Bild oben: Die Villen und Gärten der Phönizier waren wohl paradiesisch schön (Symbolbild). Siehe Zitat unten: „Im Garten Eden wohnst du!“ [3].
Vorbetrachtung
◾ In einer kurzen Quellenstudie stellte ich in meinem Blogbeitrag am 29. Juni 2024 den Bericht des Herodot vor, der im 42. Kapitel des IV. Buches seiner Historien (ἱστορίαι) über eine Umsegelung von Afrika durch die Phönizier (um 600 v. Chr.) berichtet. Das Interessante an diesem Bericht war – jedenfalls für mich – gar nicht so sehr die seemännische Leistung, als die merkwürdige Erwähnung, dass die Seefahrer in den drei Jahren ihrer Expedition vermutlich zweimal für einige Monate an Land gingen, Felder in der Wildnis anlegten, Getreide säten, ernteten und damit ihren Proviant aufstocken [1]. Vermutlich diente die Zeit dieser Aufenthalte auch dazu, den allgemeinen Gesundheitszustand der Schiffsbesatzungen wieder zu stärken und vielleicht auch eine Art Basislager zu schaffen – jedenfalls zeigt es uns, dass wir diese ältesten und vorgeschichtlichen seefahrerischen Unternehmungen vielschichtiger betrachten sollten, als wir es heute vielleicht tun.
Die Phönizier waren nicht nur Seefahrer
Dabei bin ich mir auch sicher, dass die Bewertung der Fähigkeiten der Phönizier auch in der Hinsicht unterschätzt wird, in welcher Art und Weise sie sehr professionell ihre Nahrungsmittel auf den Fahrten völlig (?) autark produzieren konnten. Wer sich nur ein wenig mit Landwirtschaft auskennt, der wird mir sicher beipflichten, dass diese antike Händler- und Seefahrer-Nation wohl eine noch bessere Agrar-Nation gewesen sein muss.
Wenn es nun aber thematisch um die Gartenbau- und Agrargeschichte der alten Welt am Mittelmeer geht, lesen wir immer wieder von deren Ursprung bei den Römern. Bekannt, aber kaum wahrgenommen ist die Tatsache, dass die Mittelmeerkulturen zumindest zu einem bedeutenden Teil von den Phöniziern Gartenbau und Landwirtschaft erlernten.
Um den Fokus wieder mehr auf diese Tatsache zu lenken, möchte ich hier noch einmal Professor Felix Anderegg (1834–1911) anführen, aus dessen kurzen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Gemüsebaues [2] ich bereits am 6. Mai 2024 (Der Garten der Germanen) zitierte. ANDEREGGs Ausführungen sind unterhaltsam und gleichermaßen wissenstief und einprägend, sodass sie uns ganz sicher gut in Erinnerung bleiben und nutzbringend sind, wenn wir einmal fachliche Kommentare zur Agrargeschichte einschätzen müssen:
Die antike Gartenbau-Nation der Phönizier nach Prof. Felix Anderegg
Quelle [2]:„Aus dem Halbdunkel der Sagenwelt treten ums Jahr 2100 v . Chr. zuerst die Phönizier in’s klare Licht der Geschichte. Ihre Meerfahrten blieben für die westlichen Küstenländer des Mittelmeeres nicht ohne wohltätigen Einfluss.
Wohin die Söhne Phöniziens kamen, brachten sie Kultur, lehrten die Völker die Kunst des Ackerbaues, die sie allmählich zu einer Stufe der Zivilisation erhob, welche es möglich machte, mit ihnen Handel zu treiben. Ihr Heimatland, jener schmale Küstenstrich, glich einem großen Garten mit schönen Landhäusern; daher das Wort des Propheten: „Im Garten Eden wohnst du!“[3].
Sie brachten die veredelten Erzeugnisse ihrer Kultur auf die, von ihnen gegründeten Kolonien an der Nordküste von Afrika und auf die Inseln Italiens.
Von den Phöniziern lernten auch deren Nachbarn, die Juden, den Anbau der Gewächse kennen. Wir treffen schon in der Zeit der Patriarchen eine Hülsenfrucht, welche als menschliches Nährmittel diente, die Linsen, die in der Geschichte Jakobs mit Esau bekannt geworden sind. Moses erwähnt in seinen bürgerlichen Gesetzen namentlich des Krautes. Erbsen und Bohnen waren den Juden nichts seltenes ; ebenso Lauch, Zwiebeln, Kürbisse [Flaschnkürbis] und Melonen.
Zur Zeit der Könige [1051 bis 722 v. Chr.] finden wir auch den Kohl bei den Juden. Der König Ahab wollte dem Naboth den Weinberg abkaufen, um daraus einen Kohlgarten zu machen. Zur Zeit des getrennten Reiches finden wir, dass die Juden in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnhäuser bereits viereckige, abgezäunte Feldchen anlegten, worin sie verschiedene Küchengewächse sorgfältig anbauten und pflegten. Es sind dies unbestreitbar die erſten Spuren des Hausgartens.
Von diesen beiden Hauptvölkern des Altertums führt uns die Geschichte auf die Nordküste von Afrika, nach Karthago, einer von den Phöniziern gegründeten Kolonie. Auch hier baute man bereits um diese Zeit verschiedene Gemüse in eingezäunten Hausgärten an und pflegte sie mit Sorgfalt.
[Magos agrarwissenschfatliche Werke, siehe auch [4]
Die Karthager machten auch über den Anbau der Gewächse verschiedene Beobachtungen, die ein Karthager, Namens Mago, in einer Schrift niederlegte. […]
Die Schriften Mago’s wurden später von Dezius Syllanus [4], einem Römer, übersetzt, und es geht daraus hervor, dass Mago den Karthagern rät, die feineren Gemüſe auf der Nordseite des Gebirges zu pflanzen, da die Seeluft die große Hitze mildere.“ […]
Quellen und weitere Erläuterungen
[1] Herodot: „So oft die Saatzeit kam, landeten sie, bestellten das Feld, wo sie gerade in Libyen [Afrika] waren, und warteten die Ernte ab. Wenn sie aber das Korn eingeheimst hatten, fuhren sie weiter, bogen nach Verlauf von zwei Jahren im dritten durch die Säulen des Herakles und gelangten nach Ägypten.“ Vollständiger Text und Quellenangaben im Beitrag vom 29. Juni 2024.
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[2] ANDEREGG, Prof. Felix; Der Gemüsebau im Hausgarten und im freien Felde, nach den neuesten Grundsätzen der Wissenschaft; Zürich, 1880; Seite 11
https://books.google.de/books?id=Uchnsoklx2gC&dq=ANDEREGG
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[3] Die Bibelstelle befindet sich im Buch Ezechiel (Hesekiel). Es handelt sich um Ezechiel 28:13: „Im Garten Eden wohnst du, voll von Edelsteinen und prächtigen Gewändern, mit jedem herrlichen Schmuck umgeben, die du trugst am Tag deiner Erschaffung, als du bereitet wurdest.“
Diese Passage bezieht sich auf den phönizischen König von Tyrus und beschreibt ihn metaphorisch als jemanden, der im Garten Eden lebte.
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Weiteres zu Magos (28 Bände) umfassenden agrarwissenschaftlichen Werk
[4] Decimus Junius Silanus, häufig auch einfach als Junius Silanus bezeichnet, war ein römischer Senator und Gelehrter, der im 2. Jahrhundert v. Chr. lebte. Nach der Zerstörung Karthagos durch Rom im Jahr 146 v. Chr. wurden die karthagischen Bibliotheken den Königen von Numidien übergeben, doch ein Werk wurde von den Römern als zu wichtig erachtet, um es zu verlieren. Dabei handelte es sich um das Landwirtschaftshandbuch in punischer Sprache des karthagischen Autors Mago, dessen umfangreiche Abhandlung über Landwirtschaft in 28 Bänden verfasst war.
Magos Schriften deckten eine Vielzahl von Themen ab, darunter Pflanzenbau, Tierzucht, Weinanbau und die Pflege von Obstbäumen. Silanus wurde vom römischen Senat mit der Übersetzung beauftragt, nachdem das Werk nach Rom gebracht worden war. Etwa zur selben Zeit wurde es von Cassius Dionysius ins Griechische übertragen.
Die Übersetzung des Silanus ist verloren gegangen, ebenso wie Magos Original, aber durch die Übersetzung beeinflusste Magos Werk die Tradition der römischen Landwirtschaft nachhaltig.
Quellen hierzu:
- https://en.wikipedia.org/wiki/Decimus_Junius_Silanus_(translator_of_Mago)
- https://en.wikipedia.org/wiki/Cassius_Dionysius
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[TJ.24.10]