Eine interssante Publikation von 1968: „Agrargeographie der Tropen“ von Walther Manshard

Buchcover Einführung in die Agrargeographie der Tropen

Bild: Obenauf der Titel „Einführung in die Agrargeographie der Tropen“ (1968) von Walther Manshard

Lohnt sich eine Rezension zu wissenschaftlicher Literatur der 1960er Jahre?

Der eine oder andere mag sich vielleicht fragen, ob es sich heute noch lohnt, über wissenschaftliche Fachliteratur aus den 1960er Jahren eine Rezension zu verfassen – insbesondere in einer Zeit, in der es zeitgemäßere und methodisch fortgeschrittenere Literatur für den akademischen Gebrauch gibt. Tatsächlich existieren solche neueren Werke, allerdings fast ausschließlich in englischer Sprache. Eine aktuelle, zusammenfassende Darstellung der Agrargeographie der Tropen in deutscher Sprache scheint hingegen zu fehlen.

Fehlende deutschsprachige Standardwerke

Zusammen mit den Veröffentlichungen von Bernd Andreae [2] – sind mir keine neueren deutschsprachigen Standardwerke bekannt, die einen vergleichbaren systematischen Überblick bieten. An dieser Stelle sei natürlich betont, dass auch spätere Publikationen von Walther Manshard selbst berücksichtigt werden müssen. Beispielsweise „Umwelt und Entwicklung in den Tropen“ (1995) [3], das ich mir soeben antiquarisch bestellt habe.

Kultivierte Hänge im Südwesten Ugandas (2009)
(1) Kultivierte Hänge im südwesten Ugandas (Neil Palmer, 2009). Nebenbei gefragt: Ist das unser Bild von Afrika? Und wenn nein, warum?

Historischer Wert der 1960er-Jahre-Literatur

Worauf ich in diesem Blogbeitrag vordergründig aufmerksam machen möchte, ist der Umstand, dass in den 1960er Jahren in vielen tropischen Ländern noch Formen ursprünglicher Landwirtschaft verbreitet waren – und Manshard in seiner Schrift „Einführung in die Agrargeographie der Tropen“ ausführlich auf diese eingeht. Das Werk ist damit nicht nur eine wissenschaftliche Darstellung agrargeographischer Zusammenhänge, sondern zugleich auch eine bedeutende historische Quelle. Sie dokumentiert – sicherlich ungewollt – die Zeit der 1960er Jahre als eine Phase des Übergangs, in der Gartenbau und Landwirtschaft in den Tropen vielerorts noch wenig industrialisiert waren – und deren Analyse häufig noch aus einer stark europäisch geprägten Perspektive erfolgte.

Ein Bruch mit linearen Geschichtsbildern und Puzzlestücke

Bemerkenswert ist außerdem, dass sich Manshard an entscheidender Stelle [4] klar von der damals noch weit verbreiteten Vorstellung einer linear verlaufenden Menschheitsgeschichte distanziert. Diese kritische Haltung ergibt sich – so scheint es – zwangsläufig, wenn man sich ernsthaft mit den kulturellen Eigenheiten der Menschen in tropischen Regionen sowie den dortigen traditionellen Formen von Gartenbau und Landwirtschaft auseinandersetzt.

Symbolbild nichtlineare Geschichte einer Spirale
(2) Die Idee einer nichtlineare Geschichte. Man könnte sie als eine Art Spirale oder Welle interpretieren.

Zudem eröffnet der Blick des Geographen auf agrarhistorische und agrartechnische Entwicklungen eine eigene Qualität: Gerade weil er aus einer gewissen fachlichen Distanz auf diese Themen blickt, gelingt ihm eine Übersicht und Systematik, die spezialisierten Fachdisziplinen mitunter fehlt. Während sich viele Fachexperten stark auf Details konzentrieren, wahrt Manshard einen breiteren, übergeordneten Blick – was der Verständlichkeit und Einordnung der Zusammenhänge sehr zugutekommt.

Was die kulturgeschichtlichen Aspekte betrifft, die Manshard in seinem Werk einbringt, so ist besonders hervorzuheben, dass sie sich inhaltlich klar mit den Begrifflichkeiten und Definitionen decken, die bereits von Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Emil Werth (1869–1958) etabliert wurden. Dessen grundlegende Schrift Grabstock, Hacke und Pflug [5] lässt sich inhaltlich beinahe nahtlos mit Manshards „Agrargeographie der Tropen“ zusammendenken – wie zwei Puzzlestücke, die sich zu einem kohärenten Gesamtbild fügen.

Ein Fazit – und ein kleiner Service

Diese wenigen Gedanken zur „Einführung in die Agrargeographie der Tropen“ mögen an dieser Stelle genügen, denn sie verdeutlichen meines Erachtens bereits ausreichend den bleibenden Wert der Arbeit Walther Manshards – zumindest aus meiner Sicht.

Zur erwähnten Publikation stelle ich im Folgenden das Inhaltsverzeichnis zur Verfügung.


INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort – S. 7
I. Zur Einleitung: Aufgaben und Ziele der Agrargeographie
a) Definition – S. 9
b) Geographie der Tropen – S. 11

II. Zur geographischen Abgrenzung von Tropen und Subtropen – S. 13

III. Leitlinien der agrarischen Entwicklung – S. 20

IV. Die Großgliederung der tropischen Agrarlandschaft – S. 31

1. Einleitende Bemerkungen zur räumlichen Differenzierung der Agrarlandschaft (Strukturelle und funktionale Räume) – S. 31

2. Naturgeographisch bestimmte Landschaftsgürtel als Grundlage für eine zonale Großgliederung der Tropen – S. 36

3. Ansätze zur wirtschafts- und agrargeographischen Großgliederung der Tropen – S. 44
a) Gliederung nach Landbauzonen – S. 44
b) Gliederung nach Anbaufähigkeit – S. 45
c) Gliederung nach Nutzpflanzen – S. 47
d) Versuch einer Gliederung nach der Ernährungslage – S. 48
e) Gliederung nach Kulturlandschaften – S. 51
f) Gliederung nach dem Ausmaß der wirtschaftlichen Verflechtung – S. 56
g) Kultur- und Wirtschaftserteile – S. 58
h) Zusammenschau: Übersichtsgliederung tropischer Agrarräume – S. 62

Exkurs: Ansätze zur sozialökonomischen Typisierung der Entwicklungsländer – S. 66

V. Die Wirtschafts- und Betriebsformen sowie die Bodennutzungssysteme in ihrer Auswirkung auf die Gestaltung tropischer Agrarlandschaften – S. 77

1. Gliederungsprinzipien und Typologisierungsversuche – S. 77

2. Wanderfeldbau und Landwechselwirtschaft – S. 81
a) Definitionen und Begriffe – S. 82
b) Regionale Beispiele – S. 86
c) Flur und Siedlung – S. 94

3. Feldbau mit Pflugkultur und Großviehhaltung – S. 101
a) Übergangsformen in Südostasien – S. 101
b) Flur- und Siedlungsformen (Beispiele) – S. 106

4. Bewässerungsfeldbau – S. 110

5. Agrarlandschaftlich wichtige Sonderformen – S. 127
a) Gartenbau – S. 127
b) Terrassenanbau – S. 129

6. Dauerkulturen – S. 134
a) Plantagenbetriebe – S. 137
b) Bäuerliche Betriebe – S. 149
c) Kombinierter land- und forstwirtschaftlicher Anbau – S. 164

7. Weidewirtschaft – S. 166

8. Exkurs: Stand und Problematik der Mechanisierung der Landwirtschaft – S. 180

VI. Der Mensch in der tropischen Agrarlandschaft – S. 187

Verteilung und Entwicklung der ländlichen Bevölkerung – S. 187

Exkurs: Die Bedeutung der Krankheiten im Agrarraum der Tropen – S. 197

  1. Die Gestaltung der Agrarlandschaft in europäisch geformten Siedlungsräumen Tropisch-Amerikas – S. 204
  2. Die natürlichen Ergänzungsräume von Sierra und Costa in den südamerikanischen Tropen (Ecuador) – S. 213
  3. Beispiele für die Bedeutung unterschiedlicher Bevölkerungs- und Sozialgruppen in ihrer Einwirkung auf die asiatische Agrarlandschaft – S. 217
  4. Ein wirtschaftsräumlicher Vergleich: Birma – Thailand – S. 225
  5. Landbesitzformen ostafrikanischer Bevölkerungsgruppen – S. 231
  6. Agrarräumliche Entwicklung und Struktur Ghanas – S. 246
  7. Wirtschaft und Wirtschaftsräume urtümlicher Jäger- und Sammlergruppen – S. 255
  8. Ausblick: Die Umformung tropischer Landschaften durch den Menschen – S. 259

Literatur – S. 271
Abbildungsverzeichnis – S. 293
Register – S. 295


Weitere Literatur und Hinweise

(1) Bildquelle, Uganda, Neil Palmer 2009: https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Uganda_GV5_lo_(4108162183).jpg
Solche kultivierten Gebirgshänge (hier im Südwesten Ugandas) befinden sich im Ruwenzori-Gebirge, das eine Höhe von bis zu 5.109 Metern erreicht, nahe dem Äquator liegt und Gletscher aufweist. Ähnliche äquatoriale Hochlandregionen sind das Hochland von Papua-Neuguinea sowie weite Teile der Provinz Pichincha in Ecuador, einschließlich des Pambamarca-Gebietes.

(2) Ki-Symbolbild: Die Idee einer nichtlineare Geschichte. Man könnte sie als eine Art Spirale oder Welle interpretieren. Nehmen wir das Bild der Welle als Vergleich, bietet sich als eine Möglichkeit die Elliott-Wellen-Theorie an, welche auch die zivilisatorischen Zyklen erklären könnte…

[1] MANSHARD, Walther; Einführung in die Agrargeographie der Tropen;  Mannheim 1968

[2] ANDREAE, Bernd; Agrargeographie – Strukturzonen und Betriebsformen in der Weltlandwirtschaft; Berlin 1964 – als Beispiel genannt, ist ebenfalls ein Klassiker und das maßgebliche deutschsprachige Standardwerk der Agrargeographie. Obwohl die erste Auflage bereits 1964 erschien, wurde das Werk mehrfach überarbeitet und stark erweitert. Die zweite überarbeitete und stark erweiterte Auflage wurde 1983 veröffentlicht und ist in den letzten Jahren als Reprint (z.B. 2019 oder 2020) wieder aufgelegt worden. Leider ist mir nur der Titel bekannt; und ich habe ihn noch nicht in meiner kleinen Gartenbau-Bibliothek verfüger, was sich sicher ändern muss.

[3] MANSHARD, Walther; Umwelt und Entwicklung in den Tropen; Darmstadt 1995

[4] Seite 22:

„Das klassische Schema Eduard Hahns* von evolutionär aufeinander bezogenen Wirtschaftsstufen, in deren Abfolge die Viehhaltung dem Stadium der Jäger und Sammler folgt, ist unzureichend für die Erklärung vieler Tatsachen; z. B. hat sich der Hirtennomadismus in Gebieten der Tropen und Subtropen, besonders in Süd- und Ostasien, sekundär aus bereits bestehenden gemischten Wirtschaftsformen entwickelt und wurde in den Regenwäldern der Kerntropen aufgrund der klimatischen Verhältnisse überhaupt übersprungen… [usw.]“

*Der Hinweis auf Eduard Hahn veranlasst mich zu folgender Bemerkung: Eduard Hahn (1856–1928), deutscher Geograph und Agrarhistoriker, gilt als einer der Begründer der agrarhistorischen Forschung. Er entwickelte ein einflussreiches Modell zur Entwicklung der Wirtschaftsformen, insbesondere zur Entstehung von Ackerbau und Viehzucht aus dem Jäger- und Sammlerstadium. Sein bekanntestes Werk ist „Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen“ (1896). Hahn ordnete Kulturstufen und Wirtschaftsformen in einem evolutionären Schema – ein Ansatz, der später vielfach kritisiert oder weiterentwickelt wurde. Erstaunlicherweise hält sich dieses längst überholte Schema bis heute hartnäckig im Schulunterricht.

[5] WERTH, Prof. Dr. Emil; Grabstock Hacke und Pflug; Ludwigsburg 1954

[6] Weitere Litearur von W. Manshard: https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=118850334

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Walther_Manshard

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Bibliographisches_Institut

[9] Definition Agrargeographie: Agrargeographie ist ein Teilgebiet der Geographie, das sich mit der räumlichen Organisation, den Strukturen und Prozessen der Landwirtschaft beschäftigt. Sie untersucht die Wechselwirkungen zwischen landwirtschaftlicher Produktion, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft sowie deren regionale Unterschiede.

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