Notizen zur Publikation und eine Gedankenkette über Pflügen und Nicht-Pflügen
◾ Neu in meiner kleinen Gartenlauben-Bibliothek ist der Titel: Grabstock, Hacke und Pflug von Prof. Dr. Emil Werth. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich feststellen konnte, dass dieser Titel ein bedeutendes Werk eines bedeutenden Agrarwissenschaftlers ist. Der Apotheker Emil Werth – in Münster geboren und gestorben (1869–1958) – wirkte quasi seit seinem Studium der Pharmazie [1] in Münster (1893–1895) und seinen späteren Weltreisen als Botaniker, Phänologe [2], Ethnologe, Geograph und Agrarwissenschaftler, bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1934 und darüber hinaus. [alle Beiträge zum Thema]
Der tropische Hackbau
In der Publikation “Grabstock, Hacke und Pflug” fasste Prof. Dr. Werth im Jahre 1954 nochmals [3] sein ganzes interdisziplinäres Wissen über die Entstehungsgeschichte des Landbaus auf der ganzen Welt zusammen. Da er zunächst in Sansibar als Apotheker tätig war und (1897/98) auch die Möglichkeit nutzte, Ostafrika zu bereisen, besaß der Professor für seine späteren wissenschaftlichen Arbeiten einen ganz besonderen Blick auf den damals noch authentischen tropischen Landbau, wie er von den verschiedensten Völkern dieser Klimazone seit alters her praktiziert wurde. Dieser Landbau, den Werth in einem tropischen Hackbau-Gürtel verortete (so im Buch beschrieben) grenzt er klar vom Pflugbau des Nordens ab. Weiter möchte ich hier an dieser Stelle (aus Zeitgründen) auf den Inhalt dieser Publikation nicht eingehen.
Allerdings ist mir bereits nach dem ersten Hineinlesen – allein in das Thema des “Nicht-Pflügens” in diesem besagten tropischen Hackbau-Gürtel – sofort die heutige Mode des pfluglosen, “bodenschonenden und konservierenden” Ackerbaus (no-till farming) in den Sinn gekommen.
No-till-farming und Terra Preta
Tatsächlich scheint es so zu sein, dass die Völker in den Äquatorialregionen nicht aus Unkenntnis des Pflügens heraus den Ackerbau mit Hacke und Grabstock [4] bevorzugten, sondern aus dem Grund der nötigen Schonung des Bodens. Dieses No-till farming mag nützlich sein, wo Tropenklima und Bodenorganismen im lockeren Erdreich den Humus zu schnell abbauen. Auch der ganze Themenbereich um Terra-Preta (hängt mit dem Feuer-Landbau zusammen) ist in den Tropen (Regenfeldbau) wichtiger Bestandteil der Bodenbewirtschaftung. Der tropische Feuer-Landbau ist bei uns bis dato völlig miss- und unverstanden.
Beides ist Forschungsgegenstand des tropischen Ackerbaus (oder landwirtschaflichen Sondersituationen), aber nicht das Hauptthema der gemäßigten Klimazone! Der tropische Hackbau, wie er von WERTH genannt wird, stellt eine Art Zwischenform von Ackerbau und Gartenbau dar und ist im Wesen ein Intensivanbau von Kulturpflanzen. Durchaus konnte der Pflanzenbau mit Hacke und Grabstock menschliche Zivilisationen mit riesigen städtischen Siedlungen versorgen, wenn wir etwa an die Azteken denken.
Nördlich des Tropengürtels: Die neolithische Revolution
Eine andere Entwicklung finden wir nördlich dieses Tropengürtels, wo im Großraum von Anatolien bis nach Zentralasien hinein (südlich des Kaspischen Meeres) während der Jungsteinzeit der pflügende Ackerbau erfunden wurde. Mit dieser technischen Neuerung (Pflug und Zugtier) konnte man vor allem in extensiv Form Pflanzenbau betreiben.
Anfangs ritzte man zwar mit einfachen Holzpflügen den Boden nur auf, doch durch ein Pflügen in überkreuzenden Rillen, wurde der Acker mehr, als nur gelockert – also auch teilweise gewendet. Das wiederum setzte die sogenannte neolithische Revolution in Gang [5].
Das Pflügen im nordalpinen Raum
Die Entwicklung in der Landbautechnik machte weitere Fortschritte, besonders im frühen Mittelalter, im sogenannten mittelalterlichen Wärmeoptimum. Hier hatte die Erfindung des Wendepflugs eine weitere Revolution angestoßen und zwar die sogenannte mittelalterliche Agrarrevolution. Der Wendepflug vermochte nicht nur den Acker zu lockern und zu wenden, sondern im rechten Zusammenspiel mit den Jahreszeiten zusätzlich auch den Wasserhaushalt im Boden zu regulieren. Nasse Böden wurden trockener und fruchtbarer und trockene Felder im Herbst gepflügt, deponierten über die Winterzeit Feuchtigkeit in den tieferen Bodenschichten. Das ist heute natürlich ebenso möglich, doch sieht man es neuerdings oft auch für überholt an.
Und heute?
Die heutige, durchaus angestrebte, erneute „Agrarrevolution“ lehnt hingegen das Pflügen ab (um mehr CO2 im Boden zu speichern und das Klima zu schützen) [6].
Die Idee, landwirtschaftlich Flächen möglichst nicht mehr zu pflügen resultiert wohl aus den Beobachtungen der Bodenfruchtbarkeit in den Tropen und der Übertragung dieser Prinzipien auf gemäßigte Klimazonen. Zumindest ist das meine derzeitige Arbeitshypothese.
Zu dem kommt natürlich noch der unbändige Drang in unserer Gesellschaft, Kohlendioxid vernichten zu müssen und diesen beispielsweise im Boden zu binden. Dafür wäre das Pflügen jedoch kontraproduktiv.
Was diese Sache mit dem CO2 und dem vermeintlich vom Menschen verursachten Klimawandel betrifft, so habe ich dazu ebenfalls eine wissenschaftliche Arbeitshypothese. Ich hoffe mit ihr niemanden zu beleidigen. Ich meine, dass die heutige Fixierung auf das CO2 ein Abdriften in vormittelalterliche Zustände magischen Denkens ist – wo die Menschen meinten, mittels Opfergaben, Regentanz und Regenzauber Wetter und Klima beeinflussen zu können. Die Möglichkeit, dass wir heute wieder in diese Art magischen Denkens und Handelns verfallen, meine ich nicht als Scherz – ich halte es für eine gut begründete These.
Nach meinen Informationen ist der Stand der Wissenschaft, was CO2 und Klima betrifft, dem heutigen Denken der breiten Masse weit voraus. Der Gedanke, dass der Mensch das Klima beeinflussen könne, ist in weiten Teilen der entsprechenden Forschung in den Hintergrund getreten, doch vielen Zeitgenossen lieb geblieben. Später komme ich darauf zurück.
Und was hat das alles mit „Grabstock Hacke und Pflug“ zu tun? …
… Nun ja … es war lediglich der Auslöser dieser Gedankenkette, also dieses freien und unbefangenen assoziativen Spekulierens. Doch bin ich damit noch nicht am Ende angekommen. Angeregt durch WERTH finden wir seit Alters her diesen unterschiedlichen Landbau, der sich hier und dort über tausende Jahren hinweg bewährt hat. Entgegen diesem Konzept will man uns in Europa einen Landbau schönreden, der in den Tropen Sinn hat, doch nicht bei uns.
Interessant wäre nun die Betrachtung, was denn heute in den Tropen favorisiert und überwiegend umgesetzt wird. In diese Richtung habe ich bisher noch gar keine Recherchen angestellt, doch auch selten davon gehört oder gelesen. Warum ist das so?
Weiter lesen im Beitrag >> Grabstock, Hacke und Pflug (Teil 2). Entstehung unserer Landwirtschaft in den Tropen und drei nützliche Erkenntnisse.
Quellen und Bemerkungen
[1] Ein pharmazeutisches Studium in Deutschland war damals noch sehr botanisch geprägt.
[2] Phänologie bezieht sich auf die Studie von periodischen Naturereignissen
und den damit verbundenen Phasen im Lebenszyklus von Pflanzen, Tieren
und anderen Organismen. Dies umfasst Aspekte wie das Timing des Blühens
von Pflanzen, das Ausbrüten von Vögeln, die Migration von Tieren und
andere jahreszeitlich bedingte Ereignisse.
[3] WERTH verfasste circa 500 wissenschaftliche Publikationen.
[4] Übrigens: Der heutige, „moderne Grabstock“ zur Bodenlockerung ist die sogenannte Doppelgrabegabel Forke (Breitgabel, Broadfork, Grelinette); beliebt im modernen No-dig-gardening unterscheidet sie sich im Gebrauch zur herkömmlichen Grabegabel der Gärtner. Das Gerät ist durchaus effektiv und zeigt, dass der hochentwickelte Grabstock-Ackerbau z.B. im Hochland von Neuguinea (erst kurz vor vor 1920 entdeckt!) hocheffizient war und auf hoher gartenbaulicher Kulturstufe stand. Dieses spezielle Thema führe ich noch weiter aus. Die Literatur dazu:
DIAMOND, Jared; Kollaps – Warum Gesellschaften überleben oder untergehen; Frankfurt am Main 2009; im Kapitel 9 ab Seite 349ff
[5] Die neolithische Revolution nahm vor etwa 12.000 Jahren ihren Anfang.
Bewirkt wurde sie aber nicht allein nur durch die Erfindung es
Pfluges, sondern auch durch die Züchtung der dazugehörigen
Kulturpflanzen sowie einer geeigneten Nutztierhaltung.
[6] „Im Bereich des Ackerbaus empfehlen die internationale Organisationen wie die Weltbank oder die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) seit längerem drei Prinzipien: pflugloser Ackerbau, das Zurücklassen von Stroh auf dem Feld und Wechselwirtschaft,… “ Quelle und weitere Ausführungen:
https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/pfluglos-ackern-bringt-nichts-neue-fakten-587321
[7] Hier noch mal der Buchtitel: WERTH, Prof. Dr. Emil; Grabstock Hacke und Pflug; Ludwigsburg 1954