Bild oben: Perllauch-Zwiebeln. Sie entstanden 2023 spontan aus Pflanzzehen des Elefanten-Knoblauchs. Ich vermute, dass sich aus den großen Zwiebeln der Cluster nach und nach wieder Knoblauch ziehen lässt…
[Übersicht: Lauch und Knoblauch]
Ein Schwerpunkt: Lauch und Knoblauch
Einer der Schwerpunkte meiner Arbeit, den ich hier im Blog bereits oft erwähnt, aber noch nie ausführlich behandelt habe, ist der Themenkreis rund um Lauch und Knoblauch. Genauer gesagt geht es um Allium ampeloprasum, den Ackerlauch im Allgemeinen und seine bemerkenswerte Variationsfähigkeit im Besonderen. Hat man einen solchen „Ur-Lauch“ – oder besser gesagt einen Ur-Kulturlauch – im Garten, so ist es tatsächlich möglich, daraus je nach Bedarf Perlzwiebeln, Knoblauch, Porree oder Winterschnittlauch zu kultivieren.
Elefantenknoblauch
Mein Interesse für diese uralte Kulturpflanze wurde vor Jahren geweckt, als ich im Gartenmarkt einige Zwiebeln des sogenannten Elefantenknoblauchs [1] erwarb. Diese kultivierte ich gemeinsam mit anderen Knoblauchsorten, verlor sie aber aus den Augen. Später entdeckte ich auf einem Trampelpfad zwischen den Beeten einen kräftig wachsenden Lauch, der vermutlich aus einer vergessenen Nebenzwiebel oder Knoblauchzehe hervorgegangen war. Besonders auffällig war seine Vitalität: Trotz wiederholten Niedertretens richtete er sich immer wieder auf und bildete am Ende beachtliche Knoblauchzehen.
Vermehrung und erste Beobachtungen
Diese Knoblauchzehen pflanzte ich erneut auf ein Beet und erhielt ein halbes Dutzend gut ausgebildeter Elefantenknoblauchpflanzen (Allium ampeloprasum var. Holmense). Da diese Exemplare blühten, ließ ich bei der Hälfte die Blüten ausreifen. Im Oktober 2022 war der Samen bereit, geerntet zu werden, zusammen mit den Zwiebeln, von denen ich einige Zehen sofort für die Saison 2023 auspflanzte. Bis dahin verlief alles wie erwartet – doch 2023 änderte sich das.
Ein ungewöhnlicher Austrieb
Die im Oktober gepflanzten Knoblauchzehen überwinterten problemlos und trieben im Frühjahr kräftig aus, wie auf den beigefügten Fotos zu sehen ist. Ende April 2023 säte ich zudem die Samen der abgeblühten Holmense-Knoblauchpflanzen auf einem Quadratmeter Beet aus, um die Jungpflanzen später zu verpflanzen. Zunächst entwickelten sich daraus kräftige Porreepflanzen – dazu später mehr. Zunächst jedoch zurück zu den Knoblauchzehen.
Im Mai bemerkte ich an einigen Pflanzen neben dem Hauptaustrieb zahlreiche kleine Blattspitzen, die direkt vom Zwiebelboden ausgingen. Bei der Ernte dieser Pflanzen stellte ich fest, dass sie keine klassischen Knoblauchzehen ausgebildet hatten, sondern Klumpen kleiner Zwiebelchen (Beitragsbild ganz oben). Im Gegensatz zu den üblichen länglichen Knoblauchzehen waren diese Cluster nicht von einer gemeinsamen Hüllhaut umschlossen, sondern die kleinen „Perlzwiebeln“ besaßen lediglich eine dünne, individuelle Hülle (siehe Beitragsbild ganz oben).
Perlzwiebel und Perllauch
Mit dem Begriff „Perlzwiebeln“ ist dieses Phänomen treffend beschrieben. Im deutschsprachigen Raum werden diese Formen jedoch oft als Perllauch bezeichnet, da der Begriff „echte Perlzwiebeln“ für eine schwachwüchsigere Varietät [2] reserviert ist. Ich bin jedoch überzeugt, dass die klassischen Perlzwiebeln, die früher für Mix-Pickles verwendet wurden, genau dieser Perllauch ist, wie er in meinem Garten aufgetaucht ist. Heute sind diese „Perllauch-Perlzwiebeln“ für die industrielle Produktion und Verarbeitung allerdings durch spezielle Sorten der Küchenzwiebel (durch die Silberzwiebel) ersetzt worden.
Der Perllauch liefert uns nicht nur Zwiebeln – die übrigens mehr nach Zwiebel schmecken, als nach Knoblauch – sondern auch eine Art Winterschnittlauch. Die Zwiebeln pflanzen wir für diese Zwecke im September etwas dichter in einer Reihe und dann haben im Winter wunderschönes Schnittgrün, dass wie Schnittlauch schmeckt. Es treibt im März rasch nach und kann dann noch mehrmals geschnitten werden kann.
Nun noch ein Blick auf die Mutterpflanzen der 2022 gepflanzten und 2023 teils entarteten Knoblauchzehen. Die Samen, die ich ausgesät hatte, entwickelten sich nach der Verpflanzung rasch zu wüchsigen Porreepflanzen. Ihr kräftiges Wachstum motivierte mich, zu testen, ob ein Teil der Pflanzen mit Wurzeln im Boden bleiben und erneut austreiben würde – mit Erfolg. [mehr dazu]
Fazit
Die Wandlungsfähigkeit des Ackerlauchs
Meine Beobachtungen zeigen, dass der Ackerlauch (Allium ampeloprasum) stark zur Variation neigt. Die kultivierte Form, var. Holmense, kann je nach Kulturführung in drei verschiedene Formen variieren: Knoblauch, Porree oder Perlzwiebeln. Dies deutet darauf hin, dass ähnliche Variationen bereits in der Entstehung der heutigen Unterarten stattgefunden haben.
Ob ursprünglich der Knoblauch oder der Porree „zuerst da“ war, bleibt unklar, ähnlich der Frage nach der Henne und dem Ei. Sicher ist jedoch, dass die frühe Kultivierung von Ackerlauch mit einer Riesenwüchsigkeit der Pflanzen begann und später durch Hybridisierungen ergänzt wurde.
Auf jeden Fall wird sich bei Knoblauch oder halt bei der Lauchform zuerst eine Riesenwüchsigkeit eingestellt haben, als der erste Schritt der Entstehung einer Kulturpflanze. Im zweiten Schritt folgen dann in der Regel Hybridisierungen, der Logik folgend durch generative Vermehrung bedingt. Und mit der Hybridisierung werden dann auch Mutationen möglich, beziehungsweise wahrscheinlicher. (In dieser Reihenfolge müssen wir uns die Kulturpflanzen-Entstehung vorstellen).
Es sei mir noch der Hinweis gestattet, dass die Urheimat das Ackerlauchs in Zentralasien zu suchen ist, zentral auf dem sogenannten dem eurasischen Steppengürtel. Hier verband sich also die genetische Vielfalt, verstärkt durch die Handelswege der „Steppe-Autobahn“ und könnte genau dort viel zur Entwicklung etlicher unserer heutigen Kulturpflanzen beigetragen haben.
Lauch, Knoblauch und die frühen Hochkulturen
Spannend ist die Frage, ob leistungsstarke Hybrid-Kulturpflanzen wie Lauch oder Knoblauch auch einen Einfluss auf die Entstehung früher Hochkulturen hatten, wie z. B. bei den Megalithkulturen Westeuropas oder im alten Ägypten. Schließlich erleichterten Pflanzen wie Knoblauch auch die bekömmliche Zubereitung von Fleischspeisen, die wiederum die nötigen Kalorien für die prähistorischen Bautätigkeit lieferten.
Und ich sehe einen Zusammenhang mit der slash-and-burn agriculture, also mit der Brenn-Kultur. Vielleicht war Knoblauch bereits in der prähistorischen Zeit ein geschätztes „Nebenprodukt“ des Fire-Stick Farming und damit ein Begleiter der frühen Jäger und Sammler. Lauch ist ein Profiteur von derartigen Brandereignissen. Man kennt so etwas auch von der nordamerikanischen Prärie, wo Feuer eine ähnliche Rolle spielte wie in den Steppen Eurasiens. Viele Präriepflanzen, einschließlich einiger Wildlaucharten (wie Allium cernuum, der „Nodding Onion“), haben sich an regelmäßige Brände angepasst. Allium cernuum ist eine in der Prärie heimische Art, die nach einem Brand oft schneller wächst und blüht, weil die Konkurrenz durch andere Pflanzen vorübergehend reduziert ist.
Quellen und Bemerkungen
[1] Elefantenknoblauch, Elephant Garlic: Allium ampeloprasum var. Holmense
[2] Die botanische Bezeichnung der Echten Perlzwiebel ist Allium porrum var. sectivum LUEDER (Syn. Allium ampeloprasum subsp. sectivum.).
[3] Der Allium ampeloprasum ampeloprasum Porrum Group zugehörig.