Bild oben: Symbolbild.
Veränderungen der Erdumlaufbahn und die letzte Feuchtperiode in der Sahara
In diesem Blog-Artikel möchte ich auf einen bereits zwölf Jahre alten, aber dennoch hochinterssanten Fachartikel [1] aufmerksam machen, der mit bestens belegtem Faktenwissen eine Grundlage für das Verständnis der Kulturgeschichte in Afrika und Westeuropa in der Zeitperiode der ausgehenden Mittelsteinzeit gibt, welche wir zwischen 11.000 bis 5.000 Jahren v. Chr. ansetzen können.
Mit dem Titel „Green Sahara: African Humid Periods Paced by Earth’s Orbital Changes“ (Grüne Sahara: Veränderungen der Erdumlaufbahn bestimmen afrikanischen Feuchtperioden) zeigen dort zwei renommierte Wissenschaftler im Bereich Klimaforschung und Paläoklimatologie die These der Ursachen jener Feuchtperiode in der heutigen Sahara auf, die man in der Wissenschaft als „Afrikanische Feuchtperiode“ (African Humid Period, AHP) kennt.
Zum Artikel: https://www.nature.com/…green-sahara-african-humid-period…
Der Artikel auf web.archive.org.
Die These der beiden Autoren stellt sich wie folgt dar.
Die Afrikanische Feuchtperiode, die etwa von 11.000 bis 5.000 Jahren v. Chr. andauerte und ihren klimaoptimalen Höhepunkt zwischen 7000 und 4000 v. Chr. aufwies, war eine entscheidende Phase, in der sich Nordafrika, einschließlich der heutigen Sahara-Wüste, in eine üppig bewachsene Landschaft mit zahlreichen Seen verwandelte. Nach den Ausführungen der Autoren vollzog sich dieser Klimawandel in manchen Gebieten oft abrupt (innerhalb weniger Jahrhunderte), doch nicht überall gleichmäßig stark ausgeprägt
Die Milanković-Zyklen
Das Phänomen der Grünen Sahara, belegt durch paläoklimatische und archäologische Daten, wurde – so die Autoren – durch Veränderungen der Erdumlaufbahn, insbesondere den Präzessionszyklus, ausgelöst, der die sommerliche Sonneneinstrahlung erhöhte und stärkere Monsunregenfälle verursachte [2].
Dabei ist die African Humid Period Teil eines wiederkehrenden Klimamusters, das neben dem Zyklus der Präzession von den Milanković-Zyklen [3] beeinflusst wird, und zeigt, dass allmähliche Veränderungen der Erdumlaufbahn zu abrupten Klimawandelereignissen führen können. Beweise wie Rekonstruktionen von Seespiegeln, Sedimentbohrkerne und prähistorische Felskunst, die eine vielfältige Tierwelt und pastorales Leben darstellen, verdeutlichen das einst florierende Ökosystem der Sahara.
Das paradiesische Klima
„Während des Höhepunktes der afrikanischen Feuchtperiode war Nordafrika nahezu vollständig mit Vegetation bedeckt und von nomadischen Jäger- und Sammlergemeinschaften bevölkert, die zunehmend Weidewirtschaft betrieben (Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung).“ Heute finden wir im Gebiet der Grünen Sahara hunderttausende von kunstvollen Felsbildern, die Höhlen und Felsvorsprünge zieren und Eindrücke des „paradieseischen“ Lebens der Menschen wieder und zeigen in großer Zahl ländliche Szenen mit Elefanten, Giraffen, Flusspferden, Auerochsen (einem wilden Vorfahren des Hausrinds!) und Antilopen – letztere als jagbares Wild.
Die feuchte Phase auf dem Afrikanischen Kontinent ermöglichte es nomadischen Jäger- und Sammler-Gemeinschaften sowie Viehzüchtern (!), in der Region der heutigen Wüste zu leben. Mit dem Ende der African Humid Period führte die allmähliche Versteppung zu Migrationen, die zur Entstehung sesshafter Kulturen entlang des Nils und zur Ausbreitung der Viehwirtschaft in Afrika beitrugen.
Anmerkung
Natürlich ist dieser Artikel nur eine von vielen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema. Was mir jedoch auffällt, ist, dass diese Thesen – gewissermaßen als fragmentiertes Wissen – oft isoliert betrachtet werden und selten in den größeren Kontext der bekannten Kulturgeschichte der Menschheit eingebettet sind. Unbestritten ist, dass ein Zusammenhang zur Entstehung der Hochkultur am Nil gesehen wird. Weniger häufig hingegen wird die Frage gestellt, welchen Einfluss die Grüne Sahara auf die Entwicklung der Landwirtschaft im Allgemeinen hatte – und möglicherweise auch auf die Entstehung der Landwirtschaft im Speziellen, etwa im mesolithischen Westeuropa.
Übrigens: Auch die Arabische Halbinsel erlebte während der Afrikanischen Feuchtperiode eine ähnliche klimatische Entwicklung wie die Sahara. Belege für diese feuchte Phase stammen aus verschiedenen Quellen, darunter paläoklimatische Analysen, die fossile Flusssysteme und Seen dokumentieren. Diese wasserreichen Landschaften ermöglichten die Ansiedlung von Jägern, Sammlern und später nomadischen Viehhaltern. Fossile Sedimente und archäologische Funde, wie Steinwerkzeuge und Lagerplätze, weisen darauf hin, dass die Region damals reichlich Regen erhielt und Savannenlandschaften mit vielfältiger Flora und Fauna (inklusive Großwild) bot. Nach dem Ende der Feuchtphase setzte auch hier eine fortschreitende Versteppung ein, die die heutige Wüstenlandschaft formte.
Quellen, Erläuterungen und weitere Literatur
[1] deMENOCAL, Peter B. und TIERNEY, Jessica E.; Green Sahara: African Humid Periods Paced by Earth’s Orbital Changes; Nature Education 2012
Der Titel in deutsch: „Grüne Sahara: Veränderungen der Erdumlaufbahn bestimmen afrikanischen Feuchtperioden“
[2] Sieben-Prozentige Zunahme der sommerlichen Strahlung (!) und 17 bis 50-Prozentige Zunahme der afrikanischen Monsunniederschläge, nach [1].
[3] Milanković-Zyklen: Die Rotation der Erdachse wird durch Gravitationswechselwirkungen mit dem Mond und den massereicheren Planeten beeinflusst. Diese führen zu periodischen Veränderungen in der Erdumlaufbahn, die als Milanković-Zyklen bekannt sind. Diese wirken zusammen und beeinflussen langfristig die Sonneneinstrahlung auf der Erde, was maßgeblich natürliche Klimaveränderungen wie Eiszeiten oder Feuchtperioden begünstigt und sie umfassen drei Hauptzyklen:
- Exzentrizität – Ein 100.000-Jahres-Zyklus, der die Form der Erdumlaufbahn von nahezu kreisförmig zu elliptisch verändert.
- Obliquität – Ein 41.000-Jahres-Zyklus, der die Neigung der Erdachse gegenüber der Bahnebene beeinflusst und damit die Stärke der Jahreszeiten steuert.
- Präzession – Ein 20.000-Jahres-Zyklus, der das „Taumeln“ der Erdachse beschreibt, ähnlich dem Verhalten eines Kreisels, wodurch sich der Zeitpunkt der Sonnennähe (Perihel) im Jahresverlauf verschiebt [Mitunter wird der Zyklus der Präzession neben den beiden vorherigen Milanković-Zyklen gesondert gesehen]
siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Milankovi%C4%87-Zyklen
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/African_humid_period ein hochwertiger Artikel auf wikipedia!
Weitere Quellen
- https://mpimet.mpg.de/fileadmin/portfolios/92/Reading/claussen_gruene-sahara_gr_2020.pdf
- https://de.wikipedia.org/wiki/Felsbilder_der_Sahara
- NUMBERGER; Markus Perioden der Felsbildkunst [in der Sahara]; 2007
Schlussbemerkung: Es ist natürlich reiner Zufall, dass es zum Thema „10000 BC“ (10000 v. Chr.) auch einen beachtenswerten zeitlosen Unterhaltungs-Filmklassiker gibt, den der Konsument nur dann in allen Teilen versteht, wenn er sich ein wenig mit Vorgeschichte und genau auch mit derjenigen Zeitperiode beschäftigt, die ich im vorliegenden Blog-Artikel beleuchtet habe: 10,000 B.C. – Trailer HD deutsch; 2016.