Vorbetrachtung
🌳 Fukuoka Masanobu (1913–2008) war ein japanischer Landwirt und Autor, der in Deutschland vor allem in den 1990er Jahren durch seine einflussreichen Beiträge zur nachhaltigen Landwirtschaft und die Entwicklung der sogenannten „Natural Farming“ oder „Nichts-Tun-Landwirtschaft“ (Do-Nothing Farming) bekannt wurde. Es überrascht nicht, dass die in Deutschland begeistert aufgegriffene Phrase der Nichts-Tun-Landwirtschaft besonders in alternativen Kreisen für Aufsehen und Begeisterung sorgte. Allerdings haben sich seine Methoden letztlich als nicht nachhaltig erwiesen.
Im folgenden Link habe ich einen ersten Fachartikel (7.2.2021) über den japanischen Landwirt veröffentlicht, der das Lebenswerk des engagierten Bauern weitgehend so beschreibt, wie es allgemein wahrgenommen wird.
Allerdings vertrete ich die Ansicht, dass seine Anhängerschaft bei all ihrer jahrelangen Begeisterung für die „Nichts-Tun-Landwirtschaft“ Fukuokas wichtigstes Lebenswerk gar nicht bemerkt hat. Das ist der Umstand, dass er auch ein Waldgarten-Modell bewirtschaftete, das ein durchaus brauchbares und in sich geschlossenes Permakultur-Kreislaufsystem darstellte. Dieses Modell hätte man anstelle seiner nur regional und sehr spezifisch anwendbaren Nichts-Tun-Ideen kopieren sollen. Unten komme ich darauf zurück und werde zunächst kurz das Ideenmodell des japanischen Landwirts vorstellen.
Die vordergründige Betrachtung eines Lebenswerkes
Was machte Fukuoka so bekannt? Hier sind seine wichtigsten Ansätze und Ideen zusammengefasst:
Der Landwirt entwickelte über Jahre hinweg eine Anbaumethode, die er „Natural Farming“ nannte. Sein Ansatz betonte Minimalismus und den Verzicht auf chemische Düngemittel, Pestizide und Herbizide. Im Mittelpunkt stand die Idee, dass die Natur in der Lage sei, sich selbst zu regulieren, und dass menschliche Interventionen oft mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Fukuoka legte zudem großen Wert auf die Bedeutung von Vielfalt in der Landwirtschaft. Er förderte Mischkulturen, bei denen verschiedene Pflanzenarten auf demselben Feld angebaut werden, um die natürliche biologische Vielfalt zu unterstützen. Diese Vielfalt verringert den Bedarf an künstlichen Düngemitteln und Pestiziden. Besonders propagierte er die Praxis des „No-Till Farming“, bei der der Boden nicht gepflügt wird [1] und baute mit dieser Methode, die auch Mulch-Techniken mit einschloss, Reis für den Eigenbedarf an.
Video: Typische Doku der 1990er, in welcher das Lebenswerk des Japaners vorgestellt wird.
Die Philosophie der Nichts-Tun-Landwirtschaft
Fukuoka Masanobu (1913–2008) lehrte eine Philosophie des „Do-Nothing“ (Nichtstun), die besagt, dass die Natur sich selbst regulieren kann und übermäßige menschliche Interventionen oft mehr schaden als nützen. Er betonte, dass Landwirtschaft nicht unbedingt harte Arbeit erfordert, sondern vielmehr ein Verständnis und Respekt für die natürlichen Prozesse.
Mit diesen philosophischen Ansichten hatte Fukuoka absolut recht. Allerdings sollten solche Konzepte nicht voreilig in die Praxis umgesetzt werden, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht vollständig verstanden wurden. Es geht in seinem philosophischen Konzept vor allem darum, unnütze Arbeiten zu unterlassen und die richtigen Arbeiten zur richtigen Zeit zu verrichten. Leider wurden weder diese Ideen noch deren praktische Umsetzung jemals richtig verstanden.
Nicht beachtet: Fukuokas Waldgarten-Konzept
Bereits meine Ausarbeitungen zu den beiden letzten Zwischenüberschriften zeigen, dass ein regional entstandenes Ideen- und Praxis-Konzept (so, wie hier vorgestellt [2]), selten auf andere Regionen, Örtlichkeiten und Klimazonen übertragen werden können. Soweit ich es recherchieren konnte, ist heute heute dieses absolute Sonderkonzept (was bei dem Japaner vor Ort wohl tatsächlich funktionierte) nirgendwo auf der Welt erfolgreich fortgeführt worden, was eigentlich damals schon abzusehen war. Seltsamerweise begeisterte man sich damals, wie heute nur dafür.
Mandarinen-Plantage
Ich halte hingegen das Waldgarten-Modell des Japaners weitaus mehr für erwähnenswert. Fukuoka Masanobu, der Reisbauer hatte nämlich neben flachem Flussauen-Land auch bergige, landwirtschaftlich nicht nutzbare Bereiche, welche er zunächst (an einem südlichen Steilhang befindlich) als Mandarinen-Plantage umfunktionierte. Diese Plantage und die dahinter liegende Bergkuppe nutzte er als das, was wir heute gern als Waldgarten bezeichnen.
Gemüse?
Den kargen Boden am Hang revitalisierte er oberflächlich vor allem mit Klee (Trifolium repens) und in Tiefenwirkung mit der Klettenwurzel (Arctium lappa). Letztere wird in Japan traditionell auch Wurzelgemüse genutzt (Japanische Schwarzwurzel), bedarf allerdings einer aufwendigen Ernte, Zubereitung und Würzung und ist dann teils mit viel Zucker versetzt! [Gemüseanbau und Waldgarten passt nicht zusammen]
Eigener Brennholz-Anbau
Einen wirklich günstigen Effekt bewirkte in Fukuokas Konzept das lichte Überpflanzen der Obstplantagen mit einer sehr tief wurzelnden und extrem schnellwüchsigen australischen Akazienart, die hochwachsend mit lockerer, lichtdurchlässiger Krone die Mandarinen-Plantage leicht überschattete. Die Akazien schützen den Hang vor Erosion, dienen als Windbrecher (Windkamm) und mit ihrer Eigenschaft als Leguminosen (Stickstoffsammler im Wurzelbereich) machen sie den Boden in ihrer Umgebung sogar nährstoffreicher. Ein zehnjähriges Exemplar kann zudem – und das ist ebenfalls ein bedeutender, wirtschaftlicher Aspekt – Brennholz für ein Jahr liefern, um kochen und heizen zu können.
Freilaufende Hühner…
Und nicht zuletzt bewirtschaftete Fukuoka, und das findet leider nur am Rande Erwähnung, sein Waldareal mit einer gut abgezirkelten extensiven Hühnerhaltung. Die Hühner lebten unter den Bäumen faktisch autark und stellten in Puncto aufgewendeter Arbeitskraft und Gewinn wiederum einen nicht zu vernachlässigen ökonomischen Aspekt dar, zumal sie neben Eiern und Fleisch auch den nötigen Dünger für die Biofarm lieferten.
Wichtigste Einnahmequelle: Bio-Mandarinen
Allein dies wenigen Maßnahmen, wirkten sich positiv auf das Wachstum der gepflanzten Mandarinen- und Orangenbäumchen aus. Später wurde diese Waldgarten-Plantage zur wichtigsten Einnahmequelle für den Familienbetrieb. Und sein „Waldgarten“ samt Federvieh tat das übrige dazu. Vor dem sicherten wohl die Publikationen und die Popularität des weltbekannte Japaners das Einkommen der Familie und weniger der alternative Reisanbau.
Unser Kaminholz-Waldgarten-Projekt
Interessant ist nun der Umstand, dass wir auf unserem Grundstück über Jahre hinweg (eher unbewusst) bereits ein ähnliches Modell etabliert haben. Dazu muss gesagt werden, dass weder Fukuoka Masanobu in seinem Falle von einem Waldgarten sprach und auch wir haben unser Projekt bisher auch nie Waldgarten genannt, sonders Kaminholz-Wäldchen bezeichnet. Erst mit dem immer häufiger gebauchten Modebegriff „Waldgarten“ im Internet, bin ich überhaupt erst darauf gekommen Parallelen zu ziehen.
Im zweiten Schritt ist mir dann klar geworden, dass das Ursprungsmodell des Waldgartens, dass in den Tropen zu suchen ist, in unseren Breiten nur in der Art und Weise umzusetzen ist, wie es bei Fukuoka der Fall war, oder auch hier bei unseren eigenen Projekt, welches sehr einfach und schnell zu beschreiben ist.
Konkret haben wir uns vor Jahren überlegt, ob es denn möglich ist, auf Grundstücken von 1000 bis 2000 Quadratmeter Grundfläche, in nennenswertem Umfang Kaminholz für den Eigenbedarf zu produzieren. Gemeint sind damit natürlich nur die wenigen Anteile dieser Grundstücksflächen, die zu keiner höherwertigen Nutzung taugen.
Bei uns ist das beispielsweise ein Stück steiler Hangfläche von nicht ganz 300 Quadratmeter und ein ebenes Gelände mit steinigem Boden von 100 Quadratmeter Grundfläche.
Die Hangfläche, die ursprünglich nur mit allerlei Wildgehölzen und Haselnüssen bewachsen war, haben wir seit 2004 nach und nach mit Robinen (Robinie pseudoacacia) bepflanzt; die Anschlussfäche dazu mit zwei Walnüssen (Sorte ‚Jupiter‘ und ‚Mars‘) 2022 kamen noch zwei Esskastanien (Castanea sativa) in Edelsorten hinzu. Auf dem flachen Teil steht ein Stück Fläche als Wiese frei und der Rest erhielt neben einigen kleinen Apfelbäumen und Mirabellen drei Pflanzen einer nicht zu üppig wachsenden Haselnuss – ebenfalls eine Edelsorte. Das flache Stück Unland wurde zum zusätzlichen Hühnergehege für gut 20 bis 25 Legehennen, wie auch ein Teil des Hang-Wäldchens. Allerdings machte es sich hier erforderlich die Böschungen mit flach auf den Boden aufgelegte Drahtgittermatten zu schützen, auf denen das Grün hindurchwachsen kann. Die Hühner würden sonst in wenigen Wochen durch ihr Scharren den ganzen Hang abtragen. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Das ist unser Waldgarten.
Hühner gehören dazu
Das oben beschriebene, fertige Konzept sehe ich jedoch gern in Kombination mit dem Hühnerstall verbunden, also mit der Hühnerhaltung. Immerhin hält das Federvieh auf der gesamten Weidefläche vom hainartigen bis zum völlig überschatteten Baumbestand den Bodenbewuchs kurz; „pflegt“ ihn also.
Die Hühner sorgen für eine reichliche Düngung, welche definitiv den Holzzuwachs in diesem Bereich im Vergleich (ohne Hühnerhaltung) vermutet um das Doppelte beschleunigt [3].
Der Kaminholz-Wald produziert Bionahrung für das Federvieh, wie Insekten und deren Larven. Die wiederum sind eine eiweißreiche Nahrung für die Eierproduzenten. Gleichzeitig wird das Schalenobst (Walnuss und Esskastanie) vor Schädlingen geschützt. das sind Haselnussbohrer (Curculio nucum) und Esskastanienboher (Curculio elephas), die eine komplette Ernte zunichte machen können.
Anderersseits schützt der Hain und Wald die Tiere vor Raubvögeln, vor Hitze an heißen Sommertagen oder ebenso gut vor kräftigen sommerlichen Gewittergüssen.
Rentabilität
Wenn wir und nun einmal, nur in aller Kürze, den Nutzen dieser Kombination vor Augen halten, werden wir schnell erkennen, was solch ein Konzept leisten kann.
- Eier
- Suppenhühner
- Schalenobst
- Bienenweide (teils also auch Honig von Robinien und Kastanienblüten)
- Robinienblüten als Zuckerlieferant [4]
- Stangenholz (z.B. für Holzpflöcke)
- Brennholz (Brennholz liefert Holzasche, die ein Dünger ist)
- Laubgehölze liefern Laub-Komposterde
Wenn ich nun allein nur die Ausbeute an Brennholz in den Fokus setze, dann kann der Nutzen eines funktionierenden Waldgartens enorm sein. Ich gehe einmal davon aus, dass ich mindestens einen Festmeter (also 1 m³) Brennholz (luftgetrocknet) von meinem Hang-Wäldchen ernte. Das entspricht geschätzt 500 Kilogramm. 2,5 Kilogramm lufttrockenes Holz entspricht einem Liter Heizöl [5]. Nach Adam Ries, dem Annaberger Mathematiker, entspricht meine Kaminholz-Ernte 200 Liter Heizöl. 200 Liter Heizöl entsprechen energetisch etwa 200 Kubikmetern Erdgas.
Das ist enorm! (weitere Berechnungen dazu) Der aufmerksame Leser ahnt sicher, welches Potential in solche einem Waldgarten-Konzept stecken kann. Und das kann sogar noch erweitert werden, wenn wir etwa die Möglichkeit haben, unser Konzept mit einem kleinen Karpfenteich zu kombinieren.
Fazit
An diesen zwei Beispielen möchte ich zeigen, dass heutigentags zwar überall recht spektakuläre Waldgarten-Projekte anpreist und deren Nutzen als „essbaren Wald“ in den Vordergrund stellt [6]. Hingegen werden die hier skizzierten, eher unspektakulären Varianten, gern übersehen. Doch diese sind genau genommen super-effizient.
Fukuoka Masanobu war nahe dran, für seine Nichtstun-Landwirtschaft den alternativen Nobelpreis zu bekommen, doch habe ich sein Konzept – wie schon erwähnt – bisher nirgendwo nutzbringend verwirklicht gesehen. Sein Waldgarten-Konzept schon…
Quellen und Ergänzungen
Der vorliegende, veränderte Beitrag wurde ursprünglich am 18.11.2023 veröffentlicht.
—
Bildrechte, Fukuoka Masanobu (Portrait) ©naturalfarming.org (https://de.wikipedia.org/wiki/Masanobu_Fukuoka#/media/Datei:Masanobu-Fukuoka.jpg)
[1] No-Till Farming: Dieser Begriff bezieht sich auf eine landwirtschaftliche Anbaumethode, bei der der Boden nicht gepflügt oder umgegraben wird. Im traditionellen Ackerbau wird der Boden vor dem Pflanzen oder Säen gepflügt (oder umgegraben), um Unkräuter zu beseitigen, die Bodenstruktur zu verbessern und das Saatbett vorzubereiten. Im Gegensatz dazu wird bei der No-Till-Methode auf das Pflügen verzichtet. Wenn man sich heute immer noch sehr für dieses No-Till Farming begeistert, so wird dabei schnell vergessen, dass Fukuoka sein Reisfeld, wie im Reisanbau üblich, auch zeitweise mit Wasser flutete, was den Unkrautwuchs verhindert. Dieser Teil wird hierzulande negiert. Was wir also gern als No-Till Farming bezeichnen, hat mit der Methode des Fukuoka nichts zu tun.
[2] Zum Beispiel funktionieren Mulch-Technologien in der Landwirtschaft und im Gartenbau oft nur unter besonderen regionalen Voraussetzungen.
[3] Ich habe im Moment keine Kennzahlen, was den zusätzlichen Zuwachs in Holzplantagen betrifft, wenn gedüngt wird. Als gelernter Baumschulgärtner gehe ich von der Praxiserfahrung aus und halte den doppelten Holzzuwachs (im Vergleich zum Wachstum ohne Düngung) für realistisch.
[4] Man such nach „Ausgebackene Robinienblüten-Pfannuchen, -Longtrink, -Likör“ usw.
[5] https://www.carmen-ev.de/2020/10/27/so-viel-heizwert-steckt-im-holz/
[6] Ein Beispiel, welches den Waldgarten als „essbaren Wald“ (oder essbaren Park) sieht, steht heute für viele derartiger Projekte: https://web.archive.org/web/20240418060727/https://www.ackerbaum.de/blogs/gartenfreunde-magazin/waldgarten-anlegen-worauf-kommt-es-an
Arbeitskreis “Forschungsgemeinschaft neue Gartenstadt” [3I26.01.24]