Bild oben: Wirsing-Butterkohl Sorte ‚Goldvital‘.
Ein Abschied vom Kopfkohl
Es war vermutlich das letzte Gartenjahr, in dem ich versucht habe, erfolgreich Kopfkohl anzubauen. Vermutlich liegt es an der engen Tallage meines Gartens – oder an anderen Faktoren – dass keine der Kopfkohlarten hier gedeihen wollte. Rotkohl, ohnehin der anspruchsvollste Vertreter, scheiterte erwartungsgemäß. Aber auch Weißkohl und Spitzkohl, die unter Gartenfreunden als unkompliziert gelten und viel Lob erhalten, blieben selten gesund. Zuletzt versuchte ich es mit Wirsing. Der Erfolg blieb mäßig: Nur die gekauften Jungpflanzen brachten kleine, junge Köpfe hervor, aus denen es immerhin Wirsing in Sahne gab. Das Rezept dazu findet sich hier.

Unerwartete Wendung: Ein kleiner Triumph
Trotzdem gab es eine Überraschung. Von vier (!) Jungpflanzen der Sorte ‚Goldvital‘ – die zu den Wirsing-Butterkohl-Sorten zählen – und während der Frühsommerhitze zunächst kümmerlich dahinsiechten, erholten sich später einige und bildeten lockere Köpfe. Drei von ihnen konnten geerntet und zu Gemüse verarbeitet werden – mit überraschend gutem Geschmack! Und wie gesagt, handelte es sich dabei um die Sorte ‚Goldvital‘ von Kiepenkerl.
Ein Einzelgänger trotzt dem Winter
Ein Exemplar mit lockerem Aufbau blieb also im Beet stehen, gut verborgen zwischen Zuckerhutsalat (Cichorium intybus var. foliosum f. cylindricum) und Schwarzen Rettichen (Raphanus sativus L. var. niger). Als die Herbstgemüse im Dezember geerntet waren, blieb der einzelne ‚Goldvital‘ allein zurück. Doch auch im späten Herbst zeigte er sich immer noch erstaunlich vital und grün. Das brachte mich auf die Idee, den Kohl etwas mit Laub einzupacken und ihn einfach über den Winter stehen zu lassen – als Experiment, wie er Frost und nasskaltem Wetter trotzen würde. Und tatsächlich: Bis heute hält er sich bemerkenswert gut.

Butterkohl: Mehr als nur ein Wirsing?
Schon früh fiel mir auf, dass ‚Goldvital‘, ein Wirsing, der auf der Samentüte auch als Butterkohl beschrieben wird, wenig von einem klassischen Wirsingkohl hat. Sein Kopf ist äußerst locker, fast nicht vorhanden. Doch bei Butterkohl geht es ohnehin weniger um den Kopf als um die äußeren Blätter, die nacheinander geerntet werden. Mit der Zeit entwickelt sich dann aber aus dem Rest, der stehen bleibt, so eine Art niedriger Grünkohl mit einem kurzen, kräftigen Strunk.
Mit diesen Beobachtungen wurde ich neugierig und habe dann erste einmal nach dem Gemüse recherchiert, wo ich am eindeutigsten in historischer Literatur fündig wurde. Und es folgen nun die Beschreibungen aus alter Gartenliteratur, die zeigen, dass im 19. Jahrhundert noch sehr verschieden Varianten beschrieben wurden und aufzeigen, dass das Gemüse allgemein eher wenig bekannt war.
Meine Recherchen aus der Gartenliteratur des 19. Jahrhundert
Von Dr. William Löbe (1815–1891) wird 1857 ein typisches Wintergemüse beschrieben: „Der Butterkohl gleicht im Geschmack dem Grünkohl, ist aber etwas milder und auch ohne Frost süsser. Da Butterkohl aus dem knolligen Wurzelstocke mehrere Stöcke treibt, so ist er früh, Mitte oder Ende Juli gepflanzt, ertragreicher als Grün- oder Braunkohl. Die Cultur ist wie die des Braunkohls. (Breslauer Zeitung)“ [1].
Interessant finde ich die Bemerkung, von der unvergesslichen Henriette Davidis (1801–1876) die bemerkt: Schmalz- und Butterkohl. Dieser so sehr einträgliche Kohl, welcher ein sehr gesundes und angenehmes Gemüse liefert, verdient allgemein kultiviert zu werden“
Butterkohl – auch bekannt als Schmalzkohl oder Winterkraut beschrieben – ist eine Sortenvariante des Wirsings (Brassica oleracea var. sabauda), zu der Theodor Lange (1856/1857–1920) im Jahr 1897 bemerkt: „Die Mutter dieses vielerorts beliebten Bastards[Hybrid] ist der Schnittkohl [Brassica napus var. pabularia], […] der Vater ist wohl kaum noch zu finden.“
Dann beschreibt er den Kohl weiter: „Die Kopfartig stehenden, aber nicht zusammenschließenden Blätter werden nach und nach geerntet, zuletzt die Endknospe ausgeschnitten.“
Merkwürdiger- oder besser gesagt unglücklicherweise sieht LANGE den Butterkohl nur für die zeitige Kultur für nützlich an. Nach LANGE wird er „wie der Frühwirsing ausgepflanzt“. Weiter fügt er hinzu: „Die Treibklulur habe ich noch nicht probiert, bei derselben möchte Butterkohl ganz als Schnittkohl zu behandeln sein, nur dünner gesät werden werden müssen. Er wird jedoch durch den leicht zu treibenden grünen Schnittkohl entbehrlich gemacht. Für den Frühsommer ist er sehr zu empfehlen.“
Fazit
Butterkohl war und ist wohl ein nahezu vergessenes Gemüse – möglicherweise durch ungenaue Beschreibungen, falsche Handhabung oder schlicht durch die geringe Verfügbarkeit von Saatgut. Ein weiterer Nachteil ist, dass die geernteten Blätter für den Verkauf wenig geeignet sind, da sie schnell schlaff werden. Vermutlich wurde Butterkohl daher hauptsächlich als Selbstversorgergemüse angebaut, insbesondere in Regionen wie dem Bergischen Land. Sein hoher Ertrag und seine Anspruchslosigkeit machten ihn ideal für den Eigenbedarf. Ähnlich wie Grünkohl wurde er wahrscheinlich erst spät in der Saison geerntet und genutzt.
Die heutige Sorte ‚Goldvital‘ ist eine Variante, die kleine, gelblich-grüne Köpfe bildet – vorausgesetzt, man beerntet nicht ständig die äußeren Blätter. Nun bleibt abzuwarten, wie sich dieser Kohl nach der Überwinterung weiterentwickelt. Theodor Lange schreibt, dass man ihn nach dem Winter sogar verpflanzen kann und er dann erneut austreibt, wodurch eine gute „Sprossenernte“ erzielt wird (siehe auch: Sprossenkohl). Lange erwähnt außerdem, dass die Pflanzen reichlich Samen ansetzen – eine Beobachtung, die ich im kommenden Jahr ebenfalls machen möchte. Ob sich die Varietät dann vielleicht mit blühendem Grünkohl mischt, oder mit Raps vom Feld (das werden unsere Bienen besorgen) … wird sich zeigen.
Eines steht aber jetzt schon fest. Der Butterkohl ist ein Gourmetgemüse. Kultivieren werde ich ihn im kommenden Jahr, wie den Grünkohl. Ausgesät wird Ende Mai oder Anfang Juni und Verpflanzt im Juli.

Quellen
[1] LÖBE, Dr. William Jahrbuch der Landwirthschaft und landwirtschaftliche Statistiken für das Jahr 1856; Leipzig 1857; Seite 123
[2] DAVIDIS, Henriette; Praktisches Kochbuch für die Deutschen in Amerika Zuverlässige und selbstgeprüfte Anweisungen zur Bereitung der verschiedenartigsten Speisen und Getränke, zum Backen, Einmachen u. s. w.; Milwaukee Wisconsin 1879; Seite 49
[3] Lange, Theodor; Allgemeines Gartenbuch. Band 2: Gemüse und Obstbau, Leipzig 1897; Seite 67
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Wirsing
Weitere Butterkohl-Sorten sind:
- ‚Bloemendaalse‘ von La Verde oder bobby-seeds.com
- ‚Goldberg‘ von Hof Jeebel oder Dreschflegel