Stroh-Brennen auf Feldern: Stoppelbrennen (Stubble burning) in Indien. Richtig so… Weitermachen!*

Stoppelbrennen in Nord-Indien

[Dieser Artikel soll zum Nachdenken provozieren]

Das Problem

In vielen Teilen der Erde war es – und in Nordindien ist es auch heute noch so üblich (obwohl staatlich untersagt) [1] – dass auf den Feldern Stroh und Ernterückstände verbrannt wurden, um damit den Boden zu düngen. Insbesondere im Herbst, in landwirtschaftlich intensiv bewirtschafteten Regionen wie Punjab, Haryana und Uttar Pradesh, entzünden tausende von indischen Bauern nach der Reisernte das Stroh auf ihren Feldern.
Diese Methode, bekannt als Stoppelbrennen (Stubble burning), wird traditionell genutzt, um die Felder schnell für die nächste Aussaat vorzubereiten, Unkräuter zu bekämpfen und den Boden mit Nährstoffen zu versorgen, insbesondere im Fall des herbstlichen Reisstroh-Brennens für die Aussaat des Winterweizens.

Die Folgen dieser alten Agrartechnologie scheinen jedoch gravierend: Dichte Rauchschwaden verschlechtern über Wochen die Luftqualität, tragen zur Smogbildung in Städten wie Neu-Delhi bei, und verursachen Gesundheits- und Umweltprobleme. Diese Praxis steht seit Jahren unter Kritik von Umweltschützern und verschiedenen Lobbyverbänden, welche in Indien und anderswo die indigenen Akteure drängen, lieber die Vorzüge der „modernen Landwirtschaft“ zu nutzen und das Brennen zu lassen.

Hier folgen nun die vorgebrachten Argumente gegen das Stoppelbrennen:

Stubble burning. Die Gegenargumente.

Argument A. Luftverschmutzung und Gesundheitsprobleme

Die genannte Praxis erzeugt dichte Rauchschwaden, die die Luftqualität drastisch verschlechtern und insbesondere in Städten wie Neu-Delhi zu einer ausgeprägten Smogbildung führen. Kritiker argumentieren zudem, dass der Qualm die Sicht auf Straßen beeinträchtigt, dadurch das Risiko von Verkehrsunfällen erhöht und zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen wie Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Belastungen führt, verursacht durch die erhöhte Konzentration von Feinstaub und schädlichen Gasen [2].

Argument B. Umweltschäden

Das Stoppelbrennen verursacht erhebliche Umweltschäden durch die Emission von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO₂), Methan (CH₄) und Lachgas (N₂O), die, nach Ansicht der Kritiker, direkt zum Klimawandel beitragen [3]. Zusätzlich führt die intensive Hitze bei der Verbrennung zum Verlust der biologischen Vielfalt im Boden, da zahlreiche Mikroorganismen, die für die Bodenfruchtbarkeit und das Ökosystem wichtig sind, abgetötet werden.

Argument C. Schäden in der Bodenstruktur

Das Stoppelbrennen kann Bodenschäden verursachen, indem es die organische Substanz im Boden reduziert, was langfristig die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigt. Darüber hinaus wird berichtet, dass die intensive Hitze zur Verhärtung der oberen Bodenschicht führt, wodurch die Wasseraufnahme des Bodens erschwert wird.

Brennendes Reistroh
Symbolbild

Argument D. Energieverschwendung

Das Stoppelbrennen führt zu Energieverschwendung, da potenziell nutzbare Ernterückstände, die als Tierfutter, organischer Dünger oder Rohstoff für die Biogasproduktion dienen könnten, durch die Verbrennung unwiederbringlich zerstört werden.

Die Gegenargumente der indischen indigenen Bauern

Bauern, die ihre alte traditionelle Brenn-Kultur anwenden, argumentieren, dass das Stoppelbrennen eine schnelle, kostengünstige und praktikable Methode ist, um Felder für die nächste Aussaat vorzubereiten. Zudem wird Pflanzenasche als kostenloser Dünger angesehen. Sie weisen darauf hin, dass Alternativen wie Mulchen oder Biogasproduktion teure Maschinen, mehr Zeit und zusätzliche Ressourcen erfordern, die für viele Landwirte finanziell oder logistisch nicht umsetzbar sind.

Meine Recherchen und Thesen zum „Stubble burning“

1. Geringerer Ressourcenverbrauch durch das Stoppelbrennen

Ein Nullsummenspiel

Wenn man die Ressourcen der „modernen Agrarwirtschaft“ mit denen der traditionellen Methoden wie dem Stoppelbrennen vergleicht, zeigt sich, dass der Ressourcen-Verbrauch lediglich verlagert wird. Der Einsatz von Düngemitteln, deren Herstellung erhebliche Umweltbelastungen verursacht, sowie die Produktion und der Gebrauch von Herbiziden. Ähnliches gilt für Biogas- und Kompostieranlagen sowie Maschinen, die Diesel, Schmiermittel und regelmäßige Wartung benötigen. Alles in Summe trägt ebenfalls zur Umweltbelastung bei. Die CO₂-Bilanz moderner Alternativen verbessert sich oft nur scheinbar, da Emissionen und Umweltkosten entlang der Produktions- und Lieferkette entstehen und so lediglich verschoben werden.

Abhängigkeiten

Zudem führt der Erwerb von Technik und Agrarchemie zu unnötigen Abhängigkeiten für die Landwirte. Man sollte auch bedenken, dass der zeitliche, arbeitstechnische, bürokratische und vertragliche Aufwand der Bauern, um eventuell Kredite aufzunehmen und zu bedienen, ebenfalls in die Kategorie des unnötigen Ressourcen-Verbrauch fällt.

2. Rentabilität

Im Vergleich zur althergebrachten Brenn-Kultur bringt die moderne Agrar- und Düngetechnik etwa zwei Tonnen Weizen pro Hektar mehr an Ertrag, aber bei derzeitigen Marktpreisen und der geringen Betriebsgröße (um die 2 ha) der meisten indischen Bauern wirft dies Fragen zur Rentabilität auf.

3. Die Frage der Bodenqualität

Mein Hauptkritikpunkt richtet sich an die Argumentation, dass durch das Brennen auf den Feldern die Bodenqualität gemindert und die Bodenorganismen geschädigt werden. Wer solche Hypothesen äußert, sollte sich fragen, wie in vorgeschichtlicher Zeit Schwarzerdeböden in Zentralasien und Europa oder Terra-Preta-Böden in der präkolumbianischen Amazonas-Zivilisation entstanden sind. Die haben nämlich etwas mit dieser Brenn-Kultur zu tun.

Wenn die Temperaturen beim Abbrennen der Felder nicht zu niedrig sind, beginnen organische Materialien (Wurzeln, Mikroorganismen und Humus) in den oberen ein bis zwei Zentimetern durch Pyrolyse zu Holzkohlepartikeln zu verkohlen. Dies macht den Boden in seiner fruchtbaren Humusstruktur langfristig stabiler und fruchtbarer und es bindet Kohlenstoff im Boden. Die Bodenorganismen werden zudem nicht ausgerottet (das ist Unfug), sondern bauen sich von unten her in wenigen Wochen wieder auf und finden in der neu gebildeten Humus-Kohlekrümel-Struktur einen verbesserten Lebensraum.

4. Ist Pflanzenasche ein Dünger?

Ich möchte hier explizit noch einmal auf meine Quellenstudie „Küttisbrennen in Lievland. Die letzten Brandrodungs-Bauern in Europa“ (24.8.2024) hinweisen, wo konkrete Statistiken gegeben werden, welche Getreideerträge im 19. Jahrhundert mittels „Küttisbrennen“ in Livland, Schweden oder Norwegen erzielt wurden. Beschrieben wird dort, dass man im ersten Jahr nach der Brandrodung 12- bis 20-fältige Getreiderträge erreichte. Moderne experimentell-archäologische Anbauversuche, die ähnliche Anbauverfahren der Jungsteinzeit untersuchten, bestätigten diese 20-fältigen Erträge im ersten Jahr nach der Brandrodung. Auf guten Böden wurde sogar ein Verhältnis von 1:26 erreicht; bei der Verwendung von Winterweizen ging es sogar auf 1:53 der ausgebrachten Getreidemenge. In vorgeschichtlicher Zeit erreichten gute Böden oft bessere Ergebnisse als heute. Und das mit Aschedüngung, die im Brandrodungs-Verfahren allerdings gründlicher anzunehmen ist.

Beim Verbrennen von Reisstroh entstehen vor allem Kalium-, Calcium- und Phosphor-Düngerstoffe. Wie groß der Düngeeffekt beim Strohbrennen im Vergleich zum Niederwald-Brandrodungsbau jedoch ist, konnte ich bisher noch nicht recherchieren. In dieser Richtung wurde vermutlich noch nicht viel geforscht. Eine grobe Schätzung könnte sein, dass etwa 10–20 Prozent der Biomasse von Reisstroh nach der Verbrennung als Asche verbleibt. Das bedeutet, wenn man 100 kg Reisstroh verbrennt, könnten 10–20 kg Asche übrig bleiben. Das wäre vielleicht ein Ausgangspunkt einer Berechnung, die ich allerdings nicht als meine Aufgabe ansehe… Merkwürdig ist nur, dass ich überall lese, dass dieses Strohbrennen den Boden nicht besonders düngt. Dem entgegen stehen die offensichtlich korrekten Zahlen meines oben verlinkten Beitrags vom 24.8.2024.

Zwischenfazit

Die Argumentationsketten der Kritiker des Stoppelbrennens in Indien sind, wenn man sie genau betrachtet, keine Ketten, sondern Ideen-Fragmente, die für sich allein betrachtet andere Schlussfolgerungen ergeben als eine Gesamtschau der Dinge.

Interessant ist zudem, dass den Indern moderne westliche Agrartechniken empfohlen werden, die in Europa mittlerweile aufgrund ihrer Umweltfolgen wieder zurückgefahren werden. Ein Beispiel dafür ist die Düngeverordnung (DüV) in Deutschland, die die Anwendung von Düngemitteln reglementiert, um die Umweltbelastung zu minimieren, was jedoch auch die Erträge und Kornqualität negativ beeinflusst [4]. Da könnte man aber in Indien auch gleich so weitermachen, wie bisher, weil die Holzasche im Boden sicher keine Nitratbelastung verursacht, so wie heute bei uns und später logischerweise auch in Indien.

Zudem ist es auch so: Wir vergleichen oft den Aufwand und Nutzen der traditionell geprägten Landwirtschaft in Indien mit der unseren hier in Europa und halten diese für ökonomisch rentabler, doch das ist sie nicht. Wir müssen bedenken, dass der landwirtschaftliche Betrieb bei uns erst durch Agrarsubventionen „rentabel“ gemacht wird. In Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein macht das fast die Hälfte des bäuerlichen Einkommens aus! [5]
Wenn ich nun noch mal auf das Thema Ressourcen-Verbrauch zurückkomme (siehe oben), so müssen wir in unsere Statistiken auch diese Subventionen – also die Erarbeitung dieser Geldmittel – mit einrechnen.

Also: Wie viele Ressourcen verbraucht eine Gesellschaft und wie stark belastet sie die Umwelt un Summe, um ihren Teil an Agrarsubventionen ausgeben zu können? Um für dieses Thema ein wenig sensibler zu werden, werfe ich hier das Beispiel der Amischen in den USA in den Raum, die ihre Ackergeräte mit einem Pferde-Viergespann bedienen. Die Pferde züchtet sich der Landwirtschaftsbetrieb selbst groß. Im Vergleich dazu muss für den „modernen“ Bauern in Europa ein Heer von Produzenten eine Zugmaschine (Traktor) bereitstellen.
Und: Das sollten wir nicht vergessen, dieses „Heer von Produzenten“ muss neben ihrer Produktion auch noch Steuern und Abgaben zahlen – das ist nun mal so in der „modernen westlichen Welt“. Auch das Bereitstellen von Steuern und Abgaben ist ein Verbrauch an Ressourcen. Doch mit diesen, nun schon von vielen Mitdenkern abgelehnten Gedankenfluss, möchte ich diese Gedankenkette schließen und komme zum tatsächlichen Problem des Stoppelbrennens.

Amische Landwirtschaft
Die Amischen in den USA. Ist ihre Landwirtschaft unmodern?

Bleibt einzig das Problem der Rauchentwicklung…

… und das ist der Punkt, an dem man „weitermachen“ sollte, das heißt, die Technologie weiterzuentwickeln. Das derzeitige Problem ist, dass das Reisstroh zu feucht und zu breitflächig verbrannt wird, was zu viel Rauch und gesundheitsschädlichen Gasen führt. Hier könnten optimierte Brenntechniken bessere Ergebnisse liefern – beispielsweise das gut getrocknete Stroh in langen, locker gehäuften Mieten zu verbrennen und die Asche anschließend zu verteilen.

Quellen und weitere Hinweise

*Siehe letzte Überschrift, wie das „Weitermachen“ gemeint ist.

[1] Das Stoppelbrennen ist in den indischen Bundesstaaten Punjab, Haryana und Uttar Pradesh seit mehreren Jahren gesetzlich verboten. Bereits am 10. Dezember 2015 erließ das National Green Tribunal (NGT) ein Verbot des Abbrennens von Ernterückständen in diesen Staaten.
Trotz dieser gesetzlichen Regelungen wird das Verbot in der Praxis nicht konsequent durchgesetzt, was zu anhaltenden Umwelt- und Gesundheitsproblemen führt. So hat der Oberste Gerichtshof Indiens im Oktober 2024 die Regierungen von Punjab und Haryana dafür kritisiert, dass sie keine strafrechtlichen Maßnahmen gegen Landwirte ergreifen, die weiterhin Stoppelfelder abbrennen. Quelle: 1. Iasbaba.com; 2. „Eine schadstofffreie Umwelt ist das Recht jedes Bürgers, sagt SC

[2] Der Gesundheit schädlichen Gase beim Stoppelbrennen sind Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (NOₓ), Schwefeldioxid (SO₂), Methan (CH₄) und flüchtige organische Verbindungen (VOC). In Kombination mit Feinstaub verstärken sie die gesundheitlichen und umweltbezogenen Schäden erheblich. Durch eine höhere Brenntemperatur, minderen sich diese Schadstoffe jedoch erheblich.

[3] Auf das Thema „Klimawandel“ und „Klimagase“ möchte ich hier nicht näher eingehen, doch so viel scheint mir mittlerweile sicher zu sein: In der Gesamtschau auf die Problematik der Klimagase, die einzeln für sich betrachtet durchaus (grob vereinfacht gesagt) durch Licht-Wärmestrahlung Energie absorbieren und sich dadurch erhitzen, ist es nun aber so, dass alle direkte und indirekte Licht-Wärmestrahlung der Sonne (es sind nur einzelne Spektren) fast vollständig durch das „Klimagas Wasserdampf“ – etwa 1-3% in der Erdatmosphäre – absorbiert wird. Das heißt, dass nach neuesten Erkenntnissen, es egal ist, ob neben dem Wasserdampf (der bereits alle verwertbare Sonnenenergie absorbiert) noch weitere Klimagase in der Atmosphäre vorhanden sind oder nicht.
Noch mal anders formuliert: Allein der Wasserdampf in der Atmosphäre schnappt sich schon alle verwertbare Energie für die Erderwärmung weg und so bleibt für die anderen Klimagase nichts mehr übrig. So, wie eine Kochsalzlösung maximal eine Konzentration von 36 Prozent erreichen kann, denn dann kristallisiert alles restliche Salz nur noch aus, so geht hier auf unserem Planeten nichts mehr an Wärmeenergie über Klimagase reinzustecken. Das bedeutet: Das Thema Klimaerwärmung durch Kohlendioxid und weitere Spuren-Klimagase damit passé. Es muss sich nur noch herumsprechen.

[4] Mindere Weizen-Qualität durch Düngeverordnung (DüV) in Deutschland. Ein Bericht aus der Praxis:
YouTube-Kanal Moderner Landwirt; „Die Selbstversorgung ist am Arsch! – Anthony Robert Lee“; 21.07.2022

[5]
AHRENS, Sandra; Direktzahlungen und Zuschüsse an landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland in den Jahren 2005/06 bis 2022/23; Statista GmbH, 22.05.2024

Agrarpolitik: Wie stark deutsche Bauern subventioniert werden; Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft; 30.1.2024

ZINKE, Dr. Olaf; Direktzahlungen und Subventionen: Wo bekommen die Bauern am meisten?; agrarheute, 11.05.21

Weitere Literatur:

PINCKERT, Friedrich August; Die vollständige Brenn-Cultur in der Landwirthschaft [Die vollständige Brenn-Kultur in der Landwirtschaft]; Berlin 1861

https://books.google.de/books?id=ffD-ZcYoblkC

Teilveröffentlichung hier auf dem Blog, kommentiert und weitere Artikel zur Brenn-Kultur

  • https://en.wikipedia.org/wiki/Stubble_burning
  • https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666765720300119
  • https://www.arcusin.com/de/problem-bedrohung-indien-wiegt-150-millionen-tonnen/
  • Länderbericht Indien Stand: August 2016; Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung

 

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