Bild: Landschaft in Arizona. Hier soll ohne Bewässerung Mais wachsen?
Eine Landwirtschaft, die verblüfft
Die Hopi-Indianer im Nordosten Arizonas haben eine Form der Landwirtschaft entwickelt, die uns Europäer schon in Staunen versetzen mag. In einer kargen Halbwüstenregion, geprägt von Wasserknappheit und unbarmherzigen Winden, kultivieren sie seit Jahrhunderten Mais und Bohnen – ganz ohne künstliche Bewässerung.
Selbst heute gibt es Hopi-Farmer, die diese traditionsreiche Praxis wiederbeleben. Diesen faszinierenden Einblick verdanke ich einer bemerkenswerten Videodokumentation [1] von Anna Palmer und Costa Boutsikaris aus dem Jahr 2021. Sie porträtiert fünf indigene Gemeinschaften in Amerika und auf Hawaii, die ihre angestammten Wirtschaftsweisen neu erblühen lassen:
Fünf Geschichten der Wiederbelebung
Die deutsche Beschreibung auf YouTube fasst es treffend zusammen:
„Die fünf Episoden zeigen die Bewahrung der Hopi-Trockenlandwirtschaft in Arizona, die Rückkehr der Büffel ins Blackfeet-Reservat in Montana, nachhaltige Forstwirtschaft im Menominee-Reservat in Wisconsin, die Wiederbelebung einheimischer Nahrungswälder auf Hawaii und die Rückführung kontrollierter Brände in die Landschaft durch den Karuk-Stamm in Kalifornien.“
Jede dieser Geschichten verdient es, in den kommenden Wochen einmal näher betrachtet zu werden. Und: Diese Episoden könnten auch für unsere eigenen indigenen Traditionen in Europa wegweisend sein – ein Gedanke, der mir plausibel erscheint, da ich kulturelle Identität und ökonomische Praktiken als eng verwoben betrachte. Doch hierauf will ich heute nicht weiter eingehen, um den Fokus auf den vorliegenden Text nicht zu verwässern.
Jenseits des Drei-Schwestern-Mythos‘
Eigentlich erwartete ich in der Dokumentation das wohlbekannte „Drei-Schwestern-System“ – jene romantisch verklärte Kombination aus Mais, Bohnen und Kürbissen, die im alternativen Gartenbau bei uns als „Indianerbeet“ Furore macht und die auch ich eher aus nostalgischer Neigung auf ein paar Quadratmetern ausprobiert habe.
Doch dieses Thema tritt in der Dokumentation nicht auf und wirkt ohnehin wie ein Nebenschauplatz. Stattdessen wird eine verblüffend eigenständige Technik enthüllt: der Grabstock-Gartenbau der Hopi.
Diese Methode ist so ungewöhnlich, dass sie wohl den meisten unverständlich bleibt – sei es die Technik selbst oder die schiere Vorstellung, mit einem angespitzten Holzstab ganze Felder zu bewirtschaften. Ein gewisses Vorwissen hilft, die Tiefe dieser Praxis zu erfassen.
Die Kunst der Tümpelsaat
Die Dokumentation zeigt und den den Hopi-Farmer Dr. Michael Kotutwa Johnson, der seine Tradition mit Bedacht pflegt und auf alte Anbautechniken zurückgreift. Auf einer maschinell vorbereiteten Fläche pflanzt er Mais (Zea mays) in einer sogenannten Tümpelsaat – mit Abständen von etwa zwei Metern.
Bemerkenswert ist die Tiefe: Dr. Johnson sät seinen Hopi-Mais, den er in etwa 40 Variationen bewahrt hat, in 20 bis 45 Zentimeter tiefe Löcher, weit entfernt von den üblichen 3–5 Zentimetern unserer konventionellen Felder.
Warum dieser Aufwand? In der Wüste verdunstet die Oberfläche schnell, doch tiefere Bodenschichten speichern Feuchtigkeit länger. So setzt er büschelweise etwa zehn Samen pro Loch, in weiten Abständen. Traditionell liegen die Felder hierfür möglichst in natürlichen Senken, wo sich das rare Regenwasser sammelt.
Wind, Staub und Nährstoffe
Diese tief verwurzelten Maispflanzen – nur die widerstandsfähigsten Samen setzen sich durch – widerstehen dem Wind mit erstaunlicher Standhaftigkeit. Ihre gleichmäßige Anordnung wirkt wie ein Windkamm, der die Luftströmung dämpft. Dabei lagert sich der mitgewehte Halbwüstenstaub an den Pflanzenbüscheln ab.

Ich vermute, dieser Staub fungiert als natürlicher Dünger, gespickt mit mineralischen Nährstoffen wie Kalzium oder Kalium. Stickstoff fehlt zunächst, doch die Dokumentation deutet darauf hin, dass Bohnen (Phaseolus lunatus) in Folge- oder Mischkultur gepflanzt werden.
Als Leguminosen reichern sie den Boden mit Stickstoff an und schließen so die Nährstofflücke. Ob die tiefe Saat die Maispflanzen dazu bringt, Mineralien bevorzugt aus tieferen Bodenschichten aufzunehmen, bleibt eine offene Frage, die weitere Erkundung verdient.
Nachhaltigkeit in der Wüste
Das Konzept der weitläufigen Tümpelsaat nutzt die Bodennährstoffe extensiv und zeugt von nachhaltiger Raffinesse. Selbst unter rauen klimatischen Bedingungen erschöpft es die Anbaufläche nicht – ein Prinzip, das Jahrhunderte überdauerte. Der Protagonist hebt hervor, dass die Hopi wegen häufiger Dürren stets Vorräte an Mais und Bohnen für drei Jahre bereithielten. Dies unterstreicht die Ertragsstärke und Widerstandsfähigkeit dieser Methode.

Ein neuer Blick auf den Grabstock
Für mich bedeutet dies eine Erweiterung meines Horizonts. Diese oft übersehene, nicht-pflügende Form der Landwirtschaft – eher ein Gartenbau als Feldbau – verlangt eine kulturgeschichtliche Einordnung. Traditionell unterscheidet man zwischen Hackbau und Pflugbau, wobei der pflügende Ackerbau aus dem Hackbau hervorgegangen sei.
Doch das greift zu kurz. Emil Werth (1869–1958), ein Pionier der Agrargeschichte, teilte die Feldbau-Kulturen in Pflugbau und Hackbau, wobei der Grabstockbau unter letzterem subsumiert wird. Ich plädiere für eine feinere Differenzierung – oder gar eine dritte Kategorie:
- Pflugbau
- Hackbau
- Grabstockbau
Vertikale statt flächige Kultivierung
Der Grund liegt auf der Hand: Während der Hackbau die Fläche und oberflächlichen Bodenschichten bearbeitet, konzentriert sich der Grabstockbau – wie das Hopi-Beispiel eindrucksvoll zeigt – auf die Vertikale. Er erschließt tiefere Bodenschichten und kultiviert sie gezielt. Das ist ein paradigmatischer Unterschied, dessen Potenzial sich noch eingehender zu erforschen ist.
Quellen und Anmerkungen
[1] PALMER, Anna und BOUTSISKARIS, Costa (2021), „Indigene Völker stellen wieder her, was die Moderne zerstört hat“, mit deutschen Untertiteln, veröffentlicht am 31. März 2025 auf YouTube.
[2] Bildquelle: Traditionelle, indigene Landwirtschaft; Forum – Indianer Nordamerikas
Weiterführend:
- Wikipedia: Hopi
- Wikipedia: Trockenfeldbau
- https://www.olehelmhausen.de/ blog/2013/12/16/ hopi-arizona-im-land-der-friedlichen/
Blick auf die Landschaft:
Nachbemerkung
Ein aufmerksamer Leser meiner Blog-Artikel ahnt gewiss, dass es mir nicht nur um das Anhäufen von Wissen geht – ich will es auch anwenden. Tatsächlich habe ich bereits begonnen, die Tiefsaat des Maises in Form der Tümpelsaat zu erproben. Auf dem Bild ist eine Tiefe von 40 Zentimetern zu sehen. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Weitere Aussaatvarianten sind geplant, und natürlich werde ich auch die Bohnen einbeziehen. Zum Vergleich hier nochmals die gängigen Saattiefen:
- Mais (Zea mays), 3–5 cm
- Gartenbohnen (Phaseolus vulgaris), 2–3 cm
- Ackerbohnen (Vicia faba) im Feldbau, 5–8 cm

Und noch eine Notiz zur Entstehung von Kulturpflanzen: Anthropogen gestörte Standorte wie Abfallhaufen boten ruderalen Pflanzen günstige Bedingungen und könnten bekanntermaßen die Kultivierung von Wildpflanzen begünstigt haben. Auch vegetative Vermehrung bzw. die dabei bewirkte Standortveränderugn (Verpflanzung), z. B. bei Bananen, gehören ebenfalls zu dieser Standortstörung. Ich frage mich nun, ob Techniken wie die übertiefe Aussaat mit dem Pflanzstock möglicherweise ebenfalls als Störung, das Wuchsverhalten und den Selektionsdruck beeinflusste. Details folgen.