Entdecke das Geheimnisvolle deines Gartens und verzaubere ihn …
Ein guter Gedanke ist, sich vorzustellen, dass man eher einen Garten mit Haus bewohnt als ein Haus mit Garten – das ist ein zentrales Element der „inhortas-Idee„. Zugegeben, das klingt vielleicht rhetorisch, ist jedoch keineswegs so gemeint. Wohnen bedeutet doch vor allem, einen ruhigen Ort als Lebensmittelpunkt zu besitzen, an dem man sich zurückziehen kann, um ein Buch zu lesen, einem Hobby nachzugehen oder einfach nur dazusitzen und nichts zu tun.
Jeder Mensch braucht einen kleinen Fleck, wo er unerreichbar ist, wo keine Haustür klingelt und niemand stört. Der Garten bietet dafür hervorragende Möglichkeiten. Gleiche Prinzipien gelten für den Balkon (Beispiel). Und diese Idee ist nicht neu.
Ideen aus Japan holen … und ins romantische Europa schauen
Als erstes denke ich an den japanischen Teehaus-Garten, in dessen Mitte oft eine schlichte Hütte steht, die der traditionellen Teezeremonie dient.
Doch auch in unserer europäischen Kultur gibt es Beispiele dafür, dass das Gartenhaus der mentale Mittelpunkt der Wohnkultur ist. Ein guter Freund von mir hat in seinem Hausgarten in Dresden eine kleine, unauffällige Privatkapelle. Viele kennen auch die Leselaube aus der romantischen Biedermeierzeit. Solch ein privates Refugium kann ein Bienenhaus, eine Gartensauna, eine Grillhütte, ein Gartenstudio oder eine Bastellaube sein.
Auch Hobbygewächshäuser, wie ich an anderer Stelle erwähnt habe, sind kleine geheime Gärten für sich. Selbst im engsten Reihenhausgarten bieten sie einen Rückzugsort vor neugierigen Blicken und zumindest ein wenig Ruhe vor der Außenwelt.
Eine Leselaube einrichten
Ich selbst habe tatsächlich eine kleine, recht romantische Gartenbibliothek und empfehle einen solchen Platz im Garten gerne weiter. Neben meiner Gartenleselaube steht eine einladende, schattige Bank, von der aus man nicht gesehen werden kann. Im Gartenhaus selbst befindet sich eine bequeme Couch für ein kleines Nachmittagsnickerchen. Das ist etwas ganz Besonderes! Übrigens ist eine Couch oder wenigstens ein Sessel in der Leselaube ein Muss – niemand setzt sich mit einem Buch auf einen Stuhl, wenn er sich zum Lesen auf ein Sofa legen kann. Und im Garten tut es natürlich auch eine bequeme Gartenliege, die aber stets griffbereit sein sollte; wenn sie erst aus der hintersten Ecke geholt werden muss, bleibt sie ungenutzt, und man verzichtet auf diesen Luxus.
Hast du auf deinem Grundstück einen Lieblingsort, dann könnte es spannend sein, von diesem Punkt aus das Wohnen und Gestalten zu überdenken. Der Garten wäre dann nicht nur die Dekoration des Hauses, sondern durch seine Raumwirkung selbst ein Wohnraum mit dekorativen Elementen.
Noch mal ein Blick nach Fernost
Ein kurzer Blick zur japanischen Wohnkultur – insbesondere zum japanischen Wohnhaus mit Garten – zeigt: Das traditionelle japanische Haus steht in der Regel nicht direkt an der Straße, sondern eingebettet im Garten, umgeben von hohen Bretter- oder Bambuszäunen, immergrünen Hecken oder Steinmauern. Diese Sichtschutzwände dienen als eigentliche Außenwände des offenen Hauses.* Ein bemerkenswerter Gedanke, oder?
Wir Europäer geraten oft ins Schwärmen, wenn wir in Filmen traditionelle japanische Häuser und Gärten sehen, in denen Haus und Garten auf eine besondere Weise zu einer Einheit verschmelzen.
In unserem Kulturkreis realisieren wir solche romantischen Vorstellungen meist durch Wintergärten, die ans Haus gebaut werden. Doch der Garten bleibt dabei oft nur Silhouette einer künstlichen Landschaft. Ein Garten sollte jedoch besser eine begehbare und bewohnbare Landschaft sein – und die inhortas-Idee gibt Anregungen dafür. Sie inspiriert uns, hinaus in den Garten zu gehen und von dort aus Haus und Garten neu zu entdecken. Für jeden Zweck lässt sich ein spezieller Wohnplatz schaffen, und durch dezenten Sichtschutz entstehen interessante Gartenräume.
Für den Alltag sind Haus und Wohnung als Lebensmittelpunkte bequem und praktisch. Doch für wirklich ruhige Minuten in einer Welt ohne Computer, Telefon und andere Störungen bietet der Garten viele geheimnisvolle Plätze – man muss sie nur finden. (Beispiel: Einen geheimen Garten gestalten)
Also: Geh hinaus und entdecke dein Haus aus einer neuen Perspektive – und deinen Garten neu!
Oder etwas romantischer formuliert: Entdecke das Geheimnisvolle deines Gartens und verzaubere ihn …
Selbst in der Stadt kann man sich als Mieter auf dem Balkon oder in einer Gartenparzelle ein solches Refugium schaffen.
* nach Tetsuro Yoshida, Das japanische Wohnhaus, Tübingen 1954
Bildquelle, Japanisches Dorf: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hisakajima_Village_03.jpg
Thomas Jacob ©1/2012