Arbeitstitel: Auf der Suche nach einer antiken Delikatesse
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Heute möchte ich erneut auf die Pastinake (Pastinaca sativa) eingehen. Dank ihrer Robustheit und hohen Erträge hat sich dieses Gemüse in meinem Selbstversorger-Garten über viele Jahre als wertvoll erwiesen. Ich habe bereits in früheren Artikeln über den Anbau und die Zubereitung geschrieben [1], doch gibt es hier noch viel zu ergänzen. Vor allem, was die kulinarische Verwendung betrifft, habe ich das volle Potenzial der Pastinake noch lange nicht ausgeschöpft. Obwohl oft von Begeisterung für Pastinaken-Gerichte die Rede ist [2], habe ich persönlich diese Begeisterung noch nicht ganz nachvollziehen können…
Erste Beobachtungen und Experimente
In diesem Beitrag möchte ich kurz über meine aktuellen Arbeiten diesbezüglich berichten, in der Hoffnung, dass auch Leser Lust bekommen, in der Küche zu experimentieren. Damit aber auch nicht wieder nicht zu viel herumprobiert werden muss, möchte ich einige grundsätzliche Beobachtungen zur Pastinake teilen:
- Das Aroma der Pastinaken ist stark sortenabhängig und wird maßgeblich durch den Zuckergehalt der jeweiligen Sorte beeinflusst.*
- Das Wachstums-Stadium spielt ebenfalls eine große Rolle – junge Wurzeln im Sommer nach der Aussaat schmecken anders als die kräftigeren, (manchmal) süßeren Winterwurzeln.
- Der wahre Wert der Pastinake zeigt sich erst durch Kochkunst!
*Leider ist es im Kleingarten schwierig, stets keimfähiges Saatgut einer bestimmten Sorte zu bekommen. Hat man jedoch die passende Sorte gefunden, kann es herausfordernd sein, Jahr für Jahr die gleichen Erträge zu erzielen.
Eine erste Pastinaken-Ernte heute Morgen. Links davon stehen Schwarzwurzeln, die ein echtes Edelgemüse sind. Beide Wurzelgemüse werden im Winter direkt vom Beet geerntet. |
Ein Blick in die Geschichte: Die Pastinake im alten Rom
Interessant wurde für mich die Geschichte der Pastinake im antiken Rom, auf die man hin und wieder stößt:
Kaiser Tiberius, bekannt für seine militärischen Kampagnen, entdeckte die Pastinake während seiner Feldzüge im damaligen Germanien. Nach der verlorenen Varusschlacht 9 n. Chr. war der römische Einfluss in Germanien zwar geschwächt, doch brachte Tiberius zumindest ein kulinarisches Juwel mit nach Rom: die Pastinake.
Die Germanen bauten das Wurzelgemüse wegen seiner großen, süßen Wurzeln an, die im kühleren Klima besonders gut gediehen. Tiberius, stets ein Feinschmecker, soll so begeistert von der Pastinake gewesen sein, dass er sie sogar als Tribut von den germanischen Stämmen akzeptierte. So wurde dieses Wurzelgemüse, serviert mit Honig, bald zum Luxusgemüse auf die römischen Tafeln. siehe auch [3]
Kulturelle Parallelen: Von der Pastinake zur Klettenwurzel
Diese Anekdote brachte mich auf die Idee, die Pastinake mit anderen Wurzelgemüsen zu vergleichen. Besonders in den Sinn kam mir die Klettenwurzel (Arctium lappa) [4], die in Japan und Südostasien traditionell zubereitet wird. Dort wird sie ähnlich wie die Pastinake in der römischen Küche, häufig mit Zucker verfeinert. Ein bekanntes Gericht in Japan ist das Kinpira Gobo, bei dem die Klettenwurzel in dünne Streifen geschnitten und in einer Mischung aus Sojasauce, Zucker und Mirin (süßer Reiswein) sautiert wird.
Diese süß-salzige Kombination erinnerte mich daran, dass man auch in Südostasien die Klettenwurzel mit Nam Pla (thailändische Fischsauce) oder Nuoc Mam (vietnamesische Fischsauce) geschmacklich verfeinert. Diese Saucen verleihen der erdigen Klettenwurzel eine tiefe Umami-Note, ähnlich wie das Garum, die berühmte römisch-antike Fischsauce, die damals als Hauptwürzmittel galt. In der moderen italienischen Küche ist das antike wohl durch Pasta d’Acciughe (Sardellenpaste) oder vergleichbare Produkte ersetzt?
Ein Brückenschlag zwischen Ost und West
Interessant ist, dass Honig und Zucker und vielleicht auch die Fischsauce damals wie heute eine zentrale Rolle bei der geschmacklichen Verbesserung derber Wurzelgemüse spielt. Während die Römer Garum nutzten, findet man in der modernen asiatischen Küche Nam Pla oder Nuoc Mam oder auch Tamari. Wir müssen nur die Klettenwurzel durch die Pastinake zu ersetzen und mit den gleichen Methoden zu experimentieren – angeleitet von der römischen und fernöstlichen Küche.
In den kommenden Wochen werde ich weiter an diesen Ideen arbeiten und freue mich, meine Erfahrungen bald zu teilen.
Quellen und Ergänzungen
[1] „Pastinaken anbauen – worauf es beim Säen ankommt“
https://www.derkleinegarten.de/nutzgarten-kleingarten/gemuesegarten-anlegen/wurzelgemuese-und-zwiebelgemuese/pastinaken-anbauen.html
und
„Pastinaken zubereiten“
https://derkleinegarten.de/mehr-infos-bilder/lifestyle-und-familie/kochen-und-rezepte/selbstversorger-rezepturen/pastinaken-zubereiten.html
[2] Es sind vor allem die Engländer, die für Pastinaken schwärme, (Seite mit Rezepten)
https://www.countrylife.co.uk/food-drink/recipes/how-to-cook-perfect-parsnips-2467
[3] Hier schon etwas realistischer eingeschätzt und ein Rezept:
https://www.greatbritishchefs.com/how-to-cook/how-to-cook-parsnips?ref=refind
Auf der englischsprachigen Seite ist eine Zubereitung mit Honig beschrieben, die sehr an die römische Küche erinnert. Kurz zusammengefasst lesen wir dort, dass das Rösten (Karamellisieren) von Pastinaken eine hervorragende Methode ist, um ihre natürliche Süße hervorzuheben und sie knusprig und aromatisch zuzubereiten. Die Pastinaken werden geschält und in gleichmäßige Stücke geschnitten, damit sie gleichmäßig garen. Zunächst werden sie mit Olivenöl, Salz und Pfeffer vermischt, oft auch mit aromatischen Zutaten wie Honig oder Rosmarin. Bei etwa 200 °C im Ofen geröstet, karamellisiert der Zucker in der Pastinake, was zu einem goldbraunen, knusprigen Äußeren und einem weichen Inneren führt.
[4] Die Klettenwurzel, die ich gleichfalls im Eigenanbau habe, ist ebenfalls ein „derbes“ Gemüse, so wie Italienischer Brokkoli (Bild) oder Topinambur…
Italienischer Brokkoli (Stängelkohl) ein Oktobergemüse. Heute geerntet. |