Bild: Steppengemüse, Ufergemüse und Tropengemüse. Schon mal drüber nachgedacht?
Wassersparender Gemüsebau (5). Die Natur einfach nur arbeiten lassen….
Ich weiß: Es ist höchst unüblich [1], Gemüse- und Kulturpflanzen derart kategorisch zu ordnen – in Steppen-, Ufer- oder Tropengewächse. Und doch: Wenn ich den Begriff Steppenpflanze verwende, ist das keineswegs befremdlich. Jeder halbwegs belesene Zeitgenosse ahnt sofort, mit welchem Vegetationstyp er es zu tun hat und welche ökologischen Ansprüche eine solche Pflanze stellen dürfte. Dasselbe gilt sinngemäß für eine Ufer- oder Tropenpflanze.
Beispiel
Nehmen wir als Beispiel eine klassische Vertreterin der Uferpflanzen – sie ist uns allen vertraut: der Kohl in seinen zahlreichen Kultursorten – ob als Kopfkohl, Blumenkohl, Kohlrabi oder Rosenkohl.
Die Wildform von Brassica oleracea stammt ursprünglich aus den küstennahen Regionen Europas, insbesondere aus den gemäßigten Zonen des Atlantikraums und des westlichen Mittelmeers. Dort wächst sie bevorzugt auf kalkhaltigen, felsigen Klippen – etwa in Südwesteuropa: Großbritannien, Nordspanien, Westfrankreich. Charakteristisch für diesen Naturstandort sind kühle Temperaturen, eine gleichmäßige Feuchteversorgung sowie ein freier, luftiger Stand mit viel Licht.
Du ahnst vermutlich schon, worauf ich hinauswill. Wenn wir heute Kohlrabi kultivieren möchten, dann sind seine bevorzugten Zeitfenster im Jahr jene Phasen, die kühl und eher feucht sind – also Frühling und Spätsommer. In diesen Zeiträumen gedeiht er in der Regel problemlos.
Wer hingegen darauf besteht, Kohlrabi mitten im Hochsommer anzubauen – der kann das selbstverständlich tun [2]. Doch dann arbeitet er gegen die Natur. Man müsste sehr viel wässern, gegebenenfalls sogar schattieren – und wenn die Ernte dennoch misslingt, weil die Knollen platzen oder holzig werden, so wird rasch das „Klima“ oder unliebsame Politiker dafür verantwortlich gemacht…
Pflanzen nutzen Ressourcen optimal
Wie in diesem Beispiel angedeutet, hat jede dieser Pflanzengruppen – ob Steppen-, Ufer-, Subtropen- oder Tropengemüse – ihre angestammte Zeit im Jahr, in der sie mit den jeweils verfügbaren Ressourcen an Wärme, Wasser und Licht optimal haushalten kann. Ich denke, dieses Prinzip bedarf keiner weiteren Erläuterung – es leuchtet unmittelbar ein.
Das Problem liegt vielmehr darin, dass viele unserer heutigen Kulturpflanzen im Lauf der Zeit sowohl durch Züchtung als auch durch Standortverlagerung stark verändert wurden. Oft wissen wir gar nicht mehr, welchem ursprünglichen Lebensraum sie entstammen. Ein extremes Beispiel ist die Lauchzwiebel, die ursprünglich in den Steppen Sibiriens beheimatet war, heute jedoch als eine der meistangebauten Gemüsearten in tropischen Klimazonen gilt. Oder weiß jemand aus dem Stegreif, was das natürliche Habitat der Puffbohne ist?
Was tun?
Was wir also tun müssen, ist Folgendes: Wir sollten versuchen zu erkennen, welcher ökologischen Kategorie unsere Gartenpflanzen ursprünglich zuzurechnen sind. Diese Erkenntnis kann uns enorm bei der sinnvollen Planung des Anbaus helfen – insbesondere im Hinblick auf die Wasserversorgung.
In diesem Beitrag möchte ich bewusst noch keine detaillierte Liste der Zuordnungen präsentieren. Vielmehr geht es mir zunächst darum, zum Nachdenken anzuregen – darüber, welche weitreichenden Schlussfolgerungen sich aus einer solchen Klassifizierung von Kulturpflanzen ergeben könnten.
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[1] Traditionelle Klassifizierungen von Gemüse basieren meist auf botanischen, kulinarischen oder agrarischen Kriterien, wie Pflanzenfamilien (z. B. Korbblütler, Kreuzblütler), genutzten Pflanzenteilen (Wurzel-, Blatt-, Fruchtgemüse) oder Saisonzeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Winter). Eine Einteilung nach ökologischen oder geografischen Herkunftszonen wie Tropen, Steppe oder Ufer ist bisher nicht geläufig.
[2] Und die Marktgärtner machen das auch, weil sie glauben den Markt zu jeder Zeit mit jedem Gemüse anbauen zu müssen. Im Selbstversorger-Anbau gelten andere Regeln.