Die übertriebene Ablehnung von Halloween
🎃 Nun möchte ich doch noch ein paar kurze Notizen zum Halloween-Spektakel hier in Deutschland festhalten, da es inzwischen einen festen Platz in unserer jüngeren Kulturgeschichte eingenommen hat. Der Anstoß dazu war wohl der, dass ich in diesem Jahr das erste Mal hier bei uns in Sachsen recht häufig eine entsprechende Vorgarten-Dekoration bemerken konnte, wobei man hierzulande bisher gar nicht so Halloween-„Begeistert“ war, wie anderswo.
In diesem Zusammenhang interessiert mich aber auch ein wenig die spirituelle Bewertung von Helloween aus kirchlichen Kreisen sowohl aus kulturgeschichtlicher als auch psychologischer Sicht. Hier ist das auslösende Moment für meine zeitgeschichtlichen Notizen, dass ich (wie jedes Jahr) auf etliche Protagonisten gestoßen bin, welche gern die Halloween-Nacht als „Festtag des Teufels“ geißeln.
Und es folgt eine Bemerkung zu kognitiver Dissonanz…
Nun bin ich zwar selber kein besonderer Freund von Halloween (gestern schrieb ich einen Blog-Artikel dazu), doch wundert mich immer wieder wie von einigen evangelischen christlichen Kreisen heraus das Feieren von Halloween auf das schärfste als satanisch gebrandmarkt wird. Andererseits scheint es aber akzeptabel zu sein – und da bleiben wir einmal in den Kreisen der evangelischen Kirchen – dass zum Beispiel Annette Kurschus, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im April 2022 die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine (Ukrainekrieg) „begrüßte“. Ich bitte schon jetzt den Leser die kausale Kette selber bis zum Schluss durchzudeklinieren die ich hier meinen könnte.
Doch kommen wir zur Geschichte von Halloween in Deutschland, dessen auslösendes Moment ein anderer Krieg war: Der zweite Golfkrieg.
Geschichte Halloween in Deutschland
In den 1980er Jahren waren Halloween-Partys in Bars und Diskotheken in Deutschland noch selten und bei weitem nicht so verbreitet wie heute. Halloween war damals überwiegend ein amerikanisches Phänomen, und das Bewusstsein dafür in Deutschland war begrenzt. Es gab jedoch vereinzelt Partys, meist in US-amerikanischen Kreisen, wie bei Militärstützpunkten oder in internationalen Communities, die den Brauch mitbrachten. Erst in den 1990er Jahren begann Halloween, insbesondere durch kommerzielle und kulturelle Einflüsse, eine breitere Akzeptanz zu finden und wurde zunehmend als Party-Thema in Diskotheken und Bars etabliert.
Wenn wir der National-Geographic-Autorin Lisa Lamm Glauben schenken [1], dann war ein treibender Auslöser für die Halloween-Begeisterung in Deutschland ein rein kommerzieller. Sie schreibt hierzu den bemerkenswerten Satz:
„Dabei sind die Ursprünge des Festes hierzulande noch viel kommerzieller als in den USA. Verantwortlich dafür ist die Spielwaren- und Eventbranche, die im Jahr 1991 erhebliche finanzielle Einbußen durch den Ausfall der Karnevalssaison aufgrund des Zweiten Golfkriegs [2] verzeichnen musste. Also musste ein Ersatz für das Fest her.“
In den Folgejahren stiegen die Umsätze in den Bereichen Kostüme, Dekoration und Süßigkeiten signifikant an. Unternehmen und Einzelhändler, insbesondere aus der Spielwaren- und Süßwarenbranche, nutzten das Fest, um Produkte gezielt zu bewerben und Saisonartikel zu vermarkten.
Träger dieser Entwicklung waren diesmal aber nicht Bars und Diskotheken und ergleichen, sondern Kindergärten und Schulen in denen Halloween seit den 2000er Jahren zum üblichen Kulturprogramm wurde, beziehungsweise gemacht wurde. Auf welche Art und Weise wäre für Kulturhistoriker sicher interessant noch festzustellen..
Halloween entwickelte sich so zu einem kommerziellen Ereignis, das mittlerweile auch durch Veranstaltungen wie Halloween-Umzüge und thematische Attraktionen in Freizeitparks verstärkt wird. Schauen wir also, wie es sich weiter entwickelt … jedenfalls gab es in diesem Jahr (2024) wiederum einen kräftigen Schub und zwar durch die bereits erwähnte Vorgartendekoration der Häusler, die uns ab jetzt vermutlich jedes Jahr begeistern wird…
Halloween, das Fest der Satanisten?
Nun hat mein Artikel durch den ersten Teil beinahe schon Überlänge. So werde ich es nur nur noch als kurze Notiz behandeln. Doch ist mir dies oben erwähnte Beobachtung wichtig zu erwähnen, da sie später einmal von dem einen oder anderen Kulturhistoriker aufgegriffen sein mag.
Bemerkenswert und bekannt ist, dass gleichzeitig mit der Etablierung des Gruselfests aus christlichen Kirchen und Kreisen (meist katholische und evangelikale Glaubensrichtungen) heraus scharfe Kritik an Halloween geäußert wird. Betitelt wird es dann als: „Satans liebstes Fest“; „Das höchste Fest der Finsternis“; „Teuflisches Halloween“ usw.
Über Halloween wird laut geschimpft – tote Soldaten bleiben am Rande liegen
Ich meine nur … das mit diesen Finstermächten mag ja stimmen. Aber wenn auf der Welt irgendwo Horror, Angst und Schrecken im Echtzeitwirken ist – also im Krieg – dann wird geflissentlich geschwiegen. Ich meine damit nicht etwa als Beispiel den fehlenden Protest von Christen gegen den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Das taten immerhin 400 evangelikale Pastoren in Russland (was bemerkenswert ist [3]). Dieser Protest sollte laut stattfinden!
Aber die Akzeptanz und die stillschweigende Zustimmung, dass auch aus hohen kirchlichen Kreisen heraus schon Anfang 2022 die Lieferung von Schweren Waffen in ein Krisengebiet (Russland-Ukraine-Krieg) „begrüßt“ wurde [4]. Das halte ich für eine unvorstellbar große kognitive Dissonanz [5] all dieser der Anti-Satanisten-Prediger.
Hätte man damals (April 2022) mit Unterstützung von Kirchen und Christen geschafft, die Konfliktparteien zu erfolgreichen Verhandlungen zu bewegen (Ukraine und Russland hatten ab Mitte April 2022 bereits erste Verhandlungen begonnen [6]) so hätte es hunderttausende von blutjungen Ukrainerinnen und Ukrainern und (in Uniform) das Leben gerettet. Ihr Leid ist jetzt schon vergessen. Als Christ und Pazifist kann ich da nur feststellen … was für ein Horror… 🎃
Quellen und weitere Hinweise
[1] LAMM, Lisa; Trick or Treat: Wie Halloween nach Deutschland kam / Süßes, sonst gibt’s Saures: Auch hierzulande ziehen Kinder am 31. Oktober verkleidet durch die Nachbarschaft und sammeln Süßigkeiten. Wie kam der Brauch nach Deutschland? Und was hat das unser Halloween mit Karneval zu tun?; National Geographic [The Walt Disney Company (Germany) GmbH]; 27.11.2023
[2] Der Zweite Golfkrieg begann am 2. August 1990 mit der Invasion Kuwaits durch den Irak unter Saddam Hussein, der Kuwait annektieren wollte. Der Krieg endete am 28. Februar 1991 mit einem Waffenstillstand, hinterließ jedoch anhaltende Spannungen und legte den Grundstein für zukünftige Konflikte in der Region.
Angesichts der laufenden Kampfhandlungen und der politischen Spannungen, entschieden im Jahr 1991 viele Städte und Karnevalsvereine, die großen Umzüge und öffentlichen Feiern abzusagen oder stark zu reduzieren. Besonders der Rosenmontagszug wurde vielerorts gestrichen, darunter in traditionellen Hochburgen wie Köln und Düsseldorf. Stattdessen fanden oft kleinere, stillere Gedenkveranstaltungen statt, um Solidarität und Respekt gegenüber den Opfern des Konflikts zu zeigen.
[3] SCHUMACHER, Jörn; Protest gegen Putin / 400 evangelikale Pastoren in Russland verurteilen Ukraine-Krieg / Mehr als 400 evangelikale Leiter in Russland haben sich in einem offenen Brief gegen die Kriegshandlungen in der Ukraine ausgesprochen. Ein amerikanischer Journalist bemerkte anerkennend, dass diese Menschen Strafe durch die russische Regierung fürchten müssen.; PRO Das christliche Magazin; 9.3.2022
[4] CLEVEN, Thoralf; Die Glaubensfrage: [EKD-Vorsitzende Annette] Kurschus begrüßt Waffenlieferungen an Ukraine; RedaktionsNetzwerkes Deutschland; 27.04.2022
Oder auch: Pfarrerverband für Waffenlieferungen an Ukraine; DER SONNTAG – Wochenzeitung für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens; 26.9.2022
Oder auch: EKD-Synodenpräses [Anna-Nicole] Heinrich / Waffenlieferungen in die Ukraine sind gerechtfertigt; Deutschlandfunk Interview; 17.4.2022
Hier finden wir auch die Stellungnahme von der Präses der EKD-Synode Anna-Nicole Heinrich zu den sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen; Blick auf die Corona-Pandemie und zum Klimawandel.
[5] Der Begriff „kognitive Dissonanz“ wurde vom Psychologen Leon Festinger in den 1950er Jahren geprägt und beschreibt das unangenehme Gefühl, das entsteht, wenn eine Person widersprüchliche Überzeugungen, Werte oder Handlungen wahrnimmt. Um diese innere Spannung zu reduzieren, tendieren Menschen dazu, ihre Einstellungen oder Verhaltensweisen anzupassen, die Wichtigkeit der Dissonanz zu minimieren oder neue Überzeugungen zu entwickeln, die die Dissonanz rechtfertigen. Kognitive Dissonanz ist ein zentraler Mechanismus in der Sozialpsychologie und hilft zu erklären, wie Menschen mit Konflikten zwischen Denken und Handeln umgehen.
[6] NEUBER, Harald; Geheimer Friedensvertrag hätte Ukraine-Krieg nach wenigen Wochen beenden können; telepolis.de (heise online); 27. April 2024
[7] SCHWARZ, Franziska; Orbán: Ukraine-Krieg ist verloren, Von der Leyen als Kriegstreiberin; Puls 24 (ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH); 31. Okt. 2024
Weitere Quellen
Pogromstimmung in Amsterdam: Mob macht Jagd auf Juden – Israel evakuiert Bürger