◾ Im Zusammenhang mit dem Brandrodungslandbau, der durch natürliche Düngung vergleichbare Erträge wie die moderne Landwirtschaft mit Kunstdünger erzielt, habe ich mich näher mit der Entwicklung der künstlichen Düngemittel befasst. Überraschenderweise (für mich) begann bereits um 1860 die großflächige Anwendung von Kunstdünger, was zusammen mit der Mechanisierung den Ackerbau grundlegend veränderte. Diese Phase ist heute als die 3. Agrarrevolution bekannt [2].
Seit wann gibt es eigentlich Kunstdünger?
Es begann mit Justus von Liebig
Kunstdünger, insbesondere in Form von mineralischen Düngemitteln, wurde in Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt. Die Entwicklung und Nutzung von Kunstdünger begann mit der Entdeckung von Stickstoff, Phosphat und Kalium als essenzielle Pflanzennährstoffe.
1830er Jahre
Justus von Liebig, ein deutscher Chemiker, legte mit seiner Arbeit den Grundstein für die moderne Pflanzenernährung. Er erkannte, dass Pflanzen spezifische Mineralien benötigen, die sie aus dem Boden aufnehmen.
1842
Liebig entwickelte den ersten mineralischen Dünger, der auf einer Mischung aus mineralischen Salzen basierte. Diese frühe Form des Kunstdüngers wurde jedoch zunächst nicht weit verbreitet.
1860er Jahre
Die großflächige Produktion von mineralischen Düngemitteln begann. Besonders Salpeter (eine stickstoffhaltige Verbindung) und Phosphate wurden verwendet.
1870er Jahre
Mit der Entdeckung und Nutzung der Chilesalpeter-Vorkommen (natürlicher Salpeter) und der weiteren Entwicklung der Chemie wuchs die Produktion und Anwendung von Kunstdünger in der Landwirtschaft stetig an.
Der Kunstdünger revolutionierte die Landwirtschaft, indem er die Erträge signifikant erhöhte und die Abhängigkeit von natürlichen Düngemitteln wie Mist und Kompost verringerte. Allerdings war Stickstoffdünger teuer. Der Chilesalpeter war nur begrenzt verfügbar (Salpeterkreig).
Das Haber-Bosch-Verfahren
Der Durchbruch der preiswerten Stickstoffdünger kam erst mit der Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens in den frühen 20. Jahrhunderts. Dieses Verfahren ermöglichte die industrielle Produktion von Ammoniak, das als Grundlage für Stickstoffdünger verwendet wird.
1909
Der deutsche Chemiker Fritz Haber entwickelte das nach ihm benannte Haber-Verfahren, bei dem Stickstoff aus der Luft mit Wasserstoff zu Ammoniak synthetisiert wird. Dieses Verfahren konnte jedoch zunächst nur in kleinen Mengen durchgeführt werden.
1913
Carl Bosch, ein weiterer deutscher Chemiker, entwickelte das Haber-Verfahren weiter und brachte es in den industriellen Maßstab. Das Haber-Bosch-Verfahren wurde von der BASF erstmals in großem Maßstab angewendet und ermöglichte die großflächige Produktion von Ammoniak und damit von Stickstoffdüngern.
1920er Jahre
Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von synthetischem Ammoniak nahm die Produktion von Stickstoffdüngern weltweit zu.
Der industrielle Durchbruch des Stickstoffdüngers revolutionierte die Landwirtschaft, da nun große Mengen an Stickstoff verfügbar waren, die zuvor durch natürliche Quellen wie Mist, Kompost oder Leguminosen begrenzt waren. Dies führte zu einer deutlichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und spielte eine entscheidende Rolle in der globalen Nahrungsmittelproduktion.
Ist noch eine kleine Korrektur nötig? Waren es drei Umbrüche oder vier?
Die neolithische Revolution 10.000 v. Chr.
Bekanntermaßen gab es die erste „Agrarrevolution“ in der Jungsteinzeit. Die neolithische Revolution war der Übergang von nomadischen Jäger- und Sammlergesellschaften zu sesshaften Bauern, der den Beginn des Ackerbaus und der Tierhaltung markierte.
Die neolithische Revolution begann etwa 10.000 v. Chr., je nach Region unterschiedlich, zuerst im sogenannten Fruchtbaren Halbmond im Nahen Osten und breitete sich dann über die nächsten Jahrtausende weltweit aus.
Die frühmittelalterliche Agrarrevolution um 700
Die frühmittelalterliche Agrarrevolution fand weltweit etwa ab dem 8. Jahrhundert n. Chr. statt. In Europa war sie war geprägt durch die Einführung des Dreifeldsystems, den verstärkten Einsatz des Wendepflugs, den zunehmenden Einsatz von Pferden als Zugtieren und die Weiterzüchtung von Hafer und Roggen. Diese Innovationen führten zu einer deutlichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und legten den Grundstein für das Bevölkerungswachstum und die Entwicklung mittelalterlicher Gesellschaften.
Die Agrarrevolution der Moderne … war sie erst die vierte?
Diese ist oben beschrieben. Allerdings halte ich es für möglich, dass es vor der Neolithischen Revolution bereits eine Prä-Neolithische Agrarrevolution gegeben hat. Damit würde sich die Zählung all dieser agrar-technischen Umwälzungen natürlich verschieben und der Umbruch der Moderen wäre die 4. Agrarrevolution.
Der Prä-Neolithische Umbruch fand in topischen Regionen statt und wurde z.B. von Prof. Dr. Emil Werth (1869–1958) in seinem Buch „Grabstock Hacke und Pflug“ [3] recht ausführlich beschrieben.
Die erste Agrarrevolution. Der tropische Hackbau. Vor 24.000 Jahren oder früher.
Nach WERTH fand die erste Prä-Neolithische Agrarrevolution (die er als solche explizit nicht genannt hat) auf dem indischen Subkontinent statt und verbreitete sich von da aus relativ zügig weltweit im sogenannten tropischen Hackbau-Gürtel. Allerdings: Darüber hat seit WERTH offensichtlich niemand mehr publiziert. Sollte ich das tun?
Ursprung und Ausbreitung der Landwirtschaft nach WERTH |
Literatur und weiter Bemerkungen
[1] Kalkstickstoff wird zum Beispiel auch beim Kompostieren verwendet, um den Verrottungsprozess zu beschleunigen und die Qualität des Komposts zu verbessern. Durch die Zugabe von Kalkstickstoff wird der Stickstoffgehalt im Kompost erhöht, was Mikroorganismen fördert und die Zersetzung organischer Materialien beschleunigt. Allerdings ist es wichtig, Kalkstickstoff sparsam zu dosieren und gründlich mit dem Kompostmaterial zu vermischen, um eine gleichmäßige Wirkung zu erzielen.
[2] Historisches Lexikon der Schweiz. Agrarrevolution. 23.3.2011.
[3] WERTH, Prof. Dr. Emil; Grabstock Hacke und Pflug; Ludwigsburg 1954