Geschichte von Alkyone und Keyx – Wenn der Windgott das Meer beruhigt – Die Halkyonischen Tage

Alcyone und Ceyx

Bild: Die römisch-antike Geschichte von Alkyone und Keyx im Anime-Stil (Video unten).

🗿 Es lohnt sich, beim Schlendern durch Urlaubsorte, Städte oder Parks die Botschaften zu entschlüsseln, die Bildhauer vergangener und gegenwärtiger Tage in Stein und Bronze hinterlassen haben. Die figürliche Plastik gehört zu den ältesten Ausdrucksformen der Menschheit. Schon in der mittleren Steinzeit formten unsere Ahnen ihre Gedanken und Empfindungen in Gestalt und Relief.

Eine Entdeckung im Britzer Garten

Heute ist es leichter denn je, der einen oder anderen Skulptur im öffentlichen Raum ihre Geheimnisse zu entlocken. Ein Foto mit dem Smartphone, eine kurze Recherche – und plötzlich öffnet sich ein Fenster in eine andere Zeit. So erging es mir mit einer Plastik im Rosengarten des Britzer Gartens in Berlin, einer weitläufigen Parklandschaft im Süden der Stadt. Vor Jahren entdeckte ich dort eine Bronze: ein Liebespaar, innig verschlungen, neben ihnen ein etwas überdimensionierter Eisvogel. Ihr modernes Design ließ mich nicht sofort erahnen, dass sie eine uralte Geschichte erzählt – die tragische Sage von Alkyone und Keyx.

Keyx und Alkyone Plastik im Britzer Garten
Die Plastik im Britzer Rosengarten….

Die Legende von Alkyone und Keyx

Diese Geschichte, in verschiedenen Versionen überliefert, findet sich in der antiken Literatur, besonders in den Metamorphosen des antiken römischen Dichters Ovid. Dort, im elften Buch, wird von Alkyone und Keyx berichtet – einem königlichen Paar, dessen Liebe selbst den Tod überdauerte. Hier folgt nun meine Version.

Video oben: Meine Version der Geschichte im Anime-Stil.

 

Eine gefährliche Reise und ein schicksalhaftes Ende

Alkyone war die Tochter des Windgottes Aiolos und die Frau von Keyx, dem König von Thessalien. Beiden liebten sich sehr und führten ein glückliches und friedliches Leben. Doch ihr Schicksal nahm eine tragische Wendung.

Eines Tages entschied sich Keyx, eine Seereise zu unternehmen. Er wollte das Orakel von Delphi befragen, um auf das Unbekannte vorbereitet zu sein.

Alkyone, die wusste, wie gefährlich die Meere sein könnten, flehte ihn an, nicht zu gehen. Doch Keyx bestand darauf und verließ sie schweren Herzens.

Kaum hatte sein Schiff die Küste verlassen, geriet es in einen furchtbaren Sturm.

Die Wellen tobten, und trotz aller seiner Bemühungen wurde Keyx‘ Schiff von Poseidons Zorn verschlungen. Im letzten Moment, bevor er ertrank, rief er noch Alkyones Namen – doch er konnte nicht zu ihr zurückkehren.

Alcyone am Meer

 

Alkyone wartete Tag um Tag auf seine Rückkehr und betete zu den Göttern um seine sichere Heimkehr.

Doch in einer grausamen Wendung des Schicksals erschien ihr eines Nachts der Geist ihres toten Ehemanns in einem Traum. Er offenbarte ihr, dass er ertrunken sei, und bat sie, nicht länger zu hoffen.

Von unermesslicher Trauer überwältigt, lief Alkyone zum Ufer, wo sie verzweifelt nach ihrem Geliebten Ausschau hielt.

Als sie schließlich seinen leblosen Körper im Wasser treiben sah, konnte sie den Schmerz nicht mehr ertragen – sie warf sich ins Meer, um mit ihm vereint zu sein.

Doch in dem Augenblick, als Alkyone ins Meer springt, verwandelt sie sich in einen Eisvogel.

Eisvogel

Es bekamen nämlich die Götter Mitleid mit ihr. Sie verwandelten sowohl Alkyone als auch Keyx in Eisvögel, das sind die „Halcyon-Vögel“. So konnten sie nun für immer zusammen sein.

Es heißt, dass das Alkyone-Eisvögelchen jedes Jahr in der Mitte des Winters ihre Eier am Ufer legt.

Um sie zu schützen, sorgt ihr Göttervater Aiolos dafür, dass das Meer für einige Tage ruhig bleibt – diese Periode wird als „Halkyonische Tage“ bezeichnet, eine Zeit friedlichen Wetters im Winter.

Die Botschaft des Mythos

Die Geschichte von Alkyone und Keyx erzählt von Liebe, Verlust und von der Macht der Natur, die wir oft unterschätzen. Die halkyonischen Tage sind bis heute ein Sinnbild für jenen seltenen, unerwarteten Moment der Stille – eine friedliche Oase inmitten der Stürme des Lebens. Es sind aber auch Tage, an denen den Menschen in dieser Ruhe eine seltsame Melancholie überfällt. Unsere Geschichte sagt uns, warum.

Lass diese Stimmung zu und Versuche nicht immer jede Regung des Herzens ergründen zu müssen. Und versuche nicht die Zukunft zu ergründen, so wie es König von Thessalien einst tat.

Das Schöne und das Friedliche will unerwartet kommen. Erwarte es – doch suche es nicht.

Begegne dem Jetzt, nicht dem Später…

Sanduhr

Quellen und Weiteres

P.S. Bei uns hier im Raum Dresden, haben wir zur Zeit, also um den 20. Februar 2025, die windstillen, sonnigen Wintertage; teils allerdings mit starkem Frost.

Die antiken Quellen:

* Die Geschichte von Alkyone und Ceyx findet sich nicht ausschließlich in Ovids „Metamorphosen“, die um die Geburt Jesu entstanden sind. Das Werk kann bei Googel Books gelesen und als PDF heruntergeladen werden. z.B. hier mit einer umfangreichen Einleitung zum Dichter selber:
➡️ Die Metamorphosen des P. Ovidius Naso Bände 1 – 2; von Ovid, Moritz Haupt, Otto Korn, Hermann Johannes Müller, Rudolf Ehwald; Weidmannsche Buchhandlung Berlin 1878

Hier sind einige weitere Quellen und Referenzen:

– Hyginus, Fabulae: Gaius Julius Hyginus (um 60 v. Chr. – 4 n. Chr.), ein römischer Mythograph, erwähnt die Geschichte in seinen „Fabulae“ (oder „Fabeln“), einer Sammlung von Mythen und Legenden, unter der Nummer 65. Seine Darstellung ist jedoch kürzer und weniger detailliert als die von Ovid.

– Antoninus Liberalis, Metamorphosen: Ein weiterer Autor (2. Jahrhundert n. Chr.), der ähnliche Geschichten sammelte, erwähnt die Verwandlung von Alkyone und Ceyx in Seeschwalben in seinem Werk, das ebenfalls „Metamorphosen“ heißt. Dies sollte jedoch nicht mit Ovids gleichnamigem Werk verwechselt werden.

– Pseudo-Apollodorus, Bibliotheke: Auch bekannt als „Die Bibliothek“, enthält dieses Werk von einem unbekannten Autor, der fälschlicherweise Apollodorus zugeschrieben wird, eine kurze Erwähnung der Geschichte.

– Andere antike und mittelalterliche Literatur: Verschiedene andere antike und mittelalterliche Autoren und Dichter haben die Geschichte von Alkyone und Ceyx in ihren Werken referenziert oder paraphrasiert, oft in einer kürzeren Form oder als Teil einer größeren Erzählung. Diese können in Fragmenten, Scholien oder Kommentaren zu den Hauptwerken gefunden werden.

– Bildende Kunst und Literatur der Renaissance und später: Die Geschichte hat auch in der Kunst und Literatur der Renaissance und danach Anklang gefunden. Maler, Dichter und Schriftsteller griffen die Geschichte auf, was zu weiteren Interpretationen und Darstellungen führte.

Obwohl Ovids „Metamorphosen“ die bekannteste und detaillierteste Quelle ist, zeigt sich, dass die Geschichte von Alkyone und Ceyx in der antiken Literatur und darüber hinaus eine gewisse Verbreitung fand. Diese verschiedenen Darstellungen können in Stil und Detailgrad variieren, aber sie tragen alle zur mythologischen Tradition bei.

Alcyone
Herbert James Draper: Halcyone (1915)

 

Plastik im Park Großsedlitz
Ceyx and Alcyone. Skulptur im Barockgarten Großsedlitz (zwischen Pirna und Dresden).

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