Auf dem Sonnenplateau. Wenn die Zeit stillsteht – und wir es nicht merken.

Mohnblumenwiese Ende Mai

[Beitrag in Erstellung] Bild: Mohnblumen. Sie läuten den Lichtsommer ein.

Arbeitstitel: Der Hellsommer. Oder: Warum das Sonnenplateau in unserem Bewusstsein fehlt.

Es ist die vielleicht schönste Zeit des Jahres – und doch nimmt sie kaum jemand so bewusst wahr, wie etwa die Tage der Erntefeste oder gar die die Oster- und Adventszeit.

Jetzt sind die Tage sind so lang wie sonst nie, das Licht steht weich über den Feldern, die Luft ist warm, aber nicht drückend, die Mücken halten sich noch zurück. Und trotzdem: Diese lichte Weite zwischen Ende Mai und Mitte Juli hat keinen festen Platz in unserem kollektiven Kalender.

Kein Fest, kein Feiertag, kein kultureller Anker erinnert uns an diese besondere Phase – wenn wir mal von Himmelfahrt und Pfingsten abgesehen. Und selbst die erscheinen uns in Bezug auf den Jahreskreis eher unbedeutend. Nicht zuletzt heißt es ja: „Zu Pfingsten sind die Geschenke am geringsten.“

Oder: nehmen wir das Johannis- oder Mittsommerfest so ist man bei diesem Datum (21. oder 24. Juni) mehr auf „die kürzeste Nacht im Jahr“ fixiert. Was ich aber sagen will ist, dass wir so in etwa vom 27. Mai bis 16. Juli die extreme Tageslänge, beziehungsweise die kürzeste Nacht im Jahr im ganzen Stück haben, also 50 Tage lang. Das hängt damit zusammen, dass wir die wenigen Minuten Lichtveränderung in diese Zeitspanne gar nicht wahrnehmen können. Es ist ein astronomisches Phänomen und nur durch genaue Messungen zu bemerken.

Wiese blaue wilde Lupinen
Die Lichtzeit endet mit der Blüte der Lupinen…

Wir haben also bereits von den hohen Frühlingstagen her einen „Mittsommer“ oder wie wir diese Zeit benennen wollen. Bei mir ist es der „Hellsommer“ (Lichtsommer) mit einer ganz besonderen Zeitqualität.


Die Stille der Fülle

Was wir „Sonnenplateau“ nennen – die etwa 50 Tage rund um die Sommersonnenwende, in denen die Tageslänge nahezu konstant bleibt – ist eine Zeit der Fülle ohne Dringlichkeit. Die Natur steht nicht mehr im Werden, sondern ist da. Reif. Leuchtend. Und wir? Sind längst schon auf dem Weg zum nächsten. Warum merken wir das nicht?

Weil wir Bewegung stärker spüren als Stillstand.

Frühling bedeutet Aufbruch. Der Sommer heißt Urlaub. Aber diese ruhige, lichte Hochlage im Jahreskreis hat kein Etikett, keine Aufgabe. Sie stellt keine Forderung. Sie ist einfach nur da.

Und vielleicht ist das genau der Grund, warum wir sie übersehen: Das Jetzt spüren wir meist erst, wenn es vorbei ist.

Wie das leise Ticken einer Uhr, das man erst bemerkt, wenn es plötzlich fehlt. Wenn das Licht kürzer wird …

Erst wenn die Abende sich wieder merklich verkürzen, wenn der Hochsommer müde wird, taucht in uns eine vage Erinnerung auf: War da nicht etwas? Eine Zeit, die still war, lang, licht – und doch wie im Vorbeigehen verstrich? Dann begreifen wir, was wir hatten – und dass wir es nicht genutzt haben.

Langer Sommertag
Geschenkte Zeit im Licht.

Ein Plädoyer

Vielleicht ist es an der Zeit, diesem Sonnenplateau einen Platz im Herzen zu geben. Es bewusst wahrzunehmen. Ohne Event, ohne Hast.
Denn wer die Gegenwart erkennt, verlängert sie.

Und wenn die Zeit schon stillsteht – warum nicht einen Moment darin verweilen?

Das Licht. Die stille Magie der langen Abende.

Das „stehende Licht“ der späten Abende hat etwas Zeitloses. Die Goldene Stunde scheint sich auszudehnen.
Es ist die Zeit für Spaziergänge, Gespräche im Freien – oder einfach für Stille.

Diese Phase eignet sich auch besonders für Übergänge

Ein Umzug, ein neuer Lebensabschnitt, ein Berufswechsel – wenn möglich, legt ihn in diese hellen Sommerwochen. Denn kaum etwas ist hilfreicher, um sich neu einzutakten, als diese natürliche Zeitpause zwischen Frühling und Hochsommer.

[GJ.4.13] I Text und Bild Gisela Jacob, 1.7.2025

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