Wieviel Haus braucht ein Mensch? Über den Dokumentarfilmer Dieter Wieland.

Forsthaus

Oben: Das generierte Symbolbild steht hier für die einführenden Bemerkungen des Filmkünstlers Dieter Wieland: „Es lohnt so sehr, gute alte Häuser zu studieren, denn sie stecken voller Weisheit und Lebenserfahrung und sie sind von Generationen erprobt und getestet […] Wieviel Haus braucht der Mensch …? [1]

Der Häusler (4)

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Vorbemerkung

🏡 Letzte Woche stieß ich bei meinen Recherchen zum Thema Der Häusler auf eine bemerkenswerte Dokumentation mit dem Titel „Die große Kunst, ein kleines Haus zu bauen“. Dieser Film, der im Jahr 2003 veröffentlicht wurde, stammt von dem Dokumentarfilmer Dieter Wieland (geb. 1937), dessen außergewöhnliches Lebenswerk ich weiter unten kurz zusammenfasse.

Im heutigen Blog-Artikel möchte ich aber weniger auf den Inhalt der Dokumentation eingehen, sondern die Aufmerksamkeit auf den Stil der Dokumentation lenken. Für den Einstieg genügt es vollkommen, einige wenige Minuten des hier eingebundenen YouTube-Videos anzuschauen, um einen Eindruck von der meisterhaften Umsetzung zu gewinnen.

[2] Die große Kunst, ein kleines Haus zu bauen (Dieter Wieland, 2003)

Eine filmische Kunstrichtung: Ästhetik und Botschaft vereint

Zwar bin ich sicher kein Experte in Sachen Filmkunst, doch ich halte die Machart der Filme von Dieter Wieland – und er hat wohl im Laufe seiner Karriere über 250 Dokumentarfilme produziert – für eine eigene Kunstrichtung, die nach ihm auch vielfach kopiert wurde [3].
Und: Noch vor 30 oder 40 Jahren war das öffentlich-rechtliche Fernsehen von diesen positivistischen Filmtyp durchzogen, der mit ruhiger Nachdenklichkeit und tiefem Respekt für die aufgezeigten Themen die Zuschauer ansprach.
Eine weitere Besonderheit: Diese Werke entstanden in einer Ära, die dem heute allgegenwärtigen Alarmismus und der oft einseitigen Klimapropaganda noch nicht verhaftet war [4]. Gerade deshalb verdienen sie es, rückblickend als wertvolles kulturelles Erbe gewürdigt zu werden. Sie lassen uns vielleicht erkennen, wie viel von der intellektuellen Substanz unserer Nation bereits verloren gegangen ist.

Mit seinen Filmwerken hat Dieter Wieland eine dokumentarische Kunstrichtung geprägt, die man mit Recht als intellektuell-ästhetische Lehrkunst bezeichnen könnte. Sein Ansatz vereint die Klarheit wissenschaftlicher Darstellung mit der Sensibilität für Schönheit und den Anspruch, zum eigenständigen Denken anzuregen.

Vielleicht könnte man Wielands Stil auch als „poetischen Rationalismus“ bezeichnen, da er die Schönheit der Welt mit der Klarheit des Verstandes verbindet. In seinen Werken manifestiert sich eine Alternative zu dem, was viele moderne Dokumentationen prägt: statt Alarmismus und Meinungsvorgabe betont er das stille Staunen und das eigenständige Verstehen. Seine Filme sind keine reinen Informationsmedien, sondern kulturkritische Reflexionen, die die Zuschauer mit auf eine Reise nehmen – nicht nur durch Landschaften oder historische Bauwerke, sondern auch durch die Tiefen der eigenen Gedankenwelt.

Dieser Ansatz steht für eine Kunstrichtung, die nicht belehrt, sondern inspiriert, nicht schockiert, sondern bewegt – eine dokumentarische Ästhetik, die zum Nachdenken einlädt und damit eine Qualität besitzt, die heute nur noch selten zu finden ist.
Damit ist schon alles gesagt und ich lade den Leser hier und heute dazu ein, diese wunderschönen Filmdokumentationen ein wenig staunend zu verfolgen und über das Gezeigte hinaus, eigene Schlüsse zu ziehen….

Dieter Wielands Lebenswerk

Dieter Wieland (*1937) ist ein deutscher Autor, Regisseur und Fernsehproduzent, der vor allem durch seine Dokumentarfilme und Beiträge für den Bayerischen Rundfunk bekannt wurde. Sein Werk zeichnet sich durch eine starke Naturverbundenheit und ein ausgeprägtes Engagement für den Umweltschutz, die Denkmalpflege sowie die Bewahrung traditioneller Bau- und Lebensweisen aus. Mit seiner Reihe Topographie und weiteren Filmen (gut 250 Produktionen) hat Wieland maßgeblich dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Zerstörung der Landschaft und die Problematik moderner Bauweisen zu schärfen. Dabei vertrat er stets die Ansicht, dass ein respektvoller Umgang mit der Umwelt und der kulturellen Identität essenziell für ein nachhaltiges und lebenswertes Leben sei.

Seine Filme, oft geprägt von einem kritischen, aber poetischen Ton, thematisieren den Verlust regionaler Architektur, die Folgen von Flächenversiegelung und die Bedeutung eines harmonischen Zusammenspiels von Mensch und Natur. Besonders bekannt ist sein Film Grün kaputt (1983) [4], in dem er die Versiegelung und Zerstörung von Naturflächen in Deutschland anprangert. Wielands Anliegen war es stets, Alternativen aufzuzeigen: etwa die Förderung traditioneller Bauweisen und die Wertschätzung von Ressourcen, die vor Ort verfügbar sind.

Durch sein Lebenswerk hat Wieland nicht nur die Denkmalpflege und ökologische Architektur beeinflusst, sondern auch Generationen von Zuschauern für die Bedeutung eines respektvollen Umgangs mit der Landschaft und dem kulturellen Erbe sensibilisiert. Sein Engagement bleibt ein wichtiger Impulsgeber für eine nachhaltige Lebensweise, die sich durch Bewahrung, Anpassung und Respekt auszeichnet.

Quellen und Erläuterungen

[1] Zitat aus [2]. Mich sprach diese Dokumentation unmittelbar an, da ich mir schon seit geraumer Zeit die grundlegende Frage stelle: Wieviel Haus, Garten sowie Kultur- und Naturlandschaft benötigt der Mensch tatsächlich, um ein „artgerechtes“, erfülltes Dasein zu führen? Prinzipiell interessieren mich auch Holzhäuser, inklusive die amerikanischen Typen, wie das American Foursquare.
Das Thema werde ich zweifellos in Zukunft weiter vertiefen. Besonders bemerkenswert erscheint mir jedoch eine Randbemerkung in der Dokumentation: Der vorgestellte Forsthaus-Haustyp war standardisiert und wurde erst später individuell durch Anbauten erweitert. Diese Beobachtung ist deshalb so bedeutsam, weil sie aufzeigt, wie preiswerter Wohnraum durch „Zeitlos-Typisierung“ geschaffen werden kann – im richtigen Verhältnis und „im Maß des Menschen“. Gerade ein solcher Ansatz, mit standardisierten Gebäuden zu beginnen, die sich später einfach, flexibel und kostengünstig individuell erweitern lassen, erscheint mir als ein erstrebenswertes Ideal. Ansätze in diese Richtung gab es zwar immer wieder – doch warum hat sich dieses Konzept nie wirklich durchgesetzt? War da jemand dagegen? 

[2] „Die große Kunst, ein kleines Haus zu bauen (Dieter Wieland, 2003)“ Auf YouTube veröffentlicht am 14.05.2012, Kanal: Hans Dorsch

[3] Beispiel: Videodokumentation über Masanobu Fukuoka: Der große Weg hat kein Tor. Ist hier der filmische Kunststil übernommen (im positiven Sinne kopiert?)

[4] Natürlich war Wielands dokumentierte Landschaftstzerstörung und Bodenversiegelung im Film Grün kaputt (1983) ebenfalls alarmistisch (gelernt hat heute niemand davon, siehe Zerstörung der Natur durch Windkraftanlagen), doch sein Gegenkonzept wird positivistisch vermittelt.
WIELAND, Dieter; BODE, Peter M.; DISKO, Rüdiger; Broschüre „Grün kaputt Landschaft und Gärten der Deutschen“ Beuerberg 2019

Windenergie
Landschaftstzerstörung ist geblieben…

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Wieland

[6] https://www.br.de/presse/inhalt/pressemitteilungen/lessing-preis-dokumentarfilmer-dieter-wieland-102.html

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