Bild: Allium sativum var. sativum – der echte Kulturknoblauch, der in Zentralasien schon vor Jahrtausenden angebaut wurde. Charakteristisch sind die biegsamen Stängel, aus denen sich traditionell Knoblauchzöpfe flechten lassen.
Was ist Softneck-Knoblauch?
🧄 Unter Softneck-Knoblauch versteht man eine Gruppe von Knoblauchsorten, deren Stängel im getrockneten Zustand weich und biegsam bleiben. Der Begriff „Softneck“ (Weichhals) bezieht sich dabei auf den Übergang von der Knolle zum Stängel, der sich besonders gut zum Flechten eignet.
In der Regel handelt es sich dabei um die botanische Varietät Allium sativum var. sativum. Diese Form des Kulturknoblauchs wird seit so langer Zeit von Menschen angebaut, dass sie kaum noch Blütenstängel ausbildet. Stattdessen erfolgt die Vermehrung vegetativ über die Zehen.
➡️ An dieser Stelle taucht übrigens auch oft die Frage auf: Wenn Softneck-Knoblauch keine Samen bildet – wie kommt es dann, dass es verschiedene Sorten gibt? (Darauf gehe ich später noch ausführlich ein.)
Der Gegenpart: Hardneck-Knoblauch
➡️ Im Gegensatz dazu steht der Hardneck-Knoblauch (Allium sativum var. ophioscorodon), auch Schlangenknoblauch genannt. Sein Stängel bleibt nach dem Trocknen hart und steif. Charakteristisch ist außerdem der geschwungene, oft spiralförmig eingerollte Blütenstängel. Echte Blüten entstehen nur selten; häufiger bilden sich sogenannte Bulbillen (Luftzwiebelchen), die ebenfalls der vegetativen Vermehrung dienen.
Manche Feinschmecker schwören auf den Hardneck, weil seine Zehen als besonders aromatisch gelten, was durchaus sein mag. Allerdings sind die Aromen auch sehr von der jeweiligen Sorte und ihrem Standorta abhängig – was wir duchaus mit den edlen Weinsorten (Vitis vinifera) vergleichen können.
Der „Scheinstängel“
➡️ Beim Softneck-Knoblauch heißt es oft, er bilde keinen „echten“ Blütenstängel, sondern einen Scheinstängel. Botanisch handelt es sich dabei um einen Pseudostem, der durch die überlappenden Blattbasen gebildet wird – ähnlich wie beim Lauch (Porree).
Die Laubblätter entspringen alle von der Basis und bilden zunächst eine Art Röhre, die wie ein Stängel wirkt. Erst aus dieser Hüllröhre wächst der eigentliche Blütenstängel hervor – sofern er sich überhaupt entwickelt.

➡️ Bei den wilderen Formen kann dieser Stängel bis zu zwei Meter hoch werden. Damit positionieren sie im Gegensatz zu Konkurrenten ihre Blüten- und Samenstände besser und erhöhen die Reichweite der Samenverbreitung.
👉 Meine persönliche These: Die Urformen des Knoblauchs könnten ursprünglich Pyrophyten gewesen sein – also Pflanzen, die sich an Feuerereignisse angepasst haben. In Steppenbränden hätten die hoch aufragenden Blütenstände ihre Samen besonders effektiv verbreiten können.
Im Laufe der Domestikation ist diese Fähigkeit bei Allium sativum var. sativum jedoch weitgehend verloren gegangen, weshalb der typische Kulturknoblauch heute keine Blütenstände mehr bildet.
👉 An dieser Stelle bleibe ich aber noch bei der Ausgangsfrage: Wie können trotzdem neue Knoblauchsorten entstehen, wenn keine Samen gebildet werden? Das klären wir im nächsten Schritt.
Doch nun stellte sich mir immer noch die Frage, warum der Softneck-Knoblauch keine echten Blütenstängel haben sollte. Zunächst:
Ich hab den Stängel einfach mal aufgeschnitten

Ein Blick ins Innere
➡️ In der Zeit, in der die Hardneck-Varianten bereits in die Blüte gehen (Mai), habe ich einfach einmal den Scheinstängel eines Softnecks mit einer scharfen Klinge längs aufgeschnitten. Das Ergebnis war überraschend: Im Inneren der Scheinstängel-Röhre befand sich tatsächlich ein emporwachsender Blütenstängel.
Damit liegt die Vermutung nahe, dass beim Softneck-Knoblauch die Scheinstängel-Röhre so lang und eng ist, dass es der Blütentrieb nicht schafft, hindurchzuwachsen. Er „bleibt stecken„, verödet und stirbt ab. Ob dies die Regel ist oder ob es unter bestimmten Bedingungen doch zu einer Durchbrechung kommt, muss ich in späteren Wachstumsstadien noch genauer beobachten.
Offene Fragen
Die Beobachtung wirft spannende Fragen auf:
- Wird der Softneck-Blütenstängel nach einem solchen Schnitt weiterwachsen?
- Wird er Blüten bilden?
- Oder statt Blüten nur Bulbillen?
- Oder gar eine Mischform aus Blüten und Bulbillen?
Ich werde diese Versuche weiterführen und darüber berichten. Was mich jedoch schon jetzt erstaunt, ist die Frage: Warum scheint niemand zuvor über diese Möglichkeit geschrieben zu haben?
Nachtrag:
Es hatten sich gerade beginnen Blüten auszubilden und Bulbillen. Kurz darnach wurden die Pflanzen vom Knobluchrost befallen, bzw. sie waren ausgereift und bgannen abzusterben [1b].

Ergänzende Beobachtungen
Die folgenden Beobachtungen werde ich weiter recherchieren:
1️⃣ Mehr Zehen: Softneck-Sorten neigen dazu, mehr Zehen pro Zwiebel auszubilden als Hardnecks. Sie sind oft kleiner und können in mehreren Schichten um den Stiel herum angeordnet sein.
2️⃣ Haltbarkeit: Softnecks weisen im Allgemeinen eine deutlich längere Lagerfähigkeit auf als Hardnecks.
3️⃣ Geschmack: Ihr Aroma gilt als milder.
4️⃣ Klimaanpassung: Softneck-Knoblauch wird vor allem in wärmeren, trockeneren Regionen mit milden Wintern bevorzugt.
Literatur
[1] „Entzug der sexuellen Fortpflanzung während der Domestizierung von Knoblauch und der Evolution von Nutzpflanzen“ von Einat Shemesh-Mayer, Adi Faigenboim, Amir Sherman, Song Gao, Zheng Zeng, Touming Liu und Rina Kamenetsky-Goldstein; 26.11.2023; die Studie in den Webarchiven
[1b] In der Studie findet sich folgende erhellende Bemerkung:
Durch die menschliche Selektion auf frühe Reifung und große Knoblauchknollen wurden die sich entwickelnden Fortpflanzungsorgane der Nährstoffversorgung beraubt. Daher ist die Domestizierung von Knoblauch mit einem vollständigen Verlust der Fruchtbarkeit und der Samenproduktion verbunden…“
🧅 [TJ.21.13] Thomas Jacob · Erstveröffentlichung: 9.5.2025 · Durchgesehen: 1.10.2025