Ein Sommernachtstraum endet. Lupinen: Mit ihnen vergeht die Lichtzeit.
Über die stille Magie jener Tage, in denen der Lichtsommer seinen Höhepunkt überschritten hat
🌗 Es sind nicht gleich die ersten Tage nach der Sonnenwende – also Ende Juni – an denen wir bemerken, dass die Nächte wieder länger werden. Dieses Lichtplateau der kurzen Mittsommernächte beginnt gefühlt schon Ende Mai, wenn die Mohnblumen blühen, und endet oft unbemerkt, wenn der Juli seinen Zenit überschritten hat.
Diese Zeitspanne – so kostbar, so lichtgesättigt – wird selten bewusst wahrgenommen. Auch in der Kunst bleibt sie oft unbeachtet. Wären da nicht Shakespeares Meister-Komödie Midsummer Night’s Dream, wären arm an Bildern und Gedanken in dieser besonderen Traumzeit.
Shakespeares Sommernachtstraum – eine mystische Welt der Elfen, Feen, Irrwege, Liebesverwirrungen und des Staunens. Und so bunt und leicht dieses Stück sich auch durch den Sommer bewegt, so abrupt endet es wieder in der Wirklichkeit – mit einem Erwachen, einem Rückruf in die Ordnung.
Der stille Abgesang auf die große Sommerzeit beginnt.
War es ein Traum?
Wer nun aus dem Urlaub zurückkehrt – sei es von der See, aus den Bergen oder einfach aus dem Liegestuhl im eigenen Garten –, kennt vielleicht dieses leise Gefühl:
Etwas ist zu Ende gegangen, obwohl es doch gerade erst begonnen hatte.
In Shakespeares Sommernachtstraum liegt der Zauber nicht nur in der Magie der Nacht, sondern auch im plötzlichen Verschwinden des Unerklärlichen. Die Rückkehr in die Ordnung, zur Gesellschaft, zum geregelten Leben bedeutet auch: Verlust.
Der Rausch endet mit dem Morgengrauen.
Der Traum – so Puck – war vielleicht nur ein Schatten. Und doch hat er gewirkt.

Der Urlaub als Ausnahmezustand
Ist es mit dem Urlaub nicht ebenso?
Für einige Tage oder Wochen leben wir – mit oder ohne Fernreise – in einer anderen Zeitrechnung. Der Tag folgt nicht mehr dem Stundenplan, sondern der Sonne. Der Körper darf langsamer werden. Der Geist wird weit.
Man fängt an, Wolken zu beobachten.
Man denkt nach, ohne Ziel.
Und dann?
Dann kehrt der Alltag zurück. Der Wecker klingelt. Die To-do-Liste lebt wieder. Der Rhythmus der Welt nimmt einen wieder auf. Alles hat seinen Platz – wie es sein soll. Und dennoch bleibt: ein kleiner Verlust.

Warum wir träumen müssen
Vielleicht liegt darin der tiefere Sinn des Urlaubs, ja der ganzen hellen Jahreszeit: Nicht bloß Erholung, sondern Erweiterung.
Der Urlaub als Spielraum für das Leben, das möglich wäre.
In dieser Sommerzeit geht es nicht darum, der Wirklichkeit zu entfliehen, sondern sie zu hinterfragen – zart, ohne Rebellion. Der Zauber besteht nicht im Exotischen, sondern im Wiederentdecken des Einfachen: der Geruch von Heu, das Gehen ohne Ziel, der Klang eines späten Vogelschreis.
Diese Leichtigkeit ist kein Trugbild. Sie ist real – aber flüchtig.
Ein Gedanke zum Schluss
Wenn der Sommernachtstraum endet, bleibt etwas zurück.
Eine Ahnung vielleicht. Oder ein stiller Wunsch.
Wir müssen den Alltag nicht neu erfinden – aber wir können ihn durchwirken mit dem, was wir aus dem Sommer mitnehmen. Ein Morgenspaziergang. Kein Bildschirm am Abend. Oder einfach öfter barfuß im Gras stehen.
Damit der Traum nicht ganz endet.
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