Bild oben: Die einfache Holzhauskonstruktion ermöglicht es, auf kostengünstige Weise eine weitläufige Dachterrasse anzulegen. Darunter befindet sich ein großes Kaminzimmer mit einer breiten Glastür zum Wohngarten. Diese Gestaltungsideen verleihen dem sonst eher kleinen Sommerhaus eine überraschend offene Wohnatmosphäre.
Unsere Vorstellungen vom eigenen Heim werden oft stark von unserer Umgebung und den Menschen in unserem Umfeld geprägt. Eigene Ideen und Träume geraten dadurch schnell in den Hintergrund. Heute sollen große Räume mit viel Glas und überdimensionalen Fenstern Luxus vermitteln. Es wird erwartet, großzügig zu bauen – schließlich errichtet man nur einmal im Leben ein Haus. Solche Ansichten schrecken jedoch oft gerade junge Menschen davon ab, ihr Traumhaus zu verwirklichen.
Ein bescheidenes kleines Fertighaus mit Garten ist für ein Familienheim doch allemal besser als eine Mietwohnung. Viele bedeutende Persönlichkeiten teilten und lebten diese Wohnphilosophie. Unter ihnen findet sich sogar einer der weltweit berühmtesten Nobelpreisträger: Albert Einstein (E=mc²)
Konrad Wachsmann und das Sommerhaus Albert Einsteins
Das vielleicht bekannteste Fertighaus dieser Art steht in Caputh bei Potsdam: das Sommerhaus Albert Einsteins. Dieses kleine Paradies, das er gemeinsam mit seiner Familie bewohnte, liegt in einem naturnahen Garten, der von einer alten Obstbaumwiese umgeben ist. Die einfache, ländliche Lebensweise und die bescheidene Wohnphilosophie der Einsteins spiegeln sich in diesem Haus wider. Die Architektur des Hauses, das schlichte Holzdesign und die Einbindung in den Garten zeugen von einem harmonischen Konzept.
Einstein hegte schon lange den Wunsch nach einem kleinen, einfachen Blockhaus im Stil der Schweizer Holzhäuser. Doch Konrad Wachsmann, der Architekt des Sommerhauses, lenkte die Planung in eine andere Richtung. Statt eines klassischen Blockhauses verwendete Wachsmann das sogenannte „Balloon-Frame-System“ – eine aus den USA stammende, leicht abgewandelte Fachwerktechnik. So entstand ein Haus, das sich keiner reinen architektonischen Stilrichtung zuordnen lässt und Einflüsse der Familie Einstein, insbesondere von Elsa Einstein, widerspiegelt.
Wachsmann, ein junger und talentierter Architekt, der damals noch wenig bekannt war, wollte mit dem Bau des Einsteinhauses seine innovative Vision verwirklichen. Bei einem ersten Treffen mit Elsa Einstein konnte er deren Vorstellungen aufnehmen: ein Haus mit dunkelrotem Ziegeldach, französischen Fenstern und großzügigen Terrassen, wie sie in Schweizer Wohngärten modern waren. Zudem sollte das Haus über einen Kamin und kleine, gemütliche Räume verfügen, wobei Albert Einsteins Arbeitszimmer besonders ruhig und abgeschieden liegen sollte.
Eine gewagte Kombination
Ein erster Entwurf zeigte ein modernes Flachdachgebäude mit klaren Linien und großen Fenstern – aber ohne Kamin, was Elsa Einstein missfiel. Albert hingegen wünschte sich ein traditionelles Blockhaus und lehnte ein Flachdach ab. Wachsmann stand vor der Herausforderung, Elsas mediterrane Vorstellungen mit Alberts eher nordalpinen Wünschen zu vereinen und zugleich innovativ zu bleiben. Mit Geschick gelang es ihm, diese scheinbar gegensätzlichen Anforderungen zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden.
Das Einsteinhaus vereint die nordalpine Bauweise, bei der Wohnräume um zentrale Terrassen herum gruppiert sind, mit südlich inspirierten Elementen wie französischen Fenstern und Lamellenläden. Diese ermöglichen eine effektive Belüftung und sorgen im Sommer für kühlere Räume, während sie im Winter das Tageslicht ins Innere strömen lassen.
Im Inneren des Hauses sind die Räume funktional und platzsparend gestaltet, was eine ruhige, klare Ordnung schafft. Einbauschränke und geschickt integrierte Waschnischen lassen die Räume großzügig wirken. Der Flur führt auf eine Dachterrasse mit weitem Blick und einer beeindruckenden Größe, die fast einem Ballsaal gleicht.
Der Wohngarten
Das Einsteinhaus, eingebettet in seinen Wohngarten, bleibt ein herausragendes Beispiel für die Verbindung von Architektur und Natur. Es zeigt, wie ein kleines Eigenheim als erweiterbares Konzept mit flexiblen Wohnstrukturen gestaltet werden kann. Der Garten und das Haus verschmelzen zu einer Einheit, und das Grundstück wird zum naturnahen Lebensraum.
Einstein lebte hier wirklich in einem „Garten mit Haus“ und nicht in einem „Haus mit Garten“. Diese Philosophie steht im Einklang mit den damaligen Schweizer Wohngärten, die ihrerseits von der japanischen Architektur inspiriert waren. In Japan ist es üblich, das Wohnhaus nicht an der Straße, sondern geschützt im Garten zu errichten, umgeben von Hecken oder Mauern. So entsteht ein harmonisches Zusammenspiel von Gebäude und Natur, das auch in Einsteins Gartenhaus in Caputh umgesetzt wurde.
Auch die Innenräume erinnern an die traditionelle japanische Architektur. Große Fenster und Türen ermöglichen eine Verschmelzung von Innen- und Außenraum, während Wandmöbel und Schlafnischen für eine multifunktionale Nutzung der Räume sorgen. Es ist bemerkenswert, wie Wachsmann es schaffte, die Essenz des japanischen Wohnkonzepts in Einsteins Haus einzubringen und gleichzeitig die Wohnbedürfnisse seiner Zeit zu berücksichtigen.
In einer Zeit, in der deutsche Architekten zunehmend von japanischer Architektur inspiriert wurden, ging Wachsmann einen Schritt weiter und schuf ein einzigartiges Gebäude, das Einsteins Idee von einem einfachen und naturnahen Leben widerspiegelte. Dieses Sommerhaus ist ein bleibendes Symbol für die Einheit von Wohnraum und Natur und ein Beispiel für zeitlose Wohnkultur.
Literaturquellen: D. Bonfiglio, Paradies auf Zeit Albert Einsteins Haus in Caputh, Potsdam 2005; Vom Sinn des Details, Zum Gesamtwerk von Konrad Wachsmann, Köln 1988; Tetsuro Yoshida, DAS JAPANISCHE WOHNHAUS, Tübingen 1954; Bruno Taut, Das japanische Haus und sein Leben. Berlin, 1997.
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Thomas Jacob ©9/2011–2024
Hello.
Good cheer to all on this beautiful day!!!!!
Good luck 🙂