Übrigens – Bild oben: Zu sehen ist eine schon ältere, winterharte Bananenstaude (Musa basjoo) bei mir um die Ecke im November fotografiert.
Angeregt durch diese „Vorgarten-Banane“ (Bild oben) kam mir heute der Gedanke, dass in Westeuropa vor fünf- bis zehntausend Jahren – wenn auch nur für einige Jahrhunderte – eine Art tropisches Klima geherrscht haben könnte. Schließlich gedeihen Bananenstauden ja heute auch in unseren Breiten. Und fest steht weiterhin, dass etwa 7500 v. Chr. in Europa eine extrem feucht-warme Periode begann, in der die Jahresmitteltemperaturen zwei bis drei Grad über den heutigen lagen. Diese Zeit brachte in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre geradezu paradiesische Bedingungen mit sich. Man könnte sogar sagen, dass die Menschen damals in diesen Zonen unter idealen, artgerechten Lebensumständen lebten – zumindest legen das heutige Erkenntnisse über große Teile Nordafrikas nahe, die bis an das Mittelmeer und die iberische Halbinsel reichten.
Und: Vermutlich gab es neben diesen Klimaoptimum in den Tropen Afrikas schon Jahrtausende zuvor einen einfachen Landbau, bei dem kleinere Felder mit Grabstock und Hacke bewirtschaftet, und Bananen, Yamswurzeln und Hirse angebaut wurden. Ganz von der Hand zu weisen ist es also nicht, dass dieser einfache tropische Hackbau auch in Nordwesteuropa angekommen, dort weiterentwickelt wurde.
Die „Grüne Sahara“ vor 10000 Jahren
Im Rahmen meiner letzten Ausarbeitung zur Möglichkeit der Entstehung der pflügenden Landwirtschaft in Nordwesteuropa – einer Hypothese, die beispielsweise von den Wissenschaftlern Emil Werth, Henri Breuil und Marcel Otte vertreten wurde – stieß ich auf einen Fachartikel, der meine Überlegungen nun doch in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Der Artikel mit dem Titel „Green Sahara: African Humid Periods Paced by Earth’s Orbital Changes“ – übersetzt: Grüne Sahara: Veränderungen der Erdumlaufbahn bestimmen afrikanische Feuchtperioden von Peter B. deMenocal und Jessica E. Tierney [1] beschreibt die sogenannte Afrikanische Feuchtperiode (African Humid Period, AHP).
Diese Phase, die etwa von 11.000 bis 5.000 Jahren v. Chr. andauerte, stellte eine entscheidende klimatische Transformation dar: Das heutige Gebiet der Sahara, das noch vor 13000 Jahren (wie gegenwärtig) extrem trocken war, verwandelte sich in eine üppig bewachsene Landschaft mit zahlreichen Seen und einer reichen Tierwelt [2].
Dieses Klimaoptimum wurde durch Präzessionszyklen und die sogenannten Milanković-Zyklen [3] der Erdumlaufbahn ausgelöst, die zu einer erhöhten Sonneneinstrahlung im Sommer und damit zu stärkeren Monsunregenfällen führten. Die African Humid Period zeigt uns gleichfalls, wie durch subtile Veränderungen der Erdumlaufbahn bedingt, drastische und weitreichende Klimawandelereignisse hervorgerufen werden können. Das diese punktuell nur Afrika im Bereich der Sahara verändert haben soll, ist nicht anzunehmen.
Gedankliche Weiterführung: Klimazonen und die Verschiebung des Tropengürtels
Ausgehend von dieser These ergeben sich nun für mich folgende weiterführenden Überlegungen: Vor etwa 13.000 Jahren beginnend, verschob sich in Afrika die tropische Klimazone – wie oben erwähnt – weit nach Norden. Diese nördliche Ausdehnung, begünstigt durch den Golfstrom, könnte durchaus über die Sahara hinausgereicht und Regionen wie die iberische Halbinsel, die Britischen Inseln und die Normandie beeinflusst haben.
Wenn nun aber auch die Hypothese von Emil Werth und seinen Kollegen korrekt ist, dass der frühe Landbau (insbesondere Hackbau) vor gut 15.000 Jahren im Tropengürtel der Erde entstand und später in angrenzende Klimazonen als pflügender Landbau migrierte, könnte Nordwesteuropa – während dieser klimatisch begünstigten Zeit – ein potenzielles Entstehungsgebiet der frühen pflügenden Landwirtschaft gewesen sein. Die Grüne Sahara würde somit als unterstützendes Argument für die Theorie dienen, sodass Nordwesteuropa bereits vor 10.000 Jahren eine Schlüsselregion für die Weiterentwicklung der Bodenkultur darstellte.
Die Grüne Sahara und die Entwicklung der Bodenkultur in Europa
Wiederum bedingt, durch die günstigen klimatischen Bedingungen und fruchtbaren Schwarzerde-Böden im westlichen Europa (ich verweise hier auf meinen Blog-Artikel über den eurasischen Steppengürtel vom 26.10.24), ist es nicht überraschend, dass sich genau hier auf der Iberischen Halbinsel und im Hinterland der Normandie die ältesten Spuren der sogenannten Megalith-Kulturen finden. Sie werden mit ihren ersten Steinsetzungen auf ca. 6000 v. Chr. datiert und entwickelten sich nach einer kurzen klimatischen „Kältedelle“ (8.2-Ereignis) zu einer eigentümlichen Hochkultur (wer will, mag sie die Kultur der Atlanter nennen), die sich an der Nordwestflanke der Sahara ausbreitete. Erst 2500 Jahre später, am Ende der besagten Warmperiode und der Grünen Sahara – mit ihren eigenen indigenen Völkerstämmen – entfaltete sich am anderen, östlichen Ende der Sahara die ägyptische Zivilisation. Mit der weiteren klimatischen Abkühlung kam es nach und nach zur Ausbreitung der Sahara-Wüste sowie mit dem damit verbundenen allmählichen Niedergang der Sahara-Kulturen, und gleichzeitig auch zum Niedergang der westeuropäischen Megalithiker (Atlanter). Letzteren machten neben diesen Veränderungen dann aber auch noch die indogermanischen Völkerstämme, aus Zentralasien kommend, den Gar aus. Der Rest der Geschichte ist dann schon bekannter und so ist mit dem gesagten bereits ein recht guter Überblick gegeben.
Vorläufiges Fazit und Schlussbetrachtung
Mit der oben geführten gedanklichen Weiterführung ist bereits eine Arbeitshypothese skizziert, die schwierig ist, hier im Rahmen eines einzelnen Online-Artikels umfangreicher auszuführen.
Allerdings möchte ich zum Schluss noch auf ein paar archäologische Artefakte aufmerksam machen, welche ich in fundierter wissenschaftlicher Literatur gefunden habe und deren Beurteilung durchaus die Hypothese einer frühen Agrarwirtschaft in Europa bedingen. Das sind beispielsweise zwei aus Renntiergeweih geschnitzte Skulpturen von Getreideähren. Sie wurden in der Grotte des Espélugues bei Lourdes gefunden. Zwischen 1886 und 1889 entdeckte der Forscher Léon Nelli dort mehrere Artefakte, darunter die berühmte „Lourdes-Pferd“-Statuette [4]. Unbekannt geblieben hingegen sind die zwei besagten geschnitzten Getreideähren, die wir publiziert bei Prof Johannes Hoops (1865–1949) in „Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertum“ [5] auf den Seiten 278 und 279 abgebildet finden (eine davon hier im Bild).
Nach HOOPS (Seite 280) wurde ein weiteres Bruchstück einer solchen Schnitzerei (2 cm lang) durch Peccadeau de l’Isle (französischer Amateurarchäologe des 19. Jahrhunderts) bei Ausgrabungen in der Bruniquel-Höhle (1893 und 1896) im Südwesten Frankreichs entdeckt.
Weiter berichtet HOOPS von Édouard Piette, der in der Höhle von Lortet, ein bemerkenswertes Artefakt fand: eine auf Schiefer geritzte Darstellung, die als langgrannige Kornähre interpretiert wurde. Weitere Fundberichte aus diversen archäologischen Ausgrabungen schließen sich an. Ich werde sie sicher noch gesondert notieren. Was ich damit jedoch sagen will, ist:
Wenn diese Funde – die dem Ende der Altsteinzeit zuzuordnen sind – auch kein Beweis für einen so frühen Ackerbau sind, so deuten sie darauf hin, dass es bereits sehr früh ein Wissen über Getreide gab. Möglicherweise bekam man es durch Kontakte mit Gemeinschaften aus anderen Regionen, wo vielleicht auch schon frühe Vorformen des Pflanzenanbaus erprobt wurden. Letztlich scheint es so zu sein – und das zeigen andere Domestizierungen von Kulturpflanzen und Haustieren ebenso – dass bei der Entstehung der Landwirtschaft die Kultivierung eigentlich schon lange bekannt und erfunden war. In Forscherkreisen heißt es deshalb, dass die ersten Kulturpflanzen oder Haustiere den Menschen fanden und nicht andersherum. Erst die Umstände, wie zum Beispiel klimatische Veränderungen, eine prähistorische „Bevölkerungsexplosion“ oder heute noch unbekannte Faktoren, veranlassten die Menschen ihren Nahrungserwerb auf Bodenkultur umzustellen.
Die feuchte Warmphase der African Humid Period, so berichten die die Eingangs erwähnten Verfasser des Fachartikels über die Green Sahara [1], durchlief an ihren Rändern – mit Warm- und Kaltphasen durchsetzt – oft abrupt verlaufende Klimaänderungen. Sie könnten durchaus Ursache der Entwicklung einer eigenen europäischen Bodenkultur gewesen sein.
Quellen und weitere Literatur
[1] deMENOCAL, Peter B. und TIERNEY, Jessica E.; Green Sahara: African Humid Periods Paced by Earth’s Orbital Changes; Nature Education 2012
Der Titel in deutsch: „Grüne Sahara: Veränderungen der Erdumlaufbahn bestimmen afrikanischen Feuchtperioden“
[2] Obgleich zu Beginn dieser feuchtwarmen Klimaperiode während der Jüngeren Dryas (vor 12.700–11.500 Jahren), als in großen Teilen der nördlichen Hemisphäre und insbesondere über dem Nordatlantik kühle Bedingungen herrschten und auch in großen Teilen Nord- und Ostafrikas als plötzliches Ereignis, gleichzeitig aufzutreten scheint [1].
[3] Milanković-Zyklen: Die Rotation der Erdachse wird durch Gravitationswechselwirkungen mit dem Mond und den massereicheren Planeten beeinflusst. Diese führen zu periodischen Veränderungen in der Erdumlaufbahn, die als Milanković-Zyklen bekannt sind. Diese wirken zusammen und beeinflussen langfristig die Sonneneinstrahlung auf der Erde, was maßgeblich natürliche Klimaveränderungen wie Eiszeiten oder Feuchtperioden begünstigt und sie umfassen drei Hauptzyklen:
- Exzentrizität – Ein 100.000-Jahres-Zyklus, der die Form der Erdumlaufbahn von nahezu kreisförmig zu elliptisch verändert.
- Obliquität – Ein 41.000-Jahres-Zyklus, der die Neigung der Erdachse gegenüber der Bahnebene beeinflusst und damit die Stärke der Jahreszeiten steuert.
- Präzession – Ein 20.000-Jahres-Zyklus, der das „Taumeln“ der Erdachse beschreibt, ähnlich dem Verhalten eines Kreisels, wodurch sich der Zeitpunkt der Sonnennähe (Perihel) im Jahresverlauf verschiebt [Mitunter wird der Zyklus der Präzession neben den beiden vorherigen Milanković-Zyklen gesondert gesehen]
[4] Diese kleine, etwa 7,3 cm lange, berühmt gewordene Skulptur eines Pferdes wurde anfangs aus Mammut-Elfenbein geschnitzt, beschrieben. Neuere Untersuchungen von Jean-Marc Pétillon im Jahr 2013 ergaben jedoch, dass sie aus Walknochen (!) gefertigt ist.
[5] HOOPS, Johannes; Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertum; Straßburg 1905
- https://en.wikipedia.org/wiki/African_humid_period
- https://de.wikipedia.org/wiki/Milankovi%C4%87-Zyklen
- NUMBERGER, Markus Perioden der Felsbildkunst 2007
- https://www.world-archaeology.com/world/africa/egypt/lascaux-on-the-nile/
- https://www.hominides.com/html/colloques-conference/lascaux-au-bord-du-nil-qurta-1234.php