Katori Schrein

Bild oben: Katori-Schrein in Kutsukake für Futsunushi-no-Mikoto, den Kami der Kriegskunst [1].

Die Faszination japanischer Gärten – und warum wir sie oft missverstehen

⛩ Ich denke, dass viele von uns eine gewisse Bewunderung für fernöstliche, insbesondere japanische Gärten empfinden. Vielleicht hat sich der eine oder andere schon gefragt, welche gestalterischen Elemente diese Gartenkunst so einzigartig machen. Doch um selbst einen solchen Garten zu erschaffen, reicht es nicht, bloß nachzuahmen, was wir zu sehen glauben. Ohne ein tieferes Verständnis der dahinterliegenden Prinzipien verkommt eine Kopie schnell zu Kitsch.

Ein solcher Fehler unterlief bereits den frühen Gestaltern europäischer Landschaftsgärten, als sie versuchten, chinesische Gartenkunst zu imitieren, ohne deren philosophische und ästhetische Grundlagen wirklich zu erfassen. Über diese Thematik habe ich bereits ausführlich geschrieben; einige zentrale Artikel dazu habe ich unten verlinkt.

Pirna-Zuschendorf Teegarten
Gärten für die japanische Teezeremonie enthalten viele Elemente der Shintō-Schrein-Anlagen. (Landschloß Zuschendorf)

Die Tiefe japanischer Gartenkunst – mehr als nur Ästhetik

Was speziell japanische Gärten betrifft, so habe ich festgestellt, dass meine bisherigen Analysen dieser Gartenarchitektur noch zu oberflächlich sind. Besonders deutlich wird dies bei japanischen Tempelgärten und den Gärten für die Teezeremonie. Hier finden wir ikonischen Motive wie die Steinlaterne und den Torii [2]. Torii sind symbolische Toreingänge, die an Tempeln, Schreinen und in Gärten zu finden sind. Ihre kulturelle Bedeutung ist immerhin so tief verankert, dass sie sogar einen festen Platz unter den Emoji-Piktogrammen haben ⛩.

Doch um das Wesen dieser Gärten wirklich zu erfassen, müssen wir einen Schritt weitergehen – wir müssen uns mit einer der ältesten Formen spiritueller Raumgestaltung befassen. Dabei spielen Naturheiligtümer und Shintō-Schreine eine entscheidende Rolle, denn sie sind nicht nur Orte der Andacht, sondern Ausdruck eines tieferen, kosmischen Ordnungsprinzips – unten im Text wird darauf eingegangen. Und diese Prinzipien finden wir im japanischen Garten wieder, der letztlich  ebenfalls ein „Naturheiligtum“ versinnbildlicht.  Japanische Gärten besitzen also tatsächlich auch eine animistisch-spirituelle Komponente. Und diese Form ist eine Art kultivierter Animismus.

Zu diesen Prinzipien gibt es etliche, bei uns selten gestellten Fragen:

  • Was bedeutet ein japanischer Schrein für uns?
  • Was können wir uns in Deutschland eigentlich unter einem japanischen Schrein vorstellen?

Diese Fragestellungen könnten durchaus neue Perspektiven auf die Beziehung zwischen Natur, Spiritualität und Gartenarchitektur eröffnen – und vielleicht auch im noch tieferen Sinne, wenn es darum geht menschliche Spiritualität überhaupt zu verstehen.

Dieser Gedanke könnte neue Perspektiven auf die Beziehung zwischen Natur, Spiritualität und Gartenarchitektur eröffnen – nicht nur für die Theorie, sondern auch für unsere eigene Gartenpraxis.

Pfad im Rhoddodenronwald
Manchmal ist bereits der Weg zum Schrein ein Pfad in einer Welt der Zeitlosigkeit. Hier die Natur- und unten im Bild die Kultur-Variante.


Hier nun das Ergebnis meiner Recherche:

Ein japanischer Schrein – im Japanischen Jinja genannt – ist ein Ort der Shintō-Religion, der Naturverehrung und den Geistern (den sogenannten Kamuy oder Kami [1]*) gewidmet ist. Um sich das in Deutschland vorzustellen, müssen wir ein paar kulturelle und architektonische Unterschiede berücksichtigen, da es hier keine direkte Entsprechung gibt.

Stell dir einen Schrein als eine Mischung aus einem spirituellen Rückzugsort, einem Naturheiligtum und einem kleinen Tempel vor, aber ohne die monumentale Pracht einer Kirche oder Kathedrale. Eine Ausnahme, was die Monumentalität betrifft, mag der Fushimi Inari-Taisha-Schrein in Kyoto sein.

Torii am Fushimi Inari-Taisha-Schrein
Der Fushimi Inari-Taisha-Schrein. Die roten Torii (Zinnoberrot) sollen böse Geister abwehren und Lebenskraft symbolisieren. Sie markieren einen heiligen Pfad und verstärken das Gefühl, in eine spirituelle Sphäre einzutreten.

Wie sieht ein japanischer Schrein aus?

Torii-Tor

Der Eingang wird oft durch ein Torii markiert, ein einfaches, meist rotes Holztor mit zwei Pfosten und einem Querbalken. Es trennt die profane Welt vom heiligen Bereich – vergleichbar vielleicht mit einem Friedhofstor in Deutschland, nur offener und symbolischer.

Inari-Taisha-Schrein
Torii und ein Gebetsplatz am Inari-Taisha-Schrein, Kyoto.

Honden (Haupthalle)

Das zentrale Gebäude, oft klein und schlicht, aus Holz gebaut, mit einem steilen, geschwungenen Dach. Es erinnert eher an ein traditionelles Bauernhaus als an eine Kirche, ist aber oft erhöht und von einem Geländer umgeben. Hier „wohnt“ der Kami, aber Besucher betreten es normalerweise nicht.

Naturverbundenheit

Schreine stehen oft inmitten von Bäumen, manchmal mit einem heiligen Baum oder Stein. In Deutschland könnte man das mit einem alten heidnischen Kultplatz vergleichen, wie einem Hain oder einer Quelle, nur strukturierter.

Neben-Schrein
Mitsumine-sha am Himemiya-Schrein, Miyashiro: Ein kleiner Neben-Schrein in natürlicher Umgebung [3].

Reinigungsbecken (Temizuya)

Vor dem Schrein gibt es ein Wasserbecken mit Schöpfkellen, wo sich Besucher rituell Mund und Hände reinigen – ähnlich wie ein Weihwasserbecken, aber draußen und funktionaler.

Wasserbecken
Wasserbecken zur rituellen Reinigung im Teegarten

Was passiert dort?

Gebete und Opfergaben: Besucher werfen Münzen in eine Opfergabe-Box (meist 5 Yen für Glück), läuten eine Glocke, verbeugen sich zweimal, klatschen zweimal und verbeugen sich erneut. Das ist kein Gottesdienst wie in einer Kirche, sondern ein persönliches, kurzes Ritual, das jederzeit stattfinden kann.

Feste (Matsuri)

Zu bestimmten Zeiten gibt es Prozessionen, Tänze oder das Tragen eines Mikoshi (tragbarer Schrein). Das erinnert an deutsche Volksfeste wie Erntedank, nur mit mehr spirituellem Fokus und weniger Kommerz.

Wünsche

Man kann Ema (Holztäfelchen) mit Wünschen beschreiben und aufhängen – vergleichbar mit Votivtafeln in manchen Kirchen, aber offener und alltagsnäher.

Ein deutscher Vergleich

Stell dir einen Schrein wie einen kleinen, idyllischen Ort in einem Waldstück vor, vielleicht wie eine Kapelle am Wegesrand, aber ohne christliche Symbolik. Oder denk an einen historischen Thingplatz der Germanen, wo Natur und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen, kombiniert mit der Schlichtheit eines alten japanischen Hauses.

In Städten wie Tokio sind Schreine oft winzig und zwischen Hochhäusern eingekeilt, was sie noch kontrastreicher macht – wie eine Oase der Ruhe.

Beispiele in Deutschland

In Deutschland gibt es keine echten Shintō-Schreine, aber japanische Gärten (z. B. in Düsseldorf oder Berlin) haben manchmal Torii-ähnliche Strukturen oder Schrein-Elemente als kulturelle Hommage.

Die japanische Gemeinschaft in Düsseldorf, eine der größten in Europa, feiert z. B. Feste wie Oshogatsu mit Schrein-ähnlichen Ritualen, allerdings oft in temporären oder angepassten Räumen.

Gefühl und Atmosphäre

Ein Schrein strahlt Ruhe, Bescheidenheit und eine tiefe Verbundenheit zur Natur aus – weniger Pomp als eine barocken Kirche und mehr im Sinne einer kleinen Kapelle in der Natur. Es ist ein Ort, wo man kurz innehält, die Stille spürt und sich mit etwas Größerem und mit seinen Ahnen verbunden fühlt, ohne Predigt oder Liturgie.

Quellen und weitere Erläuterungen

Weitere Blog-Artikel zum Thema:

[1] Der Katori-Schrein in Kutsukake, Bandō City, Präfektur Ibaraki, ist ein kleiner Shintō-Schrein, der der Gottheit (Kami)* Futsunushi-no-Mikoto geweiht ist, einem Kami* der Kriegskunst und Sicherheit. Er gehört zur Familie der Katori-Schreine, deren Hauptschrein, der Katori Jingū, in der Präfektur Chiba liegt und eine über 2600 Jahre alte Geschichte hat.
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Katori_Shrine_(Kutsukake,_
Bando_City,_Ibaraki_Prefecture)_01.jpg  Urheber: 小石川人晃

Der Schrein in Kutsukake ist typisch für lokale Jinja: schlicht, von Natur umgeben, mit einem Torii-Tor und einem kleinen Honden (Hauptgebäude). Er dient der Gemeinschaft für Gebete und Rituale, etwa für Schutz oder Erfolg, und spiegelt die tiefe Verwurzelung des Shintō im Alltag wider. Bandō, am Tone-Fluss gelegen, ist eine ruhige Stadt, und der Schrein fügt sich in diese beschauliche Atmosphäre ein.
*Kami als „Gott“ zu übersetzen, ist irreführend; „heilige Kraft, geistiges Prinzip oder verkörpernde Wesenheit“ wäre genauer.

[2] Torii“ (鳥居) ist das traditionelle Tor, das den Eingang zu einem Shintō-Schrein markiert. Es setzt sich aus „tori“ (Vogel) und „i“ (Aufenthaltsort) zusammen, was wörtlich „Vogelrastplatz“ bedeutet.

[3] Ein kleiner Neben-Schrein im Geländes des berühmten Mitsumine-Schreins (三峰神社, Mitsumine Jinja) in Chichibu (Präfektur Saitama), etwa 70 km westlich von Miyashiro. Der Haupt-Schrein ist Izanagi-no-Mikoto und Izanami-no-Mikoto (den Schöpfergottheiten Japans) sowie Wölfen als Boten der Kami gewidmet. Er liegt am Berg Mitsumine und ist für Schutz und spirituelle Kraft bekannt.
Bildquelle hierzu: https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Himemiya-jinja(Miyashiro-machi)_
Mitsumine-sha.jpg Urheber: Taisuke.Kasuya

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