Selbstversorgung mit gehobener Küche?
🥣 Diese Recherche ergänzt meinen gestrigen Blog-Artikel mit dem Titel: „Wie wird eine Brühe klar? Und was hat das mit Selbstversorgung zu tun?„ Dort ging es um die Klärung von Fonds und Brühen – ein Verfahren, das gemeinhin der gehobenen Küche zugeschrieben wird. In der Einleitung führte ich jedoch aus, dass nichts dagegen spricht, eine traditionelle Selbstversorgungswirtschaft mit einer Form von anspruchsvoller, aber dennoch alltagstauglicher Küche zu verbinden. Wer sich selbst versorgt, sollte auch das Handwerk der hochwertigen Brühen und Suppen beherrschen – und dazu gehört unweigerlich das Wissen um klare Brühen. Im Blog-Artikel beschrieb ich daher das bei uns übliche Verfahren: die Consommé-Clarification, also die Eiweiß-Klärungsmethode.
Morgens eine chinesische Gemüsesuppe…
Allerdings – und hier wurde der letzte Artikel schlicht zu lang – blieb kein Raum, um die Besonderheiten der asiatischen Küche näher zu beleuchten, wo das Klären von Brühen auf gänzlich andere Weise geschieht. Gerade dieser Aspekt wurde für mich besonders spannend, da wir seit Jahren unser Frühstück unter der Woche durch eine japanische oder chinesische Gemüsesuppe ersetzt haben – anstelle des klassischen Brötchens mit Marmelade. Diese Suppe wird in der Regel am Sonntagabend für die gesamte Arbeitswoche vorbereitet und bleibt, mit Ausnahme des verwendeten Butterschmalzes (Ghee) zur besseren Haltbarkeit, rein vegan. Eiweißhaltige Zutaten wie Champignons, Tofu, Kidneybohnen oder Eierstich fügen wir erst beim Servieren hinzu.
Abgesehen davon, dass eine morgendliche Suppe als besonders bekömmlich und energiespendend gilt, ermöglicht sie ein schnelles, unkompliziertes Frühstück mit minimalem Aufwand und Geschirr. Diesen pragmatischen Ansatz haben wir uns bei den Japanern abgeschaut – einem Volk, dem man Effizienz sicher nicht absprechen kann. Doch neben der Effizienz fasziniert mich in der japanischen Küche besonders das ausgeprägte Streben nach Schönheit, Ästhetik und Perfektion. Genau diese drei Prinzipien versuche ich, in unsere Alltags-Selbstversorgerküche einfließen zu lassen.
Daher sollten wir nicht nur wissen, wie eine ostasiatische Gemüsesuppe zubereitet wird, sondern auch verstehen, wie sich die Optik der Brühe klar und rein bewahren lässt. Hier sind meine Rechercheergebnisse – vieles davon war mir selbst neu:
Blick nach Asien und Fernost
In den meisten traditionellen asiatischen Küchen wird die Consommé-Klärung im europäischen Sinne – also mit Eiweiß oder Clearmeat – nicht angewendet. Stattdessen existieren alternative Methoden zur Herstellung klarer Brühen, die nach anderen Prinzipien funktionieren. Werfen wir einen genaueren Blick darauf:
Consommé-Klärung im europäischen Kontext
Wie zuvor beschrieben, ist die Consommé-Klärung eine klassische europäische Technik (vor allem französisch geprägt), die Eiweiß allein oder eine Mischung aus Eiweiß, gemahlenem Fleisch und Gemüse (Clearmeat) verwendet, um eine Brühe kristallklar zu machen. Diese Methode entstand in der gehobenen europäischen Küche, um ästhetische Klarheit mit intensivem Geschmack zu kombinieren.
Traditionelle asiatische Brühen
In asiatischen Küchen – z. B. in China, Japan, Thailand oder Vietnam – spielen klare Brühen eine wichtige Rolle, aber die Klärung erfolgt anders als bei einem Consommé. Hier sind einige Beispiele:
1. Japan: Dashi und klare Suppen
- Technik: In der japanischen Küche wird Dashi (eine Basisbrühe aus Kombu-Algen und Katsuobushi-Bonitoflocken) oft verwendet. Dashi ist von Natur aus klar, da die Zutaten nur kurz gekocht und dann abgeseiht werden. Für traditionelle klare Suppen (z. B. Suimono) wird die Brühe durch sorgfältiges Kochen und Filtrieren geklärt, ohne Eiweiß oder Fleisch hinzuzufügen.
- Unterschied: Keine Raft-Bildung wie beim Consommé; die Klarheit kommt durch Minimierung von Trübstoffen beim Kochen und Abseihen mit feinen Sieben oder Tüchern.
- Beispiel: Eine klare Suppe mit Shiitake und Tofu bleibt zart und transparent, ohne westliche Klärungstechniken.
2. China: Klare Brühen (Qingtang)
- Technik: In der chinesischen Küche gibt es klare Brühen wie Qingtang („klare Suppe“), die oft aus Huhn, Schwein oder Rind zubereitet werden. Die Klärung erfolgt durch langsames Köcheln und wiederholtes Abschäumen von Schaum und Fett, manchmal mit einem Blanchieren der Knochen vorher, um Verunreinigungen zu entfernen.
- Unterschied: Eiweiß oder Clearmeat werden traditionell nicht verwendet. Stattdessen wird die Brühe durch Geduld und manuelles Entfernen von Trübstoffen klar gehalten.
- Beispiel: Eine klare Hühnerbrühe für Wantan-Suppe wird durch langsames Garen und Abschäumen erreicht.
3. Vietnam: Pho-Brühe
- Technik: Die Brühe für Pho, eine berühmte vietnamesische Nudelsuppe, soll ebenfalls klar sein. Dies wird durch langsames Kochen von Knochen (oft Rind), Blanchieren der Knochen vorab und ständiges Abschäumen erreicht. Manchmal werden Zwiebeln oder Ingwer geröstet und hinzugefügt, aber keine Eiweiß-Klärung.
- Unterschied: Die Methode ist arbeitsintensiv, aber ohne die chemische Koagulation des Eiweißes.
4. Thailand und andere südostasiatische Küchen
- Technik: Klare Brühen (z. B. für Tom Yam) werden oft durch sorgfältiges Kochen und Abseihen hergestellt. Die Klarheit ist hier weniger zentral als der Geschmack, aber wenn sie gewünscht ist, wird ähnlich wie in anderen asiatischen Küchen abgeschäumt und gefiltert.
- Unterschied: Keine Verwendung von Eiweiß oder Clearmeat.
Gibt es Ausnahmen?
In modernen asiatischen Küchen, insbesondere in gehobenen Restaurants oder bei Köchen mit westlicher Ausbildung (z. B. in Japan bei Kaiseki-Restaurants mit internationalem Einfluss), könnte die Consommé-Technik vereinzelt übernommen worden sein. Einige zeitgenössische Köche experimentieren mit westlichen Methoden, um traditionelle Gerichte zu verfeinern. Das ist jedoch nicht Teil der traditionellen Praxis und eher eine Fusion-Küche.
Warum keine Eiweiß-Klärung in Asien?
Kulturelle Prioritäten
In vielen asiatischen Küchen steht der Geschmack über der optischen Klarheit. Eine leicht trübe Brühe wird oft akzeptiert, solange sie aromatisch ist.
Praktikabilität
Die Eiweiß-Methode erfordert zusätzliche Zutaten und präzise Schritte, während asiatische Techniken auf Einfachheit und vorhandene Mittel setzen (z. B. Abschäumen, Filtrieren).
Historischer Kontext
Die Consommé-Technik entstand in Europa im Zuge der klassischen französischen Küche (18.–19. Jh.), während asiatische Küchen ihre eigenen Methoden über Jahrhunderte entwickelten.
Fazit
👨🍳 Es lohnt sich, diesen Überblick hin und wieder in den Blick zu nehmen und in der Küche mit verschiedenen Techniken zu experimentieren. Natürlich will ich die Sache mit der klaren Brühe nicht zur Wissenschaft erheben – aber dort, wo es sich anbietet und das nötige Wissen vorhanden ist, spricht nichts dagegen, es gezielt anzuwenden.
Allerdings bleibt noch die spannende Frage, inwieweit sich dieser Effekt auch mit bestimmten Gemüsesorten gezielt beeinflussen lässt. Und während ich darüber nachdenke, dämmert mir eine Erkenntnis: Wahrscheinlich war es ein besonders kluger Koch – oder eine ebenso weise Köchin –, der oder die angesichts einer unerwartet trüben Brühe pragmatisch handelte und mit einem Griff zum Pürierstab die Cremesuppe erfand. Eine Meisterleistung der Küchen-Diplomatie.
🍅 Und hier folgt noch ein tolles Rezept für eine Tomatencremesuppe mit mildem, würzigen Geschmack.