Bild oben: Symbolbild. [alle Beiträge zum Thema Rente und Vorsorge]
Arbeitstitel: Stand der Dinge bei den gepanten Rentenreformen der Riester- und Rürup-Rente usw.
Kurzer Rückblick
Es wird sicher Zeit, dass ich mich mal wieder mit dem Renten-Thema beschäftige, einfach um zu sehen, was seit meiner Ausarbeitung im Mai 2023 (Rentensystem-Vergleich USA/BRD – vererbbare Privatrente in den USA) [1] so alles passiert ist. Damals hatte ich mich mit diesen Dingen befasst, weil ich bemerkte, dass die allgemeine Vorstellung über die Sozialsysteme der USA, insbesondere in Bezug auf staatliche und private Renten, bei uns weitgehend missverstanden ist. Ich habe also nichts weiter getan, als recherchiert und die Realität betrachtet, ohne auf diese gedanklich falschen Prägungen zurückzugreifen. Am Ende war ich dann doch ein wenig irritiert darüber, wie primitiv hingegen die Konzepte der Riester- und Rürup-Rente hier in Deutschland waren (und immer noch sind). Man braucht nur den SPIEGEL-Artikel von Anne Seith vom 3. Dezember 2020 zu lesen: „Anbieter kassieren bis zu 38 Prozent des eingezahlten Geldes“ … um zu verstehen, warum ich hier das Adjektiv primitiv verwendete.
Am Ende war ich dann aber doch noch positiv überrascht, weil es in der Bundesregierung Bestrebungen gab, die Riester- und Rürup-Rente zu reformieren.
Neulich dachte ich, dass ich nun endlich einmal nachschauen sollte, was sich in der Zwischenzeit in diesen Bereichen getan hat. Ein erster Schritt wurde tatsächlich unternommen, zunächst aber, um die gesetzliche Rente zu stabilisieren. So brachten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) 2024 das Rentenpaket II auf den Weg.
Aktuelles zum Thema Rentenpolitik
Das Rentenpaket II (2024)
So stellt das Rentenpaket II der Bundesregierung, beschlossen am 29. Mai 2024, einen umfassenden Ansatz zur langfristigen Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Kernbestandteile dieser Reform sind die Garantie des Rentenniveaus bei 48% bis 2039 und die Einführung des sogenannten Generationenkapitals. Letzteres sieht vor, dass jährlich 12 Milliarden Euro aus Bundesmitteln (durch Staatskredite!!!) in einen Fonds investiert werden, der bis 2045 ein Kapital von 200 Milliarden Euro erreichen soll. Diese Investitionen sollen hauptsächlich in internationale Aktien fließen, um durch die daraus erzielten Renditen die Rentenbeiträge zu stabilisieren und die Belastung durch steigende Beiträge zu verringern. Das Rentenpaket II steht derzeit im gesetzgebenden Verfahren, während zur Zeit grade vorgezogene Neuwahlen anstehen.
Immerhin: Ich halte dieses kreditfinanzierte Generationenkapital in der aktuellen Niedrigzinsphase für eine interessante und sportliche Idee. Mal sehen, ob man den Deutschen so etwas gestatten wird.
Das Altersvorsorgedepot
Des Weiteren wurde dem Bundestag am 4. Dezember 2024 ein 113-seitiger Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Riester- und Rürup-Rente ergänzen soll. Der vollständige Titel lautet: „Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge“ (pAV-Reformgesetz). Allerdings vermute ich, dass mit den Neuwahlen dieses Konzept hinfällig werden wird.
Ein zentraler Punkt der geplanten Ergänzung ist das Altersvorsorgedepot, bei dem Rentensparer die Möglichkeit haben, eigenverantwortlich und steuerbegünstigt in verschiedene Wertpapiere wie Aktien und ETFs zu investieren. Es soll Verträge geben, bei denen die eingezahlten Beiträge zu 100, beziehungsweise 80 Prozent garantiert werden, aber auch Optionen ohne Garantien. Die Auszahlungen aus diesem Altersvorsorgedepot unterliegen dann nicht der pauschalen Kapitalertragssteuer (derzeit 20%), sondern der Einkommensteuer des Rentners.

Mein Kommentar zur derzeit angedachten Rentenpolitik
Ich möchte nicht weiter auf diesen Entwurf eingehen, da er zwar zeigt, wie man es besser machen könnte, im Vergleich zu den „zu Ende entwickelten“ Äquivalenten in den USA (wie dem 401(k)-Plan) jedoch kaum wesentliche Verbesserungen oder Vereinfachungen bietet. Zudem bleiben die herkömmlichen Riester- und Rürup-Rentner offensichtlich weiterhin benachteiligt.
Bei allen diesen Reformen kommt es oft nur auf winzige Details an, die alles wie geschmiert laufen lassen oder Sand im Getriebe sein können – da wird mir sicherlich niemand widersprechen. Wenn diese diffizilen Regelungen nun aber grobschlächtig von den USA übernommen werden, ohne die tieferen Zusammenhänge zu verstehen, bringt das wenig. Das Gegenteil von gut ist halt gut gemeint. Staatliche Rente, betriebliche Rente, private Rente und Krankenversicherung müssen nämlich als ein Ganzes und aus makroökonomischer Sicht betrachtet werden. Das Gegenteil finden wir hier allzu oft in Deutschland, wo die Entwürfe immer wieder auf kleinkariertem Papier notiert sind. An einem Beispiel möchte ich das aufzeigen.
Noch mal ein Blick in die USA
Grob vereinfacht sieht es folgendermaßen aus, wenn wir uns etwa die Rentenvorsorge und Krankenversicherung in den USA vornehmen, die dort aus einem Stück Holz geschnitzt wurden: Dort ist die staatliche Krankenversicherung nämlich aufs engste mit dem Rentensystem verwoben (bei uns hingegen eher konterproduktiv). Sie ist dort so konstruiert, dass sie – die staatliche Krankenkasse – die günstigen privaten Krankenversicherungen, die vorzugsweise im Berufsleben genutzt werden, entlastet. Das funktioniert, weil für die Ruheständler eine staatliche Pflichtversicherung mit Minimalbeiträgen existiert.
In meinem Arbeitspapier [1] schrieb ich hierzu: „Das Social Security ist das grundlegende staatliche Rentensystem der USA. Es ist ein Versicherungsprogramm, das Rentenleistungen für Menschen im Ruhestand, behinderte Personen und Hinterbliebene bereitstellt. Es basiert allein auf dem Umlageverfahren. […] Es sichert die Gesundheitsvorsorge der Menschen ab dem 65. Lebensjahr ab. Gibt es für die Beiträge zur obligatorischen Rentenversicherung eine Obergrenze der Beitragsbemessung, so nicht für den Medicare-Beitrag, welcher derzeit deshalb auch nur bei 2,9 Prozent liegt.“ [2] Und: Der Beitrag zu Medicare ist ab dem 65. Lebensjahr für alle verpflichtend. Das heißt:
In den USA kann ein Selbständiger, Arbeiter oder Angestellter während seiner beruflichen Lebensphase in eine kostengünstige private Krankenversicherung eintreten. Die dadurch eingesparten enormen Geldbeträge [3] kann der Amerikaner dann für eine günstige private Altersvorsorge nutzen, die zudem noch um vieles besser organisiert ist als hier bei uns. Egal, wie man es in Deutschland derzeit versucht, die private Rentenvorsorge zu fördern, es wird nicht die Masse der Sparer erreichen können, weil diese im Vergleich zu berufstätigen US-Amerikanern am Monatsende einfach weniger Geld in der Tasche haben.
Oder wir schauen in die Schweiz…
Grundsätzlich: Mit meinen bisherigen Recherchen zur Rentenproblematik und dem positiven Beispiel aus den USA, möchte ich den Fokus nicht ausschließlich auf die USA richten. Wie ich zu Beginn erwähnte, ging es mir nur darum zu zeigen, dass man sich bisher kaum die Mühe gemacht hat, andere Rentenkonzepte einmal völlig vorurteilsfrei und unbefangen zu betrachten. Theoretisch könnten wir das Problem in Deutschland auch ganz anders lösen, als in den USA. Für spannende Beispiele müssen wir nicht besonders weit fort gehen – schauen wir doch nur einmal in die Schweiz.
Dort gibt es ein staatliches Rentensystem, das gleichermaßen simpel und genial ist. Bei uns allerdings irgendwie kaum bekannt: Wir finden in der Schweiz ein hundertprozentig steuer-finanziertes, staatliches Rentensystem! [es ist „faktisch Steuerfinanziert“] [2] [4]
Ganz grob vereinfacht gesagt, zahlt dort jeder Bürger knapp neun Prozent seines jährlichen Einkommens aus Arbeit und Vermögen (Altersrente ausgenommen) ohne Obergrenze [5] in die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV) ein. Arbeitnehmer profitieren von einer 50/50-Aufteilung mit ihrem Arbeitgeber. Und auch hier profitieren viele Menschen in ihrer Erwerbsphase davon, dass sie am Monatsende reichlich Geld zur Verfügung haben, welches sie beispielsweise für eine ergänzende private Vorsorge verwenden können. Noch mal: Sie haben es zur Verfügung, weil der durchschnittliche Verdiener während seines Berufslebens relativ geringe Renten-Pflichtbeiträge abführen muss. So zahlt dort der durchschnittliche Arbeitnehmer sogar weniger staatliche Rentenbeiträge, als äquivalent der Bürger in den USA oder in Deutschland. [6]
Keine staatliche Krankenversicherung in der Schweiz?
Und wie sieht es dort in der Schweiz mit den Krankenkassenbeiträgen aus? Es ist schier unglaublich: In der Schweiz gibt es eine Pflichtversicherung, aber in Form einer privaten Krankenversicherung. Jeder, der in der Schweiz lebt oder arbeitet, muss sich bei einer privaten Krankenversicherung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) versichern und der Beitrag dafür entspricht vergleichsweise etwa vier bis fünf Prozent des Bruttoverdienstes … [7]
Als nächstes werde ich mir sicher mal die Mühe machen, kurz durchzurechen, was in Deutschland vergleichsweise (zu den soeben aufgezeigten Fakten) jedem einzelnen Bürger an möglichen Renten-Kapital verloren geht (geraubt wird). Ich vermute, es ist im Wert nicht nur ein Eigenheim. Und am Ende fragt sich noch … wer wohnt da jetzt drin in diesem Eigenheim, wenn nicht du?

Quellen und Ergänzungen
[1] JACOB, Thomas; Das Rentensystem der USA. Ein Vorbild für Deutschland? Vergleich und Analyse... Fachartikel und Arbeitspapier.; Dohna 2023
[2] Alle Angaben sind hier zur journalistischen Veranschaulichung nur grob vereinfacht dargestellt. Sie sind nicht Detailgenau!
[3] Im Vergleich zu deutschen Selbständigen, Arbeitern oder Angestellten, die viel höhere Krankenkassenbeiträge zahlen müssen sind die entsprechenden Ersparnisse tatsächlich enorm.
[4] Solch ein „steuer-finanziertes“ Rentensystem würde in Deutschland natürlich nicht funktionieren, weil hier die restlichen Steuern (Einkommensteuer usw.) um eine vielfaches höher sind, als in der Schweiz, wo der Staat mit den Steuergeldern der Bürger sorgsam umgeht.
[5] Der Einkommensmillionär zahlt also auf sein jährliches, volles Einkommen seinen Beitrag, und erhält im Gegenzug im Ruhestand keine äquivalent hohe Rente dafür!
[6] KI-Recherche: In der Schweiz beträgt der Beitragssatz zur Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 8,7 % des Bruttolohns, geteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (jeweils 4,35 %). Dies ist tatsächlich niedriger als in Deutschland, wo der Beitragssatz zur Rentenversicherung aktuell bei 18,6 % liegt (jeweils 9,3 % für Arbeitnehmer und Arbeitgeber). In den USA gibt es die sogenannte Social Security, bei der der Beitragssatz bei etwa 12,4 % liegt (ebenfalls geteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer).
[7] Die Prämien der Krankenversicherung sind einkommens-unabhängig. Sie variieren nach Wohnregion, Versicherungsmodell und Versicherer. Personen mit niedrigem Einkommen können Prämienverbilligungen (staatliche Zuschüsse) beantragen usw.