Bild oben: Uralte Edelkastanie auf Korsika bei Zicavo. ©André de Saint-Paul, CC BY-SA 3.0.
Zuerst etwas über Waldgärten
🌳 Publikationen über sogenannte Waldgärten stehen heutzutage hoch im Kurs und sicher ist uns interessierten Lesern dieser Begriff schon einmal über den Weg gelaufen.
Schnell-Information: Wie funktionieren sie?
Mit der Skizze ist die Idee des Waldgartens sicher am schnellsten erklärt. Bei solchen Projekten handelt es sich um künstlich geschaffene Ökosysteme, welche die Struktur und Vielfalt eines natürlicher Wälder nachahmen.
Solch ein Wald besteht hypothetisch aus verschiedenen Schichten von Pflanzen, die sich gegenseitig unterstützen und voneinander profitieren sollen. Die oberste Schicht (1) bildet die Baumschicht mit hochwachsenden Bäumen wie Nussbäume und in zweiter Stufe (2) kleineren Exemplaren, wie Kirschpflaumen. Darunter befinden sich die Strauchschicht (3) und die Krautschicht mit verschiedenen Gemüse-, Kräuter- und Blumenarten (4). Die Bodenschicht besteht aus Wurzelgemüse(5)und Bodendeckerpflanzen (6) und zu guter Letzt gibt es noch lianenartige Nutzpflanzen (7).
Mein alternatives Konzept in Kurzform präsentiert
Auf dieses Konzept bin ich schon recht ausführlich im verlinkten Artikel auf derkleinegarten.de (08.02.2021) eingegangen, und das eher kritisch, obwohl die Idee an sich nicht völlig zu verwerfen ist. Bei mir gibt es beispielsweise ein kleines “Waldgarten-Areal”, was mit Walnüssen (Juglans regia), Haselnüssen (Corylus avellana in Edelsorten) und Edelkastanien (Castanea sativa) bestückt ist und sonst vorzugsweise mit Robinen (Robinia pseudoacacia) und wilden Haselbüschen bepflanzt. Letzter dienen der Gewinnung von Kaminholz, Holzpflöcken und -stangen; im Ganzen also Schalenobst und nachwachsende Rohstoffe. Unter diesen Bäumen, also im Schatten der Kronen und des Geästs, weidet regelmäßig eine Hühnerherde. Robinen u Edelkastanien gelten als wertvolle Bienenweide zur Zeit ihrer Blüte. Den Honig davon ernten wir ebenfalls selber. Sehr viel mehr ist über einen effizienten Waldgarten in unseren Breiten, als einem in sich schlüssiges Konzept, nicht zu sagen.
Hier in diesem Artikel möchte ich jedoch einmal auf ein ähnliches Konzept der Waldnutzung hinweisen, nur dass es um vieles, vieles größer ist. Ich meine damit die Kastanienwälder auf der französischen Insel Korsika im Mittelmeer.
Die außergewöhnlichen Kastanienwälder der Korsen
Ein schönes Beispiel für eine Art “essbaren Wald” oder “essbaren Park” sind die Esskastanienwälder auf Korsika, die wir durchaus auch als echte Fruchtbaumwälder bezeichnen können, ein Begriff, welcher oft im Zusammenhang mit Permakultur und Waldgarten zu lesen ist. Die Nutzung dieser Wälder ist universal und deren “Früchte” sind Teil eines einzigarteigen, regionalen Vermarktungskonzeptes der Inselbewohner. Auch davon können wir lernen.
Bäume, Schweine, Schinken, Salami und Honig
Die besagten Wälder bestehen vorwiegend aus Esskastanien (Castanea sativa) aber auch aus Eichen, Buchen, Ahorn und Ulmen und sind weitgehend künstlicher Natur, also überwiegend durch die Mitwirkung der Inselbewohner entstanden. In diesen “Essbaren Landschaften” leben noch heute halbwilde Hausschweine völlig frei, sind aber doch Nutztiere. Die kleinwüchsigen Schweine (Porcu Nustrale) verbringen das ganze Jahr über in den Wäldern und fressen hauptsächlich Esskastanien, aber auch andere Waldfrüchte sowie Wurzeln und Kräuter.
Die Tiere liefern ein Fleisch, das sich einzigartig auszeichnet, und zwar in Textur und Geschmack. Es wird unter anderem zu delikatem Rohschinken (Prisuttu) verarbeitet. Eine weitere Spezialität der Region ist auch eine Salami (Figatellu di Corsica), die aus Leber und Schweinefleisch hergestellt wird, und die ihren besonderen Geschmack nur durch die besondere Haltungsform der Schweine erhält, sowie Coppa, eine Salami, die lange Zeit abhängen muss, und ihre einzigartiges Aroma dem Fleisch dieser Waldschweine verdankt. Traditionell wird dazu Pulenda [3] gegessen, ein traditionelles Fladenbrot, welches aus dem Mehl der Esskastanie gebacken wird. Und somit schließt sich auch hier wieder der Kreis der Waldwirtschaft, indem zum Backen die Früchte des Waldes Verwendung finden.
Die Kastanienbäume werden von den Korsen aber nicht nur allein ihrer Früchte wegen, als hochwertiges Nahrungsmittel für Mensch und Tier, genutzt, sie liefern auch den Blütennektar für den berühmten korsischen Kastanienhonig (Miele di castagna). [2]
Edelholz, Weinfässer und Wein
Und neben all den Produkten für die Küche liefert die Esskastanie auch noch ein sehr wertvolles Edelholz. Ihr Holz ist hart, langlebig und hat eine schöne Farbe und Textur, die sich gut für die Herstellung von Möbeln, Fußböden und Holzverkleidungen eignet. Edelkastanienholz wird auch für den Bau von Fässern verwendet, da es eine natürliche Beständigkeit gegen Fäulnis hat. Es versteht sich ganz von selbst, dass diese Fässer für die Lagerung des korsischen Weins benutzt werden und einen besonderen Einfluss auf seinen Geschmack und sein Aroma. Denn im Vergleich zu Eiche oder anderen Hölzern gibt Kastanienholz weniger Tannine ab, was in der Weinproduktion dazu führt, dass der Wein eine weichere und mildere Note bekommt.
Korsischer Whisky
Last but not least spinnt sich der Faden bis hin zum Whisky, denn es gibt weltweit (und auch in Frankreich) Brennereien, die gelegentlich Fässer aus Kastanienholz verwenden, um ihrem Whisky diese ganz spezielle Geschmacksnote zu verleihen.
Mit all diesem Wissen kann man nur staunen, wie ein vermeintlich einfacher Wald zu einem ausgereiften und effizienten Konzept führen kann. Die korsischen Kastanienwälder sollen Beispiel und Anregung zugleich sein und sind mir Impuls, das Projekt Waldgarten nicht mehr als Spielerei anzusehen, sondern als echte Chance, mit Baumpflanzungen unseren Möglichkeiten der teilweisen Selbstversorgung und Autarkie zu erweitern.
Schafe, Ziegen und Jäger
Übrigens leben in den Bergen und auf den Wiesen und Heiden Korsikas auch halbwilde Schafe (Mouflons) und Ziegen (Corses), die sich von den Kräutern, Gräsern und anderen Pflanzen der Insel ernähren. Sie zählen zu den bekanntesten Tierarten der Region.
Bleibt am Ende noch zu erwähnen, dass diese äußerst rentable Art der Fruchtwald-Wirtschaft nur aufgeht, weil dort auch ein besonderes Jagdrecht besteht, welches gemeinschaftlich von den Bewohnern der einzelnen Dörfer und Gemeinden ausgeübt wird … und erst dann wird ja aus dem halbwilden Schwein, Schaf und Ziege die Salami und der Schinken.
Fazit. Was lernen wir von alldem?
So viel Nutzen! So viel Gewinn, wenn eine ausgereifte Idee umgesetzt wird! Es ist die ausgeklügelte Kombination von Forstwirtschaft, Fruchtwald, Tierhaltung und nicht zuletzt die maximale Schonung der Natur, welche das oben beschriebene Ökosystem auszeichnet. Würde nur ein einziges, unwichtig scheinendes Detail gespart oder unüberlegt etwas Unnützes hinzugefügt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Konzept in der Gänze nicht mehr aufgeht. Das sollten wir immer im Hinterkopf behalten.
Quellen Erläuterungen
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Permakultur#Waldgarten
[2] https://web.archive.org/web/20240223212619/
thtps://20240223212619/www.france.fr/de/korsika/artikel/spezialitaeten-aus-korsika
[3] Nicht zu verwechseln mit der aus Maisgrieß und Brühe gekochten, norditalienischen Polenta.