Altweibersommer, Landschaft und wärmende Sonnenstrahlen

Die Schwelle des Herbstes

🌞 Um die Tag-und-Nacht-Gleiche in der zweiten Jahreshälfte – gewöhnlich am 21. oder 22. September – beginnt eine besondere Zeit, die in unserer deutschen Tradition „Altweibersommer“ genannt wird. Sie fällt oft in eine Periode stabiler Hochdrucklagen, die Ende September einen milden, fast festlich anmutenden Nachsommer bescheren.

Doch, und das sei betont, es ist nicht der einzige Nachsommer. Von der Tag-und-Nacht-Gleiche bis hinein in den November flammt dieses Phänomen wiederholt auf – kleine Rückkehrwellen des Sommers, die in früheren Zeiten mit den Festtagen um Martini ihren Abschluss fanden. Auf inhortas.de habe ich bereits mehrfach darüber geschrieben, ebenso im „Immerwährenden Gartenkalender Nr. 3“, der den späten Gemüseanbau behandelt.

Vom Namen und seinen Bildern

Der Ursprung der Bezeichnung ist vielen vertraut: In dieser Zeit treiben feine Spinnenfäden durch die Lüfte, von der Sonne vergoldet und vom Wind getragen. Diese zarten Fäden, Sinnbilder von Vergänglichkeit und Beharrlichkeit zugleich, haben dem Altweibersommer seinen poetischen Namen gegeben.

 


Zwischenzeit und Schwingung

Der Altweibersommer ist kein zweiter Sommer, geschweige denn ein Frühling, sondern ein Zwischenraum – ein erster Immer-noch-Sommer im Herbst. Den Herbst als eigene Jahreszeit kannten die Alten gar nicht; sie unterschieden lediglich Frühling, Sommer und Winter.

Und doch: Dieser Sommer im Herbst trägt die Empfindung in sich, dass das Jahr nicht bloß linear verläuft – von Blüte zu Frucht, von Anfang zu Ende – sondern dass sich Zeitkreise überlagern, Spiralen auftun.

Das warme Goldlicht, die milden Tage, die Spinnenfäden im Himmel – all das ist wie ein Nachhall des Hochsommers. Es wirkt nicht als bloße Wiederholung, sondern schenkt eine weichere, tiefere Erfahrung derselben Jahresqualität.

Der Garten als Zeuge

Auch im Garten lässt sich dieser Schwebezustand beobachten. Wachstum schreitet nicht streng voran, sondern kann überraschend zurückkehren. Manche Pflanzen – Gurken, Auberginen, Kürbisse, allesamt ursprünglich Gewächse aus wärmeren Klimazonen (!?) – zeigen in dieser Phase eine späte Vitalität, fast so, als hielte das Rad der Jahreszeiten kurz inne, um einen Seitenbogen auszuschwingen.

Der Altweibersommer-Tag Landschaft mit ruhigem Flusslauf

Zeit in Kreisen und Spiralen

Der Altweibersommer öffnet einen Raum, in dem Vergangenheit und Zukunft zugleich gegenwärtig sind. Sommer im Herbst – ein paradoxes Gleichnis, das uns auch auf uns Menschen verweist: auf die „alten Weiber“ wie auf die „ergrauten Männer“, die in ihrer späten Lebenszeit noch einmal eine eigene Fülle erfahren.

Wer die lineare Vorstellung von Zeit verlässt, findet hier Zugang zu den zentrifugalen Kräften von Kreisen und Spiralen. Man nutze sie jedoch im rechten Maß! 😲

Der Altweibersommer lädt uns ein, Zeit nicht nur als Verlauf, sondern als Resonanzraum zu begreifen … wenn auch in einem Ansatz von Melancholie…

▶️ Erstveröffentlichung am 20.9.2025, Thomas Jacob

 

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