025 [2]). Aus heutiger Sicht vielleicht kein optimaler Zeitpunkt. Andererseits: Hätten wir die Pflanzen länger in Töpfen gehalten, wäre das für deren Wurzelentwicklung ebenfalls ungünstig gewesen. Hier beginnt der alltägliche gärtnerische Spagat zwischen Theorie, Prognose und Realität.


Thermoperiodismus – der Rhythmus der Pflanzen

Ein weiterer, häufig unterschätzter Faktor ist der sogenannte Thermoperiodismus. Es ist der Einfluss des täglichen Temperaturverlaufs auf das Pflanzenwachstum. Aber, was nun die die gepflanzten Tomaten und Paprika betrifft, könnte dieser Thermoperiodismus meine Rettung sein 🤩.

Thermoperiodismus bedeutet: Nicht nur die Durchschnittstemperatur entscheidet über Gedeihen oder Stocken, sondern auch der Wechsel zwischen warmen Tagen und kühlen Nächten.

Gerade bei Kulturen wie Tomaten und Paprika kann ein ausgeprägter Tag-Nacht-Rhythmus das Wachstum, die Blütenbildung und sogar die Fruchtqualität positiv beeinflussen.

Fazit

Die alljährlichen Eisheiligen zeigen, dass bestimmte meteorologische Muster sich hartnäckig halten – ungeachtet großer Klimaerzählungen. Für den Gärtner zählt am Ende jedoch weniger die Theorie als die praxisnahe Interpretation der Wetterdaten. Wer sich mit Wärmesummen, Kälterückfällen und Tagesverläufen beschäftigt, rückt ein gutes Stück näher an das eigentliche Wesen des Pflanzenwachstums heran.

Quellen und Ergänzungen

[1] Traditionell nennt man fünf christliche Heilige aus dem 4. und 5. Jahrhundert, die im Mai ihren Gedenktag haben

  • Mamertus(11. Mai)
  • Pankratius (12. Mai)
  • Servatius (13. Mai)
  • Bonifatius (14. Mai)
  • Sophie – die „kalte Sophie“ (15. Mai)

Vor allem Pankratius, Servatius und Bonifatius gelten in der volkstümlichen Überlieferung als die eigentlichen Eisheiligen. Die kalte Sophie gilt als „Nachzüglerin“, bei der sich das Wetter endlich stabilisieren soll.

[2]🌡️Hier sind die prognostizierten Wetterdaten für Dohna in Sachsen (Wetter Online), wobei in der Nacht die Temperaturen über Boden gut drei Grad niedriger ausfallen können, womit in der Nacht vom 22.5.2025 zum 23.5.2025 die Gefahr von Bodenfrost bestehen könnte:

  • 14°C/6°C; Tagestemperatur Samstag/Nacht zum Sonntag
  • 12°C/9°C; regnerisch; 18. Mai, Sonntag
  • 15°C/7°C; regnerisch; 19. Mai, Montag
  • 20°C/7°C; sonnig, 20. Mai, Dienstag
  • 21°C/10°C; Sonne/Gewitter, 21. Mai, Mittwoch
  • 14°C/4°C (!); regnerisch; 22. Mai, Donnerstag
  • 14°C/6°C; regnerisch; 23. Mai, Freitag
  • 15°C/12°; trübes Wetter; 24. Mai, Samstag
  • 21°C/–; regnerisch; 25. Mai, Sonntag

Nachtrag (24.5.25): Kalte Tage vom 22. bis 25. Mai, nachts kälter als vorhergesagt, aber kein Bodenfrost. Kühen Nächte unter 10°C sind noch bis 1. Juni angesagt.

[3] RUHNAU, Fabian; wetterkanal.kachelmannwetter.com; Warum es keine Eisheiligen gibt – Rückblick seit 1950; 10. Mai 2021 (hier bin ich der Gegenmeinung)

[4] REIS, Paul; Die drei Eisheiligen; ein Beitrag in: „Deutsche Revue über das gesamte nationale Leben der Gegenwart, Herausgegeben von Richard Fleischer; Neunter Jahrgang. Zweiter Band. (April bis Juni 1884.); Breslau 1884; Seite 214 bis 221

[4a] Hier eine Arbeit des Meterologen DOVE, Heinrich Wilhelm; Darstellung der Wärme-Erscheinungen durch fünftägige Mittel von 1782 bis 1855: mit besonderer Berücksichtigung strenger Winter; Berlin (Königliche Akademie der Wissenschaften), 1856 (online einsehbar).

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