Typischer Riesenwuchs: Der Riesen-Kürbis Cucurbita maxima in seinen verschiedensten Sorten.
Vorbemerkung
◾ Ich habe es mir hier auf diesem Internet-Blog zur Aufgabe gemacht, ganz bestimmte nützliche Wissensgebiete näher zu beleuchten, die mir in unserer heutigen Zeit ziemlich vernachlässigt scheinen. Vordergründig betrifft dies die Grundlagen der Allgemeinbildung über Gartenbau, Eigenversorgung und Kulturgeschichte. Eine der merkwürdigsten Feststellungen, die ich dabei machen konnte, ist, dass mir kaum einer unserer Zeitgenossen erklären kann, wie denn – etwas genauer erklärt – unsere Kulturpflanzen entstanden sind [1]. Dabei möchte ich aber auch gleich vorweg bemerken, dass es nicht so gewesen ist, dass einfach immer nur die größten und schönsten Exemplare einer Wildpflanze ausgelesen wurden, die durch Mutation die eine oder andere Veränderung aufwies. Auch die nötigen langen Zeitspannen, die es für rein auf Mutation basierenden Veränderungen bräuchte, erklärt die Sache nicht [2]. Zwar wurden die meisten der heute genutzten Kulturpflanzen bereits in der Steinzeit entwickelt (also vor langer Zeit) doch waren sie vom Grunde her in der Steinzeit dann auch schon fertige Kulturpflanzen. Bis heute wird vorhandenes lediglich optimiert.
erklärt diesen Vorgang zu wenig [2].
Die Kulturpflanze fand den Menschen…
Interessant finde ich in diesen Zusammenhängen den Gedanken des hier auf diesem Blog bereits mehrfach erwähnten deutschen Forschers und Wissenschaftlers Prof. Dr. Emil Werth (1869–1958) [3]. Dieser erwähnte in seinen Publikationen mehr beiläufig seine merkwürdige Vermutung, dass es im Ursprung nicht so war, dass der Mensch Haustier und Kulturpflanze fand, sondern umgekehrt. So suchte z.B. Hund, Ziege oder Huhn, im Ursprung die Nähe des Menschen und auf ähnliche Art und Weise fand auch die eine oder andere Pflanze für sich zuerst den Vorteil in menschlicher Nähe zu gedeihen. Mir ist klar, dass ich diese hochinteressante These der Kulturpflanzen-Entstehung hier dem Leser noch differenzierter darlegen muss. Allerdings komme ich nicht umhin für spätere Erklärungen, prinzipiell erst einmal einen wichtigen Fachbegriff in den Vordergrund zu stellen. Das ist der sogenannte „Gigaswuchs“ – also der Riesenwuchs, bzw. die Riesenwüchsigkeit von Pflanzen, die ich hier etwas ausführlicher definieren möchte.
Die weiteren Ausführungen zur besagten Hypothese und Story der Kulturpflanzen-Entstehung muss ich auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Der Begriff „Gigaswuchs“ bezieht sich im Kontext der Entstehung von Kulturpflanzen auf die auffällige Vergrößerung von Pflanzenorganen, die im Prozess der Domestikation im Vergleich zu ihren wilden Vorfahren beobachtet wird. Dabei ist zu bemerken, dass der Gigaswuchs nicht immer direkt auf genetische Mutationen zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf verschiedene Mechanismen, die dabei zusammenwirken.
Gigaswuchs als Phänomen im Prozess der Domestikation
Umweltfaktoren und Selektion
Der Gigaswuchs kann durch günstige Umweltbedingungen und selektive Auslese gefördert werden. Im einfachsten Falle fanden sich nährstoff-liebende Pflanzen auf entsprechend nährstoffreichen Standorten ein: auf Abfallplätzen menschlicher Siedlungen [4]. Auf diesem unnatürlichen Platz setzt dann für eine gewisse Zeit der gewohnte Daseinskampf dieser Pflanzen aus, die sie in üblicher Umgebung gewohnt sind. Bereits das kann verschiedenste Veränderungen im Wuchsverhalten verursachen (Epigenese) kann. Menschen wählen dann für ihre Zwecke Pflanzen zur Weiterkultur aus, welche größere und robustere Merkmale aufweisen. Das konnten sie tun, da sie die Pflanzen konzentriert auf einen “kultivierten” Standort im Wuchsverhalten vergleichen konnten, was auf frei verteilten Natur-Standorten um vieles schwieriger ist.
Epigenetische Veränderungen
Die plötzliche Veränderung der Pflanzen auf kultivierten Grund kann eine sogenannte Epigenese als Ursache haben. Epigenetische Mechanismen beeinflussen die Genexpression ohne Veränderungen der DNA-Sequenz selbst. Veränderungen in der Methylierung von DNA oder Modifikationen von Histonen können das Wachstum und die Größe von Pflanzenorganen beeinflussen.
Heterosis
Der Heterosis-Effekt , tritt auf, wenn Nachkommen von zwei unterschiedlichen, aber verwandten Elternlinien eine überlegene Größe, Vitalität oder Produktivität zeigen. Diese Hybride sind oft größer und widerstandsfähiger als ihre Eltern. Hybriden treten in der Natur auf und sie traten in der Kulturpflanzenentstehung dort gehäuft auf, wo Menschen Pflanzen (mit engen Verwandtschaften) aus voneinander entfernten Regionen auf einem Standort zusammenbrachten.
Polyploidie
Polyploidie ist der Zustand, bei dem eine Pflanze mehr als zwei vollständige Sätze von Chromosomen besitzt. Polyploide Pflanzen sind oft größer und haben größere Zellen als ihre diploiden Vorfahren, was wiederum zu einem Gigaswuchs führen kann. Polyploidie tritt gehäuft bei Planzenhybriden auf und führt auch zum Heterosis-Effekt.
Gigaswuchs als Vorstufe genetischer Veränderungen
Während der Gigaswuchs selbst nicht immer auf genetischen Mutationen beruht, kann er als eine Art Vorstufe zu solchen Veränderungen betrachtet werden. Durch kontinuierliche Selektion auf größere Pflanzen werden Merkmale, die zum Gigaswuchs beitragen, fixiert und können schließlich zu stabilen genetischen Veränderungen führen. Diese Fixierung erfolgt oft über:
Kumulative Selektion: Durch wiederholte Auswahl und Züchtung von Pflanzen mit den gewünschten Merkmalen werden diese Merkmale in der Population verankert.
Genetische Rekombination: Während der sexuellen Fortpflanzung können vorteilhafte Gene kombiniert und neue Varianten erzeugt werden, die den Gigaswuchs weiter fördern.
Mutation: Obwohl der Gigaswuchs nicht direkt durch Mutationen verursacht wird, können im Laufe der Zeit Mutationen auftreten, die die Merkmale des Gigaswuchses stabilisieren und weiter verstärken.
Quellen und weitere Bemerkungen
[1] Ich glaube, dass allein der äußerst magere Eintag auf Wikipedia zum Thema „Kulturpflanze“ vom 25. Juni 2024 meine Behauptung ein wenig bestätigt:
https://web.archive.org/web/20240625013644/https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturpflanze
[2] Beispielsweise halte ich Aussagen für unpräzise, wie: „Die Entstehung der Kulturpflanzen ist das Werk der Pflanzenzüchtung. Diese aber setzte mit dem Augenblick ein, in dem der Mensch mit dem planmäßigen Anbau von Wildpflanzen begann. Die Pflanzenzüchtung ist also ebenso alt wie der Ackerbau.“ SCHWANITZ; [5] Seite 120
Wenn ich sage, dass ich solche eine Aussage für unpräzise halte, dann in der Form, dass es der Autor eigentlich gar nicht so meint, aber der Laie so versteht. Ich vermute, der Mensch hat im Ursprung nie echte „Wildpflanzen“ planmäßig angebaut, sondern schon deren bereits leicht veränderte Formen, die sich bereits in wenigen Generationen auf kultiviertem Land verändern. In diesem Falle kann man sich natürlich darüber streiten, was nun zuerst da war. Die Henne oder das Ei.
[3] WERTH, Prof. Dr. Emil; Grabstock Hacke und Pflug; Ludwigsburg 1954
[4] Wenig publiziert und erforscht (?) ist die Veränderung von Pflanzen durch die menschliche pyrogene Landnutzung; also die Branntbewirtschaftung von Weideflächen für Wildtiere durch den Menschen. Wenn sie nachweisbar ist, dann würde das die Entstehung von Kulturpflanzen zeitliche weiter zurück versetzen, als zur Zeit angenommen.
[5] SCHWANITZ, Prof. Dr. Franz; Die Entstehung der Kulturpflanzen; Berlin, Göttingen, Heidelberg 1957; Seite 109