Atlantis und Megalith-Europa und ein Buch von Prof. Helmut Tributsch. Noch immer aktuell.

Newgrange Symbolbild

Bild: Der megalitische Grab-Tempelbau Newgrange (im irischen County Meath), der heute rekonstruiert besichtigt werden kann. Hier in meiner Darstellung liegt er allerdings fiktiv in der Nähe des Meeres. Etliche der Megalithanlagen waren auf diese Weise eindrucksvoll vom Meer aus sichtbar und beeindruckten fremde Besucher des Landes…

[Übersicht: Megalithiker]

Buchrezension

Dem aufmerksamen Leser meiner Publikationen auf Inhortas.de dürfte nicht entgangen sein, dass ich eine besondere Faszination für die geschichtlichen Hintergründe der sogenannten Megalithkulturen hege. Dabei handelt es sich um Kulturen, die durch monumentale Steinbauten auffallen – gigantische Konstruktionen, geschaffen aus tonnenschweren Blöcken, die oftmals nicht nur architektonische, sondern auch logistische Meisterwerke darstellen. Hier stelle ich eine, nach meinem Urteil überaus nützliche Publikation vor, auf welche ich künftig noch mehrfach verweisen und detaillierter eingehen werde.

Cover Die Türme von Atlantis
Die gläsernen Türme von Atlantis. Ein Taschenbuch Prof. Helmut Tributsch (1986).

TRIBUTSCH, Helmut; Die gläsernen Türme von Atlantis · Erinnerungen an Megalith-Europa; Frankfurt/M und Berlin, 1986

Zivilisation in der Jungsteinzeit und deren Lebensmittelversorgung

Megalithkulturen und mein Blickwinkel

Was mich als Gärtner an diesen „Großstein-Kulturen“ – die allesamt in der Steinzeit entstanden – besonders fasziniert, ist weniger die technische Frage nach dem „Wie“ – also nach den Transport- und Bearbeitungs-Technologien, die den Bau jener gigantomanischen Monumente ermöglichten – sondern vielmehr das „Wie drumherum“: Wie konnten diese Großprojekte überhaupt logistisch realisiert werden? Wie wurden die Arbeitskräfte versorgt? Und welche Rolle spielte die Landwirtschaft in der Infrastruktur dieser frühen Hochkulturen?

Übrigens: In diesem Zusammenhang gehe ich immer noch der Frage nach: Ist der heute in vielen Teilen der Erde wild vorkommende Ackerlauch (Allium ampeloprasum, eine der zwei Knoblaucharten) in frühen Kulturformen ein Relikt und Agrarprodukt der Megalithiker war? Es erscheint plausibel, denn in den Siedlungskerngebieten der „Großsteinleute“ finden sich heute noch interessante Varietäten (verwilderte Kulturvarianten) der genannten Knoblauchart.

Megalith-Europa

Fest steht, dass weltweit auf unserem Planeten verschiedene Megalithkulturen unterwegs waren und letzte Spuren von ihnen in Südostasien, auf der Osterinsel und in etlichen präkolumbianischen Gesellschaften Amerikas zu finden waren. Ungeachtet dessen, haben wir aber hier bei uns im westlichen, mittleren und nördlichen Europa den Vorzug, dass wir uns – historisch gesehen – inmitten einer uralten megalithischen Kernkultur befinden. Aus archäologischer Sicht ist dies eine einzigartige Chance, diese Kultur zu studieren, die etwa 5000 v. Chr. entstand und gut 2000 Jahre vor den alten Ägyptern ihren Höhepunkt erreichte. Interessant mag sein, dass sie, wie bei den Alteuropäern (siehe unten) und bei den späteren Ägyptern beobachtet, keine befestigten Städte und Burgen besaßen. Im Gegensatz zu den Ägyptern  kannten die Megalith-Europäer offenbar kein Schriftsystem für geschichtliche Aufzeichnungen, womit für heute viel in Verborgenen bleibt, was deren Denken, Kultur und Religion betrifft. Gut bekannt ist der Niedergang jener Zivilisation aus archäologischer Sicht. Ihr Untergang (um 2200 v. Chr.) fällt ironischerweise genau in jene Zeit, in der das Pharaonenreich am Nil begann, zu erblühen [1].

Niedergang und Parallel-Zivilisationen

Die Gründe für diesen Niedergang scheinen komplex zu sein. Doch vieles deutet darauf hin, dass es vor allem die Ankunft indogermanischer Völker war, die diese hochentwickelte Kultur unwiderruflich verdrängte. Eine parallele europäische Steinzeit-Zivilisation – ähnlich in Komplexität (älteste Schrift), Entstehung und Niedergang – befand sich am Flusslauf der Donau und ist deshalb heute als Donaukultur oder Vinča-Kultur, bzw. Alteuropa bekannt. Sie war jedoch primär nicht durch Megalithbauwerke geprägt. Ihre Besonderheit waren Mega-Siedlungen. Doch war Alteuropa und Megalith-Europa gemeinsam, dass sie teils matriarchale Strukturen und eine entwickelte Seefahrt besaßen [1].

Die Verbindung zu Atlantis: Mythos und archäologische Fakten

Professor Tributsch, von dem unten noch ausführlicher die Rede sein wird, legt nun dar, dass die Megalithkultur in engem Kontakt mit Ägypten stand und mit ihr einen regen Handel betrieb. Für die Ägypter, die Westeuropa nur über das Meer erreichen konnten, erschien dieses Gebiet als eine große Insel oder Inselgruppe, die sie möglicherweise als Atlantis bezeichneten.

Es scheint also eine schlüssige These zu sein, welche etliche Forscher vertreten – darunter Prof. Helmut Tributsch – dass das Megalith-Europa mit Platon’s Atlantis gleichgesetzt werden kann.  Schließlich siedelten die Megalithiker nicht nur in Europa (sowie Atlantikküste, britische Inseln, Kanaren), sondern auch im nordafrikanischen Atlasgebirge, was den sprachlichen Bezug aufweist.

Eine Zivilisation von weltgeschichtlicher Bedeutung

Betrachtet man die uns heute noch erhaltenen Relikte – also mindestens 35.000 Großsteinbauten, wie Bettina Schulz Paulsson von der Universität Göteborg in einer kürzlich veröffentlichten Studie darlegte – so wird klar: Wir sprechen hier nicht von einer Randnotiz der Geschichte, sondern von einer prä-ägyptischen, europäischen Zivilisation von weltgeschichtlicher Bedeutung.

Der Wissenschaftler und Autor Helmut Tributsch, dessen Werk ich hier vorstelle, hat in seiner Publikation nicht nur die beeindruckenden Dimensionen der Großsteinbauten, Timuli und Cairns aufgezeigt, sondern auch eine faszinierende Berechnung zur benötigten Arbeitsleistung angestellt. Besonders aufschlussreich ist seine Analyse der millionenfachen Arbeitsstunden, die für religiös motivierte Bauprojekte wie etwa den Silbury Hill in Wiltshire (England) erforderlich waren. Nach Tributsch benötigte allein dieser  Timuli-Hügel 18 Millionen Arbeitsstunden. Das entspricht der Leistung von 500 Männern, die 15 Jahre lang ununterbrochen arbeiteten, um die 248.000 Kubikmeter Erde und Kalkstein zu bewegen und in Form zu bringen (für mich interessant, weil diese enorme Arbeitszeit wiederum in der Landwirtschaft fehlt).

Kurzes Zwischenfazit von mir

Diese Zahlen offenbaren für Historiker zweifelsfrei, dass es sich bei dieser Kultur um eine hochorganisierte Zivilisation gehandelt haben muss, die weit über einfache Stammesstrukturen hinausging. Und für mich steht außer Frage, dass diese Gesellschaft eine äußerst effiziente Wirtschaftsweise besaß, die Landwirtschaft, Gartenbau, Viehzucht, Jagd, Fischfang und möglicherweise sogar Walfang umfasste. Ohne eine solche Grundlage wäre die Mobilisierung und Versorgung der notwendigen Arbeitskräfte schlicht unmöglich gewesen.

Helmut Tributsch und die Megalithkultur: Ein neuer Blick auf Atlantis

Unabhängig von den soeben gemachten Überlegungen möchte ich nun auf Tributschs Publikation „Die gläsernen Türme von Atlantis: Erinnerungen an Megalith-Europa“ aufmerksam machen. In diesem Werk beschreibt der deutsche Naturwissenschaftler mit präziser Klarheit die nordafrikanisch-europäische Zivilisation, die er plausibel mit der mythischen Kultur der Atlanter in Verbindung bringt. Für mich räumt Tributsch mit seiner Darstellung damit erst einmal für eine Zeit zahlreiche strittige Thesen insofern auf Eis, dass damit erst einmal mehr Freiraum für die weiterführende Forschung entsteht.

Das Buch: Didaktische Brillanz und wissenschaftliche Verknüpfung

Zwar mag der Titel des Buches zunächst wenig spektakulär wirken, doch entpuppt sich dieses Taschenbuch als didaktisch brillantes Kompendium über die sagenumwobene Kultur des Megalith-Europas. TRIBUTSCH gelingt es, die verstreut vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über diese alte euro-afrikanische Zivilisation zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammenzuführen. Durch die Verknüpfung mit der legendären Atlantis-Zivilisation – unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um jene von Platon beschriebene Kultur handelt – schafft er eine konkrete Vorstellung, an der sich die verschiedenen wissenschaftlichen Fakten spielerisch anfügen lassen. Selbst wenn der Atlantis-Mythos in seiner ursprünglichen Form lediglich eine Erzählung bleiben mag, liefert TRIBUTSCH eine greifbare Grundlage, um diese alteuropäische Zivilisation im Licht moderner Wissenschaft neu zu interpretieren.

1. Prolog

Trotzdem halte ich das Buch für streng wissenschaftlich verfasst, obgleich der Autor – genial gewählt – mit einem narrativen Einstieg beginnt. Er tut das mit einer fiktiven, prologartigen Erzählung – der Reise des jungen Pythagoras zu den Druiden. Damit schafft der Autor zunächst einen emotionalen Zugang und führt die Leser in die Thematik ein. Zum Ende (Seite 298 ff) wird nochmals auf „die Pythagoräer als die Erben der Atlantis-Religion“ eingegangen. Müsste uns das nicht einen Ansatz dafür bieten, den Sinn der megalithischen Bauwerke verstehen zu lernen?

Megalithische „Freimaurer“?

Und: Wenn ich an Ewald Schuldts Bautrupptheorie [2] denke und dazu noch sehe, dass die Pythagoreer (Druiden ebenso) einen Einweihungskult pflegten [3], fallen mir sofort Parallelen zur modernen Freimaurerei ein. Damit hätten wir durchaus einige Ansatzmöglichkeiten für kulturelle Vergleiche. Was die Bautrupptheorie betrifft, so bemerkte der Prähistoriker nämlich, dass bestimmte Megalithanlagen in verschiedenen geographischen Regionen ähnliche Bauweisen, Maße und Detailarbeiten aufwiesen. Diese Ähnlichkeiten deuten darauf hin, dass dieselben oder ähnliche Gruppen an verschiedenen Standorten tätig waren. Und, was wohl niemand abstreiten kann: Die Bauweise der Großsteinanlagen erfordert ein tiefes Verständnis von Statik und Bauweisen, was wiederum auf Expertenwissen hinweist.

2. Gläserne Türme?

Doch kommen wir zur Publikation zurück. Am Ende belohnt er den Leser noch mit einer spekulativen These, welche die ganze Publikation unbemerkt durchzieht: So legt der Autor gut begründet dar, dass Luftspiegelungen, wie Fata Morganas, von frühen Kulturen vielleicht als göttliche Zeichen, himmlische Botschaften oder halt als gläserne Türme gedeutet wurden. Besonders in heißen Regionen könnten diese optischen Phänomene, bei denen entfernte Objekte verzerrt erscheinen, als Erscheinungen von Göttern oder heiligen Orten interpretiert worden sein, was religiöse und mythologische Vorstellungen prägte.

Sein Ansatz ist bestechend: Statt die Einzelteile der archäologischen Forschung isoliert zu betrachten, verbindet er sie zu einem größeren Narrativ, das nicht nur plausibel, sondern auch inspirierend ist. Und das ist genau das Gegensatz-Programm zu dem, was ich schon mehrfach als fragmentierte Wissensvermittlung kritisiere.

3. Das Kernthema

Nun aber noch einmal kurz zum Kernteil des Buchs von Prof. Tributschs Publikation, denn der Leser wird sich nun sicher fragen, ob ich hier nicht auch eine Zusammenfassung geben könnte. Hier meine ich aber, dass ich mir das tatsächlich sparen kann, denn hier findet sich – natürlich mit der einen oder anderen eigenen wissenschaftlichen Interpretation präsentiert – voll-umfänglich der Stand der archäologischen Wissenschaften den Beginns der 1980er Jahre (hier der Stand der 2020er). Neues Wissen ist hinzugekommen, aber selbst die moderne Archäogenetik hat an den Grundzügen der hier vorgestellten Publikation nichts geändert – sondern nur ergänzt. Für den Erstinteressenten genügt es diesen 1980er-Jahre-Stand zunächst zu studieren: gebraucht ist das Taschenbuch noch leicht und preiswert erhältlich.

Quellen und Erläuterungen

[1] Übrigens: Die Ägypter beherrschten nur die Flusschiffahrt und überließen den Seehandel den Phöniziern. Die Phönizier wiederum waren begnadete Gartenbau-Fachleute und das mussten sie sein, weil damals die Seeleute auf ihren Fernfahrten zur Proviantaufstockung an den Küsten rasteten und ziemlich sicher im Brandrodungs- und Hackbau-Verfahren Getreide und wohl auch Knoblauch (in großen Mengen) kultivierten. Und: Es ist festzustellen, dass die Seefrachtfahrt damals enorm hoch entwickelt war –  zumindest gegen Ende der megalithischen Kulturperiode – was zeigt, dass bei einem Umbau von Stonehenge der sechs Tonnen schwere „Altar-Stein“ 750 Kilometer über das Meer antransportiert wurde. Siehe dazu das Video: Entdeckung in Stonehenge schockiert Archäologen (9.9.2024) vom Kanal Mystery Files.

[2] Ewald Schuldt (1914–1987), ein bedeutender deutscher Prähistoriker, entwickelte die sogenannte „Bautrupptheorie“, um die Errichtung der Großsteinbauten der Megalithkulturen zu erklären. Nach dieser Theorie arbeiteten spezialisierte Gruppen, sogenannte Bautrupps, die aus erfahrenen Handwerkern, Steinmetzen und Hilfskräften bestanden, gezielt an der Planung und Errichtung von Megalithanlagen. Man mit Standardmaßen! Schuldt argumentierte, dass solche Gruppen nicht nur über technisches Know-how verfügten, sondern auch organisiert waren, um Arbeitskraft, Ressourcen und Logistik effizient zu bündeln. Diese Theorie widerspricht der Vorstellung, dass Megalithbauten ausschließlich in gemeinschaftlicher, unorganisierter Arbeit lokaler Dorfgemeinschaften entstanden. Vielmehr deutet sie auf überregionale Netzwerke und eine hierarchische Organisation innerhalb der jungsteinzeitlichen Gesellschaft hin – kurz gesagt auf staatliche und gewisserart auch auf „rechtsstaatliche“ Strukturen. Des Weiteren erklärt die Hypothese den verzahnten kultureller Austausch über große Entfernungen: Die Wanderungen dieser Bautrupps könnte also den Austausch von Wissen, Techniken, und kulturellen Praktiken erklären.
WILLIG, Hans-Peter; Nordische Megalitharchitektur (und Bautrupptheorie); evolution-mensch.de

[3] Im Kapitel „Die Pythagoräer als die Erben der Atlantis-Religion“ (Seite 298 ff) geht TRIBUTSCH darauf ein, dass der Grieche Pythagoras wenigstens zweimal in Gallien Druiden aufsuchte um bei ihnen zu studieren und selbst Clemens von Alexandria, der frühchristliche Philosoph und Theologe, bestätigt, „dass Pythagoras seine Lehre von den Druiden übernommen haben soll“ (Seite 299). Wiederum von den Druiden nimmt TRIBUTSCH an, dass sie in ihren Lehren einen Teil der megalithischen Denkart bewahrt haben könnten, wobei einen überkommender Teil auch die bewusst schriftlose Kultur gewesen sein mag. Wiederum ergibt sich daraus die Notwendigkeit (so meine ich), dass in einer solche hohen Kulturstufe, wie es die europäischen Megalithiker waren – mit dem Verzicht auf schriftliche Dokumentationen – derartige „Zünfte“ (Bautrupps, Priester, Seefahrer usw.) ihr Wissen und Können als Einweihungswissen weitergegeben haben müssen. Diese Gedankenkette führt uns am Ende natürlich zu dem Schluss, dass auch die heutige Freimaurerei – sie steht hier stellvertretend für ähnliche Verbindungen – ein Relikt der schriftlosen Zeit sein könnte, in der Wissen ausschließlich durch mündliche Überlieferung, symbolische Rituale und initiatische Weitergabe innerhalb geschlossener Gemeinschaften bewahrt wurde. Damit erscheint selbst die Freimaurerei in ihrer Struktur als ein möglicher Nachhall jener uralten Traditionen, die einst die Megalithiker pflegten.

  • https://www.scinexx.de/news/geowissen/megalith-kultur-von-steinzeit-seefahrern-verbreitet/
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Tributsch
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Ewald_Schuldt
  • https://atlantisforschung.de/

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