🌺 Heute morgen kam ich auf die Idee, die Leser auf den idealen Aussaatzeitpunkt für Stiefmütterchen hinzuweisen, der nun um den 20. Juli gekommen ist. Das gilt für die Überwinterungs-Kultur, die heute schon so ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Nun ist aus dem geplanten kurzen Blog-Beitrag doch ein längerer Blog-Artikel geworden. Schau selbst:
Pirna, die Stadt der Stiefmütterchen
Sicher erwähnte ich schon des öfteren, dass ich nahe Dresden, am Rande des Elbtals, südöstlich der Kreisstadt Pirna wohne. Diese Ecke war in früheren Zeiten dicht mit Gärtnereien bestückt und besaß verschiedenste Gartenbau-Traditionen. So erstreckte sich hier beidseitig der Elbe, bis in die 1990er Jahre hinein, ein traditionelles Anbaugebiet für Stiefmütterchen. Der Freilandanbau der Frühjahrsboten ist heute jedoch Geschichte.
‚Pirnaer Riesen‘ zeichneten sich durch Winterhärte aus
Vielen ist die Sorte ‚Pirnaer Riesen‘ aus den 1920er Jahren vielleicht bekannt, die keine F1-Hybride ist und hier lokal entwickelt wurde [1]. Man kann sie heute noch im Samenpäckchen kaufen. Dies Sorte zeichnet sich durch große, widerstandsfähige Blüten und besondere Winterhärte aus. Die ‚Pirnaer Riesen‘ wurden hier bei uns traditionell im Juli gesät und im September auf abgeräumte Beete gepflanzt, wo sie sich bis zum Frühjahr zur verkaufsfähigen Ware entwickelten. Sie fanden sowohl im Handel als auch in großen Mengen auf Friedhöfen Verwendung. Diese Praxis erlebte ich noch in den 1980er Jahren.
Heute ist der Anbau von Stiefmütterchen im Freiland durch die Kultivierung von F1-Sorten aus dem Gewächshaus abgelöst. Diese als Topfware gezogenen Pflanzen sind tatsächlich besser in der Qualität. Sie bilden länger schöne, buschige Blütenstauden. Freilandware bot zwar zunächst gut entwickelte Pflanzen und Blüten, schoss aber spätestens Anfang Mai in die Höhe und fiel auseinander.
Was haben Buschbohnen damit zu tun?
Nun komme ich aber noch zu den Buschbohnen. Auch sie haben hier eine Anbau-Tradition. Interessanterweise hielt sich dieser etwas länger und war eng mit der Kultur der Stiefmütterchen verknüpft. Es war nämlich die beliebte Vorkultur, welche genau die Zeit überbrückte, in der die Stiefmütterchen-Felder und Beete nicht gebraucht wurden (Mai bis August).
SO wurden nämlich von März bis April die Stiefmütterchen-Felder nach und nach abgeräumt, und um den 1. Mai mit Buschbohnen bestellt [2]. Ab Juli folgte die Erntezeit, und die frisch gepflückten Gemüsebohnen fanden reißenden Absatz in der städtischen Bevölkerung und in Betriebsküchen. Traditionelle Zubereitungen wie „Pilzbohnen“ sind bis heute beliebt.
In der Gegend um Dresden bis hinunter nach Meißen gibt es noch einige nebenberufliche Bohnen-Produzenten. Ein treues Klientel wartet jährlich auf den „Bohnenmonat“ Juli, obwohl diese Tradition allmählich abnimmt. In anderen Teilen Deutschlands fällt die Hauptbohnenernte in den August, was vermutlich mit den unterschiedlichen Kulturfolgen in den Gärtnereien zusammenhängt. Das werde ich sicher noch genauer recherchieren.
Fazit und Idee
Wenige von uns werden wissen, dass Stiefmütterchen winterharte Pflanzen und leicht zu kultivieren sind. Das könnte uns doch in Zukunft eine eigene kleine Stiefmütterchen-Produktion eröffnen … oder?
Wenn bei uns Buschbohnen-Erntezeit ist, denke ich sofort daran, ein paar Stiefmütterchen auszusäen (jetzt ist die beste Zeit dafür). Genauer gesagt, tun sie das bei uns oft durch Selbstaussaat von allein. Wir müssen für diese Zwecke nur ein paar Stiefmütterchen in im Blumenkasten oder Pflanzkübel stehen lassen und nicht durch Sommerblumen ersetzen.
Den Blumenkasten stellen wir Anfang Juli auf ein leicht überschattetes Beet, wo die überhängenden Blüten ausreifen und ihren Samen verstreuen. Die winzigen Jungpflänzchen werden dann pikiert und auf das Beet versetzt, welches im kommenden Jahr für die Buschbohnen-Saat Ende April vorgemerkt ist. Im Kleingarten sollten das eine Reihe von etwas fünf bis sechs Meter sein. Das ist genau das Maß, welches wir für die richtige Menge an Gemüsebohnen und auch an Stiefmütterchen brauchen, wenn wir mit deren Pflanzung nicht geizen wollen … und das brauch wir schon aus dem Grund nicht, weil wir sie völlig kostenlos zur Verfügung haben.
Mitte Juli: Durchgeerntete Gemüsebohnen von sechs laufenden Metern. |
Quellen und Erläuterungen
[1] Zur Geschichte der ‚Pirnaer Riesen‘ und Gartenbaugeschichte:
http://www.erlpeter.net/downloads/15/38/Erlpeter_10_Apr_02.pdf
MARTH, Kathleen; Blumige Zeiten, Pirna, die Stadt der Stiefmütterchen; ein Artikel im Erlpeter – Kulturblatt für Pirna; Ausgabe 10. APril 2002;
darin die Quellen: Sächsisches Gärtnerblatt vom 15.9.1931 und Pirnaer Kulturspiegel vom April und Mai 1961. Weitere Quellen: Stadtmuseum Pirna und Dresdner Neueste Nachrichten vom 14.3.2002
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[2] Im März und April – meist ab Ostern – wurden die Abauflächen frei. Jeder Gärtner hatte seinen eigenen Pflanz- und Saattermin für Stiefmütterchen und genauen Termin für das Stecken der Bohnen, auf den er schwor. Diese Termine wurden, egal was passierte, genauestes eingehalten – zumindest in den Geschichten, die um diese Dinge gesponnen wurden und noch werden.