Werde, was du wirklich bist – Gedanken zur Mittsommernacht

Mittsommernacht

[noch ein Gedicht>>]

✨ Es ist schon ein wenig merkwürdig: Im Vergleich zu den Festen, Ritualen und Volksbräuchen rund um die Wintersonnenwende – wo äußerste Regsamkeit herrscht und man versucht, der Dunkelheit irgendwie mental zu entfliehen – liegt in der Mittsommerzeit, trotz der vielerorts aufwendigen Sonnenwendfeuer, spirituell irgendwie nichts Greifbares vor.

Genau genommen findet man schon zu Pfingsten kaum noch Interesse an irgendeiner natur-spirituellen Andacht. Wer in katholischer Tradition lebt, mag noch mit der Fronleichnamsprozession dem Alltagsleben eine geistige Höhe geben.

Doch auch wer nicht besonders religiös ist, wird in den vielen christlichen Jahreskreisfesten auf seine Weise Sinn finden – zumal diese Feste älter sind als das Christentum selbst. Und wer heute seine ursprüngliche, indigene Religiosität in sich wiederentdeckt hat, weiß, dass die ganzheitliche Spiritualität dieser Jahreskreisfeste – wie Beltane, Samhain oder Yule – auf noch älteren Fundamenten ruht.

Und immer noch steht die Frage im Raum:
Können wir der Zeitqualität der Mittsommerzeit und der kurzen, magischen Mittsommernächte etwas wirklich Sinnstiftendes und Veränderndes abgewinnen?
Das sollten wir.

Das Besondere dieser Zeit – die, wie eingangs erwähnt, nichts unmittelbar „Erhabenes“ greifbar macht – liegt vielleicht genau darin:
Dass es Dinge gibt, die schwer formulierbar sind, und die nicht „gepredigt“ werden können.

Vielleicht ist das so, weil es in dieser Zeit gar nicht um feste äußere Formen geht, sondern um Veränderung. Schweigende Veränderung.

 


Eine durchaus verbreitete spirituelle Deutung ist es, mit der Kraft der Sonne ein rituelles Loslassen zu praktizieren und dem Gedanken der Transformation zu folgen. Das sehe ich auch so. Doch – mal ehrlich – wem hilft das wirklich? Zumal es der erste Ratschlag eines jeden Psychotherapeuten ist.

Zumindest sollten wir beim Loslassen und Transformieren vorher schon wissen, wohin wir uns eigentlich begeben wollen. Ist das nicht so?

Es ist so.
Aber – was ist es?

Das ist die Botschaft, die dir niemand sagt.
Ist es das Nicht-Greifbare?

Ich hätte eine Antwort, die wir ins Zentrum des Festes der Mittsommerzeit und ihrer Nächte stellen könnten:

Werde, was du wirklich bist.

Jetzt – im Licht der langen Tage.
In den Abenden der Zeitlosigkeit wirst du dieses Bild von dir finden.
Werde, was du wirklich bist.
Sei nicht das, was andere von dir erwarten,
sondern das, was du von dir selbst erwartest.
Dafür kannst du deine Hindernisse loslassen –
und über die verlöschende Glut des Sonnenwendfeuers springen…
wie es einst die Jungen der Alten taten…

Es folgt noch ein kuzes Gedicht zur Sommersonnenwende, zu dem ich die Interpretation nun schon vorweg genommen habe. Ich wünsche dir Frieden, Heil und Segen zur Mittsommerzeit.

Mittsommernacht

In endlosen Weiten wandern wir
und in endlichen Zeiten finden wir Funken
im Licht unsrer einstiger Welten,
die flüsternd ruh’n
in Gedankensplittern,

wo Schleier der Zeit sich noch sanft sie verhüllen
und Tagnächte aus Licht sich entfalten.

Ein fernes Erinnern zieht durch die Schatten,
umhüllt von Sternenräumen,
als wollten vergangene Tage erwachen,
im Traum, den die Seele bewahrt.

M. Morgenstern, 2023

Frauenportait Mittsommertraum

 

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