◾ Heute möchte ich im vorliegenden Blogbeitrag auf eine alte Quelle aufmerksam machen, welche die enge Verbindung vorgeschichtlicher Seefahrt mit dem Landbau aufzeigt. Offensichtlich ist es so, dass frühere Seefahrer – und hier sind besonders die Phönizier zu nennen – nebenher auch hervorragende Bauern bzw. Gärtner waren. Letzteres ist durch geschichtliche Quellen sehr gut belegt [1]. Hier möchte ich jedoch auf die recht eigentümliche Verbindung der Phönizier in Bezug auf Seefahrt und Landbau eingehen.
Die Seefahrer pausierten und bauten Getreide an
Unten zitiere ich die in der Wissenschaft schon viel diskutierte Quelle von Herodot (490/480– 430/420 v. Chr.) über die Umsegelung Afrikas durch phönizische Seefahrer. In dieser Quelle beschreibt der griechische Geschichtsschreiber eher beiläufig, dass diese Expedition zu ihrer Nahrungsmittel-Versorgung innerhalb von drei Jahren (vermutlich zwei mal) an der Küste Afrikas lagerte und Getreide zur Eigenversorgung anbaute, erntete und dann erst weitersegelte.
Bemerkenswert ist, dass sich die Wissenschaftler bisher sehr viel Gedanken darüber gemacht haben, ob die Phönizier wirklich Afrika umrundet haben. Des Weiteren wurden verschiedenste Vermutungen gemacht, welche Getreideart damals Verwendung fand und an welchen Stellen die antiken Seefahrer ihre Expeditionen unterbrachen.
Wenig wurde jedoch bisher diese eigentümliche Seefahrer-Praxis überhaupt thematisiert, welche hier beschrieben ist. Damit meine ich die Praxis der Verbindung von Landbau und Seefahrt [3].
Getreideanbau auf unbekanntem Terrain …
Was vielen Forschern dabei noch gar nicht so in den Sinn gekommen ist (bei MÜLLER aber gelegentlich herauszulesen), ist die Tatsache, dass der Getreideanbau auf solch unbekannten Territorium und den sehr verschiedenen afrikanischen Klimazonen vermutlich die größere Leistung war, als die Umsegelung des Kontinentes selber (siehe [1] Seite 78ff).
… mittels Brandrodungs-Hackbau
Im Übrigen ist es naheliegend, dass die Kulturmethode, welche beim besagten Getreideanbau in Frage kommt, der sogenannte Brandrodungsackerbau(Slash and Burn) war. Dabei wird das Kulturland durch Brandrodung urbar gemacht. Nach der Urbarmachung wird es mit Hacke oder Grabstock bearbeitet (Hackbaukultur). Mit dieser Art Landbau (die in Afrika auch südlich der Sahelzone üblich und beheimatet war) lassen sich definitiv die sechsfachen Erträge (!) gegenüber dem üblichen Pflugbau erzielen!
In diesem Zusammenhang habe ich die Vermutung, dass die eine oder andere Kulturpflanze auch durch diese eigentümliche frühe Seefahrer-Praxis weltweit Verbreitung fand.
Übrigens: Ein Kandidat, den ich im Speziellen hierbei im Auge habe ist Allium ampeloprasum, der Ackerlauch, den wir nicht nur im Mittelmeerraum heimisch finden (obgleich er aus Zentralasien stammt), sondern auch in interessanten Varietäten an der Westküste Englands, an den Küsten Irland, auf den kanarischen Inseln, aber auch an zahlreichen Küsten der neuen Welt, also Amerika. Doch möchte ich auf dieses Thema erst in einem späteren Beitrag eingehen. Bis dahin soll als Einstimmung untern die Video-Quelle genügen [4].
Hier ist nun der knapp gehaltene Bericht Herodots, den ich der hochinteressanten Publikation aus dem Jahre 1890 entnommen habe.
MÜLLER, Willi; Die Umsegelung Afrikas: Durch Phönizische Schiffer ums Jahr 600 v.Chr. Geburt von Willi Müller (Dr. phil., Oberlehrer); Rathenow, 1890; Seite 4
Quelle, der Text von Herodot:
Herodot erzählt im 42. Kapitel des IV. Buches seiner Historien (ἱστορίαι) Folgendes: „Es ist klar, dass Libyen [Afrika] vom Meere umflossen ist, mit Ausnahme des Teiles, der an Asien grenzt, und dies hat Necho [26. Dynastie, 610 bis 595 v. Chr.], der König von Ägypten, soweit wir wissen, zuerst bewiesen. Als dieser nämlich die Arbeiten an dem Kanal einstellen ließ [Bubastis-Kanal, Vorläufer des Sueskanals], der aus dem Nil in den arabischen Busen führen sollte, sandte er phönizische Männer zu Schiffe ab mit dem Befehl, auf der Heimreise durch die Säulen des Herakles zu fahren und so über das nördliche Meer nach Ägypten zurückzukehren. Die Phönizier segelten demgemäß aus dem roten Meere ab und fuhren in das Südmeer. So oft die Saatzeit kam, landeten sie, bestellten das Feld, wo sie gerade in Libyen [Afrika] waren, und warteten die Ernte ab. Wenn sie aber das Korn eingeheimst hatten, fuhren sie weiter, bogen nach Verlauf von zwei Jahren im dritten durch die Säulen des Herakles und gelangten nach Ägypten. Sie erzählten aber – was mir zwar nicht glaublich ist, vielleicht aber einem andern – dass sie bei ihrer Fahrt um Libyen die Sonne zur Rechten gehabt“
Die Publikation von MÜLLER ist absolut lesenswert, zumal wir – wie bei vielen Publizisten den 19. Jahrhunderts von einer sehr guten Kenntnis antiker Literatur inklusive der altgriechischen Sprache ausgehen können. Müllers Publikation ist unter Webarchive.org als PDF abzurufen:
Wer waren die Phönizier?
Die Phönizier gelten als ein altes semitisches Volk, das im östlichen Mittelmeerraum lebte. Ihre Zivilisation erstreckte sich hauptsächlich über das Gebiet des heutigen Libanon sowie Teile von Syrien und Israel. Bekannt waren sie für ihre herausragenden Seefahrts- und Handelsfähigkeiten. Sie errichteten Handelsrouten, die sich über das gesamte Mittelmeer erstreckten und gründeten Kolonien in Nordafrika, Spanien und sogar bis nach Britannien und darüber hinaus.
Die phönizische Zivilisation entstand etwa im 3. Jahrtausend v. Chr. Die wichtigsten Städte waren Tyros, Sidon und Byblos. Diese Stadtstaaten waren politisch unabhängig voneinander, aber kulturell und wirtschaftlich eng verbunden.
Eine der bedeutendsten Errungenschaften dieser Seefahrerzivilisation war die Entwicklung eines Alphabets, das als Vorläufer vieler moderner Schriftsysteme, einschließlich des griechischen und lateinischen Alphabets, gilt.
Weiteres zur Gartenbaugeschichte:
(2.7.2024) Phönizier – die Seefahrer- und verkannte Gartenbau-Nation
Quellen, Erläuterungen
[1] MÜLLER, Willi; Die Umsegelung Afrikas: Durch Phönizische Schiffer ums Jahr 600 v. Chr. Geburt von Willi Müller (Dr. phil., Oberlehrer); Rathenow, 1890
[2] ANDEREGG, Prof. Felix; Der Gemüsebau im Hausgarten und im freien Felde, nach den neuesten Grundsätzen der Wissenschaft; Zürich, 1880; Seite 11
https://books.google.de/books?id=Uchnsoklx2gC&dq=ANDEREGG
[3] Ein gewisser Zusammenhang, der in der Antike zwischen Seefahrt und bäuerlicher Kultur bestand, lässt sich vielleicht auch bei Hesiod herauslesen. Hesiod war ein griechischer Dichter, der um 700 v. Chr. lebte. Seine Schrift „Werke und Tage“ ist ein didaktisches Gedicht, das aus über 800 Versen besteht. In diesem Werk gibt Hesiod Ratschläge zur Landwirtschaft und zum täglichen Leben, eingebettet in mythologische Erzählungen. Es behandelt Themen wie Gerechtigkeit, harte Arbeit und das richtige Verhalten im menschlichen Zusammenleben. „Werke und Tage“ ist eine der ältesten Quellen zur griechischen Mythologie und ländlichen Lebensweise der damaligen Zeit. In seinen landwirtschaftlichen Ratschlägen enthält das Werk aber auch Hinweise und Empfehlungen für Seefahrer. Hesiod betont die Wichtigkeit der richtigen Jahreszeit für die Seefahrt und gibt praktische Ratschläge, wie man sich auf Reisen vorbereiten sollte, um Gefahren zu vermeiden. Er warnt vor den Unwägbarkeiten des Meeres und hebt die Bedeutung der richtigen Zeitplanung hervor, um sicher zu segeln.
[4] Kanal: L Parks, 01.06.2014
Orktown-Lauch (Allium ampeloprasum) in voller Blüte entlang des Colonial Parkway
Da im Geschichtsbericht Homers nun einmal die Umsegelung Afrikas eine Rolle spielt und Müller in seinen Ausführungen das Anlanden der Seefahrer in Südafrika zum Zwecke der Getreideaussaat behandelte, möchte ich die folgende Ergänzung nicht unerwähnt lassen. Oben erwähnte ich kurz meine Annahme, dass man (neben Getreidesaaten) für ähnliche Zwecke auch Allium-Arten ausbrachte (man recherchiere auch über den Wert von Knoblauch in der historischen Schifffahrt). Bemerkenswert ist, dass es weltweit 800 bis 900 Arten von Allium gibt. Die Gattung Allium gehört zur Familie der Amaryllidaceae und umfasst bekannte Nutzpflanzen wie Zwiebeln, Knoblauch, Lauch, Schnittlauch und zahlreiche Zierarten.
Von den vielen Arten dieser besagten Gattung wächst nur eine einzige natürlich auf der südlichen Halbkugel. Dieses ist Allium dregeanum (Wild Zwiebel, essbar), die in Südafrika vorkommt. Alle anderen Formen der Gattung sind in der nördlichen Hemisphäre beheimatet. Diese Tatsache könnte uns natürlich zu der Annahme verleiten, anzunehmen, dass die Art durch Menschen der nördlichen Hemisphäre dorthin gelangte. Lies dazu auch:
hhttps://en.wikipedia.org/wiki/Allium_dregeanum
Ich habe Allium dregeanum seit diesem Jahr in meinem Garten unter Beobachtung und um deren möglichen Gebrauch als Kulturpflanzen zu testen. [TJ.24.8]