◾ Im letzten Jahr bemerkte ich, entgegen meiner Vermutung, dass die Samen meiner unter Beobachtung stehenden Ackerlauchstauden (Allium ampeloprasum; es ist die Porree-Ur-Form) fest im abgetrockneten Samenstand verblieben und nicht ausgefallen sind (Bild unten). Andererseits ist das etwa bei der Winterheckenzwiebel (Allium fistulosum), über die ich gestern hier im Blog schrieb, ganz und gar nicht so. Hier fallen die kleinen schwarzen, kantigen Samen eher zu zeitig aus als zu spät. Wiederum beim Allium ampeloprasum hatte ich sogar Mühe, die ähnlich geformten schwarzen Samen für die spätere Aussaat überhaupt aus den trockenen Samenständen herauszubekommen.
Irgendwie kam mir dann die Idee, dass sich die Fortpflanzungsstrategie dieses Lauchs dahingehend entwickelt hat, dass die Samen erst in der neuen Vegetationsperiode ausfallen und keimen sollen. Da ich mich bis dato schon immer für Feuerereignisse in der menschlichen Kulturgeschichte interessiert habe** und mit diesem Themenbereich auch das Wesen der Steppenbrände, so kam mir die Idee:
- dass Allium ampeloprasum ein Pyrophyt sein könnte und
- dass diese Eigenschaft Teil der Kulturpflanzenentstehung des Lauchs sein könnte.
** Brenn-Kultur, Gereutbrennen, pyrogene Kultur, pyrogene Landnutzung; leider gibt es wenig Literatur zu dieser Thematik.
Meine These Nr. 1
Hier ist meine These zum Punkt Nr. 1 (oben): Für die angenommene Pyrophyten-Anpassung (Feuerresistenz) könnte der Ackerlauch auf Zwiebeln und Brutzwiebeln zurückgreifen, die geschützt vor Feuer, wie auch vor Frost und äsenden Tieren im Erdboden liegen. Zudem bildet der Ackerlauch die besagten Samenstände aus mit Samen, die nicht ausfallen. Die kugelförmigen Samenstände sind wiederum so positioniert, dass sie sich bei einem Steppenbrand durch Luftverwirbelungen, ausgelöst durch Feuer und Hitze, weit forttragen lassen könnten. Der Samen träfe dann auf frei-gebranntes Land, auf dem sich das Lauchgewächs wiederum durch rasche Keimung und rasches Wachstum einen Vorteil gegenüber seinen durch Feuer geschwächten Konkurrenten verschaffen mag.
Neben dem Akkumulationsprozess der Zwiebelbildung ist dies eine weitere Pyrophyten-Strategie, welche der Ackerlauch nutzt. Der Sämling kann sich für kurze Zeit, gefördert durch den Naturdung der Pflanzenasche und den freien Stand, also ohne Licht- und Nahrungskonkurrenten in der Nähe, nach solchen Brandereignissen rasch ausbreiten und bringt es zu einer temporären Starkwüchsigkeit (postfire seedling recruitment).
Die Pyrophyten-Strategie von Allium-Arten ist ziemlich gut erforscht, allerdings nicht bei den asiatischen Arten zu denen der Ackerlauch gehört, sondern mehr bei den nordamerikanischen Arten. Diese kommen vorzugsweise in den Prärie- und Steppengebieten vor. Anzunehmen ist natürlich, dass viele der asiatischen Arten und darunter auch Allium ampeloprasum die gleiche Pyrophyten-Strategie nutzen. Vergegenwärtigen wir uns nun noch, dass der Mensch in Asien spätestens seit der Mittelsteinzeit Steppengebiete bewusst mit Feuer nutzbar machte, können wir hier vielleicht auf eine der frühesten Kulturpflanzen-Domestikation stoßen. Die These zum Punkt Nr. 2 folgt in einem späteren Post. Quellen folgen gesondert.
Erster Versuch (mit Video-Notizen)
Bei meinem ersten Versuch (Bild oben), die Wirkung von Feuer auf einen vorjährigen Samenstand zu beobachten, konnte ich immerhin feststellen, dass die getrockneten Kapseln samt Samen (der immer noch nicht ausgefallen war) sofort abbrannten und zu Boden fielen. Der Kern der Samenstände hingegen, war gegen die kleine Flamme des Feuerzeugs relativ resistent. Der nächste Test an einem größeren Lagerfeuer wird folgen müssen, um zu schauen, ob die Luftverwirbelungen größerer Flammen die Samen forttragen können.
[TJ.19.16]